Das Bedürfnis des Kriegers, sich durch eine tragbare Schutzwaffe vor der Wirkung der Waffen des Feindes zu sichern, war stets um so reger, je bedeutender diese Wirkung erschien, je unausgebildeter die Taktik und je unzulänglicher der Schutz war, welchen die kriegerische Kleidung selbst bieten konnte.
Am Beginne des Mittelalters, in einer Epoche des Strebens nach geordneten Verhältnissen, fand man barbarische Völkerschaften über Europa verstreut, deren Kultur an sich verschieden voneinander, immer aber zu gering war, um sich durch technische Mittel aus- reichend vor der feindlichen Angriffswaffe zu schützen; barbarische Völker mussten im Kriege allezeit durch rasche Bewegungen das er- setzen, was ihnen durch ihre mangelhafte kriegerische Ausrüstung an defensiven Streitmitteln abging.
Wir finden deshalb unter den sarmatischen und hunnischen Reitervölkern, welche im 4. Jahrhundert den Westen Europas über- schwemmten, nirgends eine Spur von einer Verwendung von Schilden. Jene Völkerschaften, welche sich in Deutschland sesshaft gemacht und manches von der Kampfweise der Römer sich angeeignet hatten, be- nutzten allerdings grosse, ovale Schilde, aber diese waren von zweifel- haftem Werte, von Weidenzweigen geflochten und mit ungegerbten Rindshäuten überspannt. Die Schilde der Germanen waren fast noch einfacher. Sie hatten in der allgemeinen Gestalt einige Ähnlichkeit mit jenen in den römischen Legionen üblichen, nur waren sie bei ihrer viereckigen Gestalt weniger ausgebogen. Gleichfalls aus Weiden- geflecht gebildet, waren sie mit Pelzwerk, gemeiniglich vom Wolfe, über- zogen. Dieser Gebrauch, Schilde mit Pelzwerk (Rauchwerk) zu über- ziehen, erhielt sich bis ins 13. Jahrhundert, in welchem man noch häufig Schilde findet, welche wenigstens am oberen Teile mit Fellen verschiedener Tiere überzogen sind. Aus dieser Sitte hat sich auch das heraldische Pelzwerk (feh) im Mittelalter herausgestaltet. Man findet übrigens noch heute Rundschilde asiatischer Völkerschaften mit Fell von Rindern überzogen.
Der leichte Reiter war einer Verwendung des Schildes stets ab- hold, er hinderte ihn in der Führung des Pferdes, ohne ihm den erwünschten Schutz zu bieten. Nur dem zu Fuss kämpfenden Mann erschien der Schild um so unentbehrlicher, je weniger er im stande war, sich der feindlichen Waffenwirkung durch eine rasche Bewegung zu entziehen.
Zwei Umstände führten zu einer allmählichen Verbesserung der Waffen der Völker, welche sich in Europa sesshaft gemacht hatten. Die Verbindung, in welche sie mit Konstantinopel geraten waren, von wo sie auf dem Handelswege die Waffen bezogen, und der glück-
9. Der Schild.
Das Bedürfnis des Kriegers, sich durch eine tragbare Schutzwaffe vor der Wirkung der Waffen des Feindes zu sichern, war stets um so reger, je bedeutender diese Wirkung erschien, je unausgebildeter die Taktik und je unzulänglicher der Schutz war, welchen die kriegerische Kleidung selbst bieten konnte.
Am Beginne des Mittelalters, in einer Epoche des Strebens nach geordneten Verhältnissen, fand man barbarische Völkerschaften über Europa verstreut, deren Kultur an sich verschieden voneinander, immer aber zu gering war, um sich durch technische Mittel aus- reichend vor der feindlichen Angriffswaffe zu schützen; barbarische Völker muſsten im Kriege allezeit durch rasche Bewegungen das er- setzen, was ihnen durch ihre mangelhafte kriegerische Ausrüstung an defensiven Streitmitteln abging.
Wir finden deshalb unter den sarmatischen und hunnischen Reitervölkern, welche im 4. Jahrhundert den Westen Europas über- schwemmten, nirgends eine Spur von einer Verwendung von Schilden. Jene Völkerschaften, welche sich in Deutschland seſshaft gemacht und manches von der Kampfweise der Römer sich angeeignet hatten, be- nutzten allerdings groſse, ovale Schilde, aber diese waren von zweifel- haftem Werte, von Weidenzweigen geflochten und mit ungegerbten Rindshäuten überspannt. Die Schilde der Germanen waren fast noch einfacher. Sie hatten in der allgemeinen Gestalt einige Ähnlichkeit mit jenen in den römischen Legionen üblichen, nur waren sie bei ihrer viereckigen Gestalt weniger ausgebogen. Gleichfalls aus Weiden- geflecht gebildet, waren sie mit Pelzwerk, gemeiniglich vom Wolfe, über- zogen. Dieser Gebrauch, Schilde mit Pelzwerk (Rauchwerk) zu über- ziehen, erhielt sich bis ins 13. Jahrhundert, in welchem man noch häufig Schilde findet, welche wenigstens am oberen Teile mit Fellen verschiedener Tiere überzogen sind. Aus dieser Sitte hat sich auch das heraldische Pelzwerk (fêh) im Mittelalter herausgestaltet. Man findet übrigens noch heute Rundschilde asiatischer Völkerschaften mit Fell von Rindern überzogen.
Der leichte Reiter war einer Verwendung des Schildes stets ab- hold, er hinderte ihn in der Führung des Pferdes, ohne ihm den erwünschten Schutz zu bieten. Nur dem zu Fuſs kämpfenden Mann erschien der Schild um so unentbehrlicher, je weniger er im stande war, sich der feindlichen Waffenwirkung durch eine rasche Bewegung zu entziehen.
Zwei Umstände führten zu einer allmählichen Verbesserung der Waffen der Völker, welche sich in Europa seſshaft gemacht hatten. Die Verbindung, in welche sie mit Konstantinopel geraten waren, von wo sie auf dem Handelswege die Waffen bezogen, und der glück-
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9. Der Schild.
Das Bedürfnis des Kriegers, sich durch eine tragbare Schutzwaffe
vor der Wirkung der Waffen des Feindes zu sichern, war stets um so
reger, je bedeutender diese Wirkung erschien, je unausgebildeter die
Taktik und je unzulänglicher der Schutz war, welchen die kriegerische
Kleidung selbst bieten konnte.
Am Beginne des Mittelalters, in einer Epoche des Strebens nach
geordneten Verhältnissen, fand man barbarische Völkerschaften über
Europa verstreut, deren Kultur an sich verschieden voneinander,
immer aber zu gering war, um sich durch technische Mittel aus-
reichend vor der feindlichen Angriffswaffe zu schützen; barbarische
Völker muſsten im Kriege allezeit durch rasche Bewegungen das er-
setzen, was ihnen durch ihre mangelhafte kriegerische Ausrüstung an
defensiven Streitmitteln abging.
Wir finden deshalb unter den sarmatischen und hunnischen
Reitervölkern, welche im 4. Jahrhundert den Westen Europas über-
schwemmten, nirgends eine Spur von einer Verwendung von Schilden.
Jene Völkerschaften, welche sich in Deutschland seſshaft gemacht und
manches von der Kampfweise der Römer sich angeeignet hatten, be-
nutzten allerdings groſse, ovale Schilde, aber diese waren von zweifel-
haftem Werte, von Weidenzweigen geflochten und mit ungegerbten
Rindshäuten überspannt. Die Schilde der Germanen waren fast noch
einfacher. Sie hatten in der allgemeinen Gestalt einige Ähnlichkeit
mit jenen in den römischen Legionen üblichen, nur waren sie bei
ihrer viereckigen Gestalt weniger ausgebogen. Gleichfalls aus Weiden-
geflecht gebildet, waren sie mit Pelzwerk, gemeiniglich vom Wolfe, über-
zogen. Dieser Gebrauch, Schilde mit Pelzwerk (Rauchwerk) zu über-
ziehen, erhielt sich bis ins 13. Jahrhundert, in welchem man noch
häufig Schilde findet, welche wenigstens am oberen Teile mit Fellen
verschiedener Tiere überzogen sind. Aus dieser Sitte hat sich auch
das heraldische Pelzwerk (fêh) im Mittelalter herausgestaltet. Man
findet übrigens noch heute Rundschilde asiatischer Völkerschaften mit
Fell von Rindern überzogen.
Der leichte Reiter war einer Verwendung des Schildes stets ab-
hold, er hinderte ihn in der Führung des Pferdes, ohne ihm den
erwünschten Schutz zu bieten. Nur dem zu Fuſs kämpfenden Mann
erschien der Schild um so unentbehrlicher, je weniger er im stande
war, sich der feindlichen Waffenwirkung durch eine rasche Bewegung
zu entziehen.
Zwei Umstände führten zu einer allmählichen Verbesserung der
Waffen der Völker, welche sich in Europa seſshaft gemacht hatten.
Die Verbindung, in welche sie mit Konstantinopel geraten waren,
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. [169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/187>, abgerufen am 27.11.2024.
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