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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.
schwer von dieser Schutzwaffe. Noch bis ins 18. Jahrhundert herein
spielt er eine Rolle in der romantischen Vorstellung als unzertrenn-
lich von der adligen Würde. Während der Haubert das Kriegs-
kleid des Ritters durch mehr als 5 Jahrhunderte gewesen war, hatte
der Plattenharnisch nur die kurze Lebensdauer von kaum deren zwei,
[Abbildung] Fig. 172.

Pickenier aus dem
englischen Heere. Der Harnisch
stammt aus der ehemaligen Samm-
lung Meyrick in Goodrich-Court.
17. Jahrhundert. Nach Meyrick.

aber in den Kriegerkreisen erhielt sich
der Glaube, als sei er das ritterliche
Kleid von alters her gewesen. Als
der Plattenharnisch längst nicht mehr
existierte, im 18. Jahrhundert noch,
würde es ein Adliger, ein höherer
Offizier unter seiner Würde gefunden
haben, sich anders, als im Brustharnisch
mit dem Visierhelme daneben abbilden
zu lassen.

Selten ist eine Waffe in den
eigenen Berufskreisen von ihrem ersten
Auftreten an mehr überschätzt worden,
als der Plattenharnisch. Entstanden
in einer Periode, in welcher auch die
Feuerwaffe zur Entwickelung gelangte,
trug er gewissermassen schon am Be-
ginne die Bedingungen für eine nur
kurze Existenz in sich. Er bildet nur
eine kleine Episode in dem durch
Jahrhunderte währenden Streite um
den Wert der aktiven oder passiven
Kampfmittel, aber seine Geschichte
beweist, dass seine Nützlichkeit in
demselben Grade abnahm, wie die
Feuerwaffe in ihrer Leistungsfähigkeit
sich erhob. Lange hatte man in den
Kreisen der Ritterschaft vor dieser
früh eingetretenen Thatsache die Augen
geschlossen gehalten; in den Tradi-
tionen alten Heldentums lebend, er-
schien das eiserne Kleid als etwas
Unersetzbares, Unentbehrliches. Die
äusserliche Erscheinung, das Martia-
lische des Auftretens dieser Schutzwaffe
wirkte mit, um an ihr zu hängen, als
sei sie mit dem Kriegerstand innig
verwachsen. Für den Romantiker von
heute ist sie nicht weniger ein Gegen-
stand unklarer Schwärmerei, für den

I. Die Schutzwaffen.
schwer von dieser Schutzwaffe. Noch bis ins 18. Jahrhundert herein
spielt er eine Rolle in der romantischen Vorstellung als unzertrenn-
lich von der adligen Würde. Während der Haubert das Kriegs-
kleid des Ritters durch mehr als 5 Jahrhunderte gewesen war, hatte
der Plattenharnisch nur die kurze Lebensdauer von kaum deren zwei,
[Abbildung] Fig. 172.

Pickenier aus dem
englischen Heere. Der Harnisch
stammt aus der ehemaligen Samm-
lung Meyrick in Goodrich-Court.
17. Jahrhundert. Nach Meyrick.

aber in den Kriegerkreisen erhielt sich
der Glaube, als sei er das ritterliche
Kleid von alters her gewesen. Als
der Plattenharnisch längst nicht mehr
existierte, im 18. Jahrhundert noch,
würde es ein Adliger, ein höherer
Offizier unter seiner Würde gefunden
haben, sich anders, als im Brustharnisch
mit dem Visierhelme daneben abbilden
zu lassen.

Selten ist eine Waffe in den
eigenen Berufskreisen von ihrem ersten
Auftreten an mehr überschätzt worden,
als der Plattenharnisch. Entstanden
in einer Periode, in welcher auch die
Feuerwaffe zur Entwickelung gelangte,
trug er gewissermaſsen schon am Be-
ginne die Bedingungen für eine nur
kurze Existenz in sich. Er bildet nur
eine kleine Episode in dem durch
Jahrhunderte währenden Streite um
den Wert der aktiven oder passiven
Kampfmittel, aber seine Geschichte
beweist, daſs seine Nützlichkeit in
demselben Grade abnahm, wie die
Feuerwaffe in ihrer Leistungsfähigkeit
sich erhob. Lange hatte man in den
Kreisen der Ritterschaft vor dieser
früh eingetretenen Thatsache die Augen
geschlossen gehalten; in den Tradi-
tionen alten Heldentums lebend, er-
schien das eiserne Kleid als etwas
Unersetzbares, Unentbehrliches. Die
äuſserliche Erscheinung, das Martia-
lische des Auftretens dieser Schutzwaffe
wirkte mit, um an ihr zu hängen, als
sei sie mit dem Kriegerstand innig
verwachsen. Für den Romantiker von
heute ist sie nicht weniger ein Gegen-
stand unklarer Schwärmerei, für den

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[162/0180] I. Die Schutzwaffen. schwer von dieser Schutzwaffe. Noch bis ins 18. Jahrhundert herein spielt er eine Rolle in der romantischen Vorstellung als unzertrenn- lich von der adligen Würde. Während der Haubert das Kriegs- kleid des Ritters durch mehr als 5 Jahrhunderte gewesen war, hatte der Plattenharnisch nur die kurze Lebensdauer von kaum deren zwei, [Abbildung Fig. 172. Pickenier aus dem englischen Heere. Der Harnisch stammt aus der ehemaligen Samm- lung Meyrick in Goodrich-Court. 17. Jahrhundert. Nach Meyrick.] aber in den Kriegerkreisen erhielt sich der Glaube, als sei er das ritterliche Kleid von alters her gewesen. Als der Plattenharnisch längst nicht mehr existierte, im 18. Jahrhundert noch, würde es ein Adliger, ein höherer Offizier unter seiner Würde gefunden haben, sich anders, als im Brustharnisch mit dem Visierhelme daneben abbilden zu lassen. Selten ist eine Waffe in den eigenen Berufskreisen von ihrem ersten Auftreten an mehr überschätzt worden, als der Plattenharnisch. Entstanden in einer Periode, in welcher auch die Feuerwaffe zur Entwickelung gelangte, trug er gewissermaſsen schon am Be- ginne die Bedingungen für eine nur kurze Existenz in sich. Er bildet nur eine kleine Episode in dem durch Jahrhunderte währenden Streite um den Wert der aktiven oder passiven Kampfmittel, aber seine Geschichte beweist, daſs seine Nützlichkeit in demselben Grade abnahm, wie die Feuerwaffe in ihrer Leistungsfähigkeit sich erhob. Lange hatte man in den Kreisen der Ritterschaft vor dieser früh eingetretenen Thatsache die Augen geschlossen gehalten; in den Tradi- tionen alten Heldentums lebend, er- schien das eiserne Kleid als etwas Unersetzbares, Unentbehrliches. Die äuſserliche Erscheinung, das Martia- lische des Auftretens dieser Schutzwaffe wirkte mit, um an ihr zu hängen, als sei sie mit dem Kriegerstand innig verwachsen. Für den Romantiker von heute ist sie nicht weniger ein Gegen- stand unklarer Schwärmerei, für den

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/180>, abgerufen am 26.11.2024.