in der wagenburg seindt sy nutz". -- Das System der "Orgel", so verführerisch für alle Projektenmacher, hat auch durch vier Jahrhun- derte ununterbrochen in verschiedenen Formen bis zur Mitrailleuse herab seinen Weg gemacht -- es kann nicht leben und nicht sterben.
Die Lafettierung (systeme d'affaut) war bis ans Ende des 15. Jahr- hunderts kompliziert und ungemein schwerfällig. Die Rohre ruhten, wie bereits bemerkt, zur Hälfte ihrer Stärke in ausgehöhlten Balken, sogenannten Laden (chantiers), welche, auf den Achsen schwerer Räder liegend, eine nur geringe Elevation gestatteten. An der Haufnitz, einem kurzen Wurfgeschütze, war die Lade schon etwas beweglicher einge- richtet. Der Umstand, dass das Rohr beim Schusse aus seiner Lage
[Abbildung]
Fig. 516.
Vierzigläufiges Hagelstück. 15. Jahrhundert. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. von 1514.
in der Lade gestossen wurde, führte um 1450 zu der Beigabe von vier sogenannten Schildzapfen, welche in die Lade eingelassen wurden und so eine Bewegung des Rohres verhinderten. Die grösste Zahl der älteren Hauptbüchsen Kaiser Maximilians ist noch mit solchen (doppelten) Schildzapfen versehen. (Fig. 517.) Ausser den hölzernen Lafetten finden sich im Verlaufe des ganzen 15. Jahrhunderts in der Marine wie in Landpositionen kleinere Schlangen meist mit Hinter- ladung, welche auf eisernen drehbaren Gabeln, sogenannten Dreh- bassen, ruhen. Erst um 1490 stossen wir auf Geschütze mit einfachen
II. Die Angriffswaffen.
in der wagenburg seindt sy nutz“. — Das System der „Orgel“, so verführerisch für alle Projektenmacher, hat auch durch vier Jahrhun- derte ununterbrochen in verschiedenen Formen bis zur Mitrailleuse herab seinen Weg gemacht — es kann nicht leben und nicht sterben.
Die Lafettierung (système d’affût) war bis ans Ende des 15. Jahr- hunderts kompliziert und ungemein schwerfällig. Die Rohre ruhten, wie bereits bemerkt, zur Hälfte ihrer Stärke in ausgehöhlten Balken, sogenannten Laden (chantiers), welche, auf den Achsen schwerer Räder liegend, eine nur geringe Elevation gestatteten. An der Haufnitz, einem kurzen Wurfgeschütze, war die Lade schon etwas beweglicher einge- richtet. Der Umstand, daſs das Rohr beim Schusse aus seiner Lage
[Abbildung]
Fig. 516.
Vierzigläufiges Hagelstück. 15. Jahrhundert. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. von 1514.
in der Lade gestoſsen wurde, führte um 1450 zu der Beigabe von vier sogenannten Schildzapfen, welche in die Lade eingelassen wurden und so eine Bewegung des Rohres verhinderten. Die gröſste Zahl der älteren Hauptbüchsen Kaiser Maximilians ist noch mit solchen (doppelten) Schildzapfen versehen. (Fig. 517.) Auſser den hölzernen Lafetten finden sich im Verlaufe des ganzen 15. Jahrhunderts in der Marine wie in Landpositionen kleinere Schlangen meist mit Hinter- ladung, welche auf eisernen drehbaren Gabeln, sogenannten Dreh- bassen, ruhen. Erst um 1490 stoſsen wir auf Geschütze mit einfachen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0456"n="438"/><fwplace="top"type="header">II. Die Angriffswaffen.</fw><lb/>
in der wagenburg seindt sy nutz“. — Das System der „Orgel“, so<lb/>
verführerisch für alle Projektenmacher, hat auch durch vier Jahrhun-<lb/>
derte ununterbrochen in verschiedenen Formen bis zur Mitrailleuse<lb/>
herab seinen Weg gemacht — es kann nicht leben und nicht sterben.</p><lb/><p>Die Lafettierung (système d’affût) war bis ans Ende des 15. Jahr-<lb/>
hunderts kompliziert und ungemein schwerfällig. Die Rohre ruhten,<lb/>
wie bereits bemerkt, zur Hälfte ihrer Stärke in ausgehöhlten Balken,<lb/>
sogenannten <hirendition="#g">Laden</hi> (chantiers), welche, auf den Achsen schwerer Räder<lb/>
liegend, eine nur geringe Elevation gestatteten. An der Haufnitz, einem<lb/>
kurzen Wurfgeschütze, war die Lade schon etwas beweglicher einge-<lb/>
richtet. Der Umstand, daſs das Rohr beim Schusse aus seiner Lage<lb/><figure><head><hirendition="#g">Fig</hi>. 516.</head><p><hirendition="#g">Vierzigläufiges Hagelstück</hi>. 15. Jahrhundert.<lb/>
Aus den Zeugbüchern Maximilians I. von 1514.</p></figure><lb/>
in der Lade gestoſsen wurde, führte um 1450 zu der Beigabe von<lb/>
vier sogenannten <hirendition="#g">Schildzapfen</hi>, welche in die Lade eingelassen<lb/>
wurden und so eine Bewegung des Rohres verhinderten. Die gröſste<lb/>
Zahl der älteren Hauptbüchsen Kaiser Maximilians ist noch mit solchen<lb/>
(doppelten) Schildzapfen versehen. (Fig. 517.) Auſser den hölzernen<lb/>
Lafetten finden sich im Verlaufe des ganzen 15. Jahrhunderts in der<lb/>
Marine wie in Landpositionen kleinere Schlangen meist mit Hinter-<lb/>
ladung, welche auf eisernen drehbaren Gabeln, sogenannten <hirendition="#g">Dreh-<lb/>
bassen</hi>, ruhen. Erst um 1490 stoſsen wir auf Geschütze mit einfachen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[438/0456]
II. Die Angriffswaffen.
in der wagenburg seindt sy nutz“. — Das System der „Orgel“, so
verführerisch für alle Projektenmacher, hat auch durch vier Jahrhun-
derte ununterbrochen in verschiedenen Formen bis zur Mitrailleuse
herab seinen Weg gemacht — es kann nicht leben und nicht sterben.
Die Lafettierung (système d’affût) war bis ans Ende des 15. Jahr-
hunderts kompliziert und ungemein schwerfällig. Die Rohre ruhten,
wie bereits bemerkt, zur Hälfte ihrer Stärke in ausgehöhlten Balken,
sogenannten Laden (chantiers), welche, auf den Achsen schwerer Räder
liegend, eine nur geringe Elevation gestatteten. An der Haufnitz, einem
kurzen Wurfgeschütze, war die Lade schon etwas beweglicher einge-
richtet. Der Umstand, daſs das Rohr beim Schusse aus seiner Lage
[Abbildung Fig. 516. Vierzigläufiges Hagelstück. 15. Jahrhundert.
Aus den Zeugbüchern Maximilians I. von 1514.]
in der Lade gestoſsen wurde, führte um 1450 zu der Beigabe von
vier sogenannten Schildzapfen, welche in die Lade eingelassen
wurden und so eine Bewegung des Rohres verhinderten. Die gröſste
Zahl der älteren Hauptbüchsen Kaiser Maximilians ist noch mit solchen
(doppelten) Schildzapfen versehen. (Fig. 517.) Auſser den hölzernen
Lafetten finden sich im Verlaufe des ganzen 15. Jahrhunderts in der
Marine wie in Landpositionen kleinere Schlangen meist mit Hinter-
ladung, welche auf eisernen drehbaren Gabeln, sogenannten Dreh-
bassen, ruhen. Erst um 1490 stoſsen wir auf Geschütze mit einfachen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/456>, abgerufen am 28.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.