gundischer Heere den Achselschilden, ailettes, meist quadratförmigen Platten, welche, schief aufgestellt, vom Helme bis ans Schulterende reichend, den Hals und die Schulter des Streiters deckten. Um ihr Auftreten begreiflich zu finden, muss man in Erwägung ziehen, dass die Kapuze, Halsbrünne, camail, im 13. Jahrhundert noch dicht an den Hals schloss, und jeder Schwerthieb auf die Halsarterien unge- achtet des Panzerzeuges den augenblicklichen Tod herbeiführen konnte. Erst als die Kapuze des Hauberts derart gestaltet wurde, dass die unteren Teile gerade herabfielen, schwächte sich jeder Hieb an dem nachgiebigen Panzerzeug. Die Achselschilde, deren Verwen- dung um 1348 endet, waren gleich der Tartsche mit dem Wappen der Eigner bemalt; sie bildeten im französischen Adel gleich jenen ein Abzeichen des ritterlichen Standes. Ihre Befestigung am Haubert war nach den vorhandenen gleichzeitigen Abbildungen sehr einfach. An den Innenseiten befanden sich Leder- schleifen, durch welche ein Riemen lief, welcher um den Hals geschnallt wurde. Auf dem Marsche wurde der Halsriemen gelockert, so dass die Achselschilde an beiden Seiten der Brust nach vorn oder rückwärts herabhingen. (Fig. 188.) Ein Bei- spiel finden wir in dem Siegel Louis' I. von Bourbon von c. 1300.
Gegen das Ende des 14. und im 15. Jahrhundert erleidet die Form der Tartschen Veränderungen, die nicht mehr eine waffentechnische, sondern lediglich stilistische Bedeu- tung haben. Sie wird nun unterhalb
[Abbildung]
Fig. 188.
Reiter mit übereck gestelltem Achselschilde aus einer Mi- niatur in einer Sammlung von Romanen in der königl. Bibliothek zu London. Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.
halbrund gebildet, zuweilen, wie in England und Nordfrankreich, vier- eckig, nahezu quadratförmig.
Im 16. Jahrhundert ist der Plattenharnisch zur Vollendung ge- diehen, und der Reiterschild, durch fünf Jahrhunderte eine der wich- tigsten Schutzwaffen, hatte nicht mehr ein Recht auf das Dasein.
Mit der Erstarkung des feudalen Wesens kam das Fussvolk immer mehr in Missachtung, so wurde eben auf die Bewaffnung der Fussknechte wenig oder gar kein Wert gelegt und man findet auch in der That dort, wo uns eine Kunde über eine Verwendung von Fussvolk wird, die mannigfachsten und sonderbarsten Schildformen, während ersichtlich auf die Ausbildung der Formen der Reiterschilde ein sorgsames Augenmerk gelenkt ist.
Boeheim, Waffenkunde. 12
9. Der Schild.
gundischer Heere den Achselschilden, ailettes, meist quadratförmigen Platten, welche, schief aufgestellt, vom Helme bis ans Schulterende reichend, den Hals und die Schulter des Streiters deckten. Um ihr Auftreten begreiflich zu finden, muſs man in Erwägung ziehen, daſs die Kapuze, Halsbrünne, camail, im 13. Jahrhundert noch dicht an den Hals schloſs, und jeder Schwerthieb auf die Halsarterien unge- achtet des Panzerzeuges den augenblicklichen Tod herbeiführen konnte. Erst als die Kapuze des Hauberts derart gestaltet wurde, daſs die unteren Teile gerade herabfielen, schwächte sich jeder Hieb an dem nachgiebigen Panzerzeug. Die Achselschilde, deren Verwen- dung um 1348 endet, waren gleich der Tartsche mit dem Wappen der Eigner bemalt; sie bildeten im französischen Adel gleich jenen ein Abzeichen des ritterlichen Standes. Ihre Befestigung am Haubert war nach den vorhandenen gleichzeitigen Abbildungen sehr einfach. An den Innenseiten befanden sich Leder- schleifen, durch welche ein Riemen lief, welcher um den Hals geschnallt wurde. Auf dem Marsche wurde der Halsriemen gelockert, so daſs die Achselschilde an beiden Seiten der Brust nach vorn oder rückwärts herabhingen. (Fig. 188.) Ein Bei- spiel finden wir in dem Siegel Louis’ I. von Bourbon von c. 1300.
Gegen das Ende des 14. und im 15. Jahrhundert erleidet die Form der Tartschen Veränderungen, die nicht mehr eine waffentechnische, sondern lediglich stilistische Bedeu- tung haben. Sie wird nun unterhalb
[Abbildung]
Fig. 188.
Reiter mit übereck gestelltem Achselschilde aus einer Mi- niatur in einer Sammlung von Romanen in der königl. Bibliothek zu London. Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.
halbrund gebildet, zuweilen, wie in England und Nordfrankreich, vier- eckig, nahezu quadratförmig.
Im 16. Jahrhundert ist der Plattenharnisch zur Vollendung ge- diehen, und der Reiterschild, durch fünf Jahrhunderte eine der wich- tigsten Schutzwaffen, hatte nicht mehr ein Recht auf das Dasein.
Mit der Erstarkung des feudalen Wesens kam das Fuſsvolk immer mehr in Miſsachtung, so wurde eben auf die Bewaffnung der Fuſsknechte wenig oder gar kein Wert gelegt und man findet auch in der That dort, wo uns eine Kunde über eine Verwendung von Fuſsvolk wird, die mannigfachsten und sonderbarsten Schildformen, während ersichtlich auf die Ausbildung der Formen der Reiterschilde ein sorgsames Augenmerk gelenkt ist.
Boeheim, Waffenkunde. 12
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0195"n="177"/><fwplace="top"type="header">9. Der Schild.</fw><lb/>
gundischer Heere den <hirendition="#g">Achselschilden</hi>, ailettes, meist quadratförmigen<lb/>
Platten, welche, schief aufgestellt, vom Helme bis ans Schulterende<lb/>
reichend, den Hals und die Schulter des Streiters deckten. Um ihr<lb/>
Auftreten begreiflich zu finden, muſs man in Erwägung ziehen, daſs<lb/>
die Kapuze, Halsbrünne, camail, im 13. Jahrhundert noch dicht an<lb/>
den Hals schloſs, und jeder Schwerthieb auf die Halsarterien unge-<lb/>
achtet des Panzerzeuges den augenblicklichen Tod herbeiführen<lb/>
konnte. Erst als die Kapuze des Hauberts derart gestaltet wurde,<lb/>
daſs die unteren Teile gerade herabfielen, schwächte sich jeder Hieb<lb/>
an dem nachgiebigen Panzerzeug. Die Achselschilde, deren Verwen-<lb/>
dung um 1348 endet, waren gleich der Tartsche mit dem Wappen<lb/>
der Eigner bemalt; sie bildeten im<lb/>
französischen Adel gleich jenen ein<lb/>
Abzeichen des ritterlichen Standes.<lb/>
Ihre Befestigung am Haubert war<lb/>
nach den vorhandenen gleichzeitigen<lb/>
Abbildungen sehr einfach. An den<lb/>
Innenseiten befanden sich Leder-<lb/>
schleifen, durch welche ein Riemen<lb/>
lief, welcher um den Hals geschnallt<lb/>
wurde. Auf dem Marsche wurde der<lb/>
Halsriemen gelockert, so daſs die<lb/>
Achselschilde an beiden Seiten der<lb/>
Brust nach vorn oder rückwärts<lb/>
herabhingen. (Fig. 188.) Ein Bei-<lb/>
spiel finden wir in dem Siegel Louis’ I.<lb/>
von Bourbon von c. 1300.</p><lb/><p>Gegen das Ende des 14. und<lb/>
im 15. Jahrhundert erleidet die Form<lb/>
der Tartschen Veränderungen, die<lb/>
nicht mehr eine waffentechnische,<lb/>
sondern lediglich stilistische Bedeu-<lb/>
tung haben. Sie wird nun unterhalb<lb/><figure><head><hirendition="#g">Fig</hi>. 188.</head><p><hirendition="#g">Reiter</hi> mit übereck<lb/>
gestelltem Achselschilde aus einer Mi-<lb/>
niatur in einer Sammlung von Romanen<lb/>
in der königl. Bibliothek zu London.<lb/>
Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des<lb/>
14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.</p></figure><lb/>
halbrund gebildet, zuweilen, wie in England und Nordfrankreich, vier-<lb/>
eckig, nahezu quadratförmig.</p><lb/><p>Im 16. Jahrhundert ist der Plattenharnisch zur Vollendung ge-<lb/>
diehen, und der Reiterschild, durch fünf Jahrhunderte eine der wich-<lb/>
tigsten Schutzwaffen, hatte nicht mehr ein Recht auf das Dasein.</p><lb/><p>Mit der Erstarkung des feudalen Wesens kam das Fuſsvolk<lb/>
immer mehr in Miſsachtung, so wurde eben auf die Bewaffnung der<lb/>
Fuſsknechte wenig oder gar kein Wert gelegt und man findet auch<lb/>
in der That dort, wo uns eine Kunde über eine Verwendung von<lb/>
Fuſsvolk wird, die mannigfachsten und sonderbarsten Schildformen,<lb/>
während ersichtlich auf die Ausbildung der Formen der Reiterschilde<lb/>
ein sorgsames Augenmerk gelenkt ist.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Boeheim</hi>, Waffenkunde. 12</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[177/0195]
9. Der Schild.
gundischer Heere den Achselschilden, ailettes, meist quadratförmigen
Platten, welche, schief aufgestellt, vom Helme bis ans Schulterende
reichend, den Hals und die Schulter des Streiters deckten. Um ihr
Auftreten begreiflich zu finden, muſs man in Erwägung ziehen, daſs
die Kapuze, Halsbrünne, camail, im 13. Jahrhundert noch dicht an
den Hals schloſs, und jeder Schwerthieb auf die Halsarterien unge-
achtet des Panzerzeuges den augenblicklichen Tod herbeiführen
konnte. Erst als die Kapuze des Hauberts derart gestaltet wurde,
daſs die unteren Teile gerade herabfielen, schwächte sich jeder Hieb
an dem nachgiebigen Panzerzeug. Die Achselschilde, deren Verwen-
dung um 1348 endet, waren gleich der Tartsche mit dem Wappen
der Eigner bemalt; sie bildeten im
französischen Adel gleich jenen ein
Abzeichen des ritterlichen Standes.
Ihre Befestigung am Haubert war
nach den vorhandenen gleichzeitigen
Abbildungen sehr einfach. An den
Innenseiten befanden sich Leder-
schleifen, durch welche ein Riemen
lief, welcher um den Hals geschnallt
wurde. Auf dem Marsche wurde der
Halsriemen gelockert, so daſs die
Achselschilde an beiden Seiten der
Brust nach vorn oder rückwärts
herabhingen. (Fig. 188.) Ein Bei-
spiel finden wir in dem Siegel Louis’ I.
von Bourbon von c. 1300.
Gegen das Ende des 14. und
im 15. Jahrhundert erleidet die Form
der Tartschen Veränderungen, die
nicht mehr eine waffentechnische,
sondern lediglich stilistische Bedeu-
tung haben. Sie wird nun unterhalb
[Abbildung Fig. 188. Reiter mit übereck
gestelltem Achselschilde aus einer Mi-
niatur in einer Sammlung von Romanen
in der königl. Bibliothek zu London.
Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des
14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.]
halbrund gebildet, zuweilen, wie in England und Nordfrankreich, vier-
eckig, nahezu quadratförmig.
Im 16. Jahrhundert ist der Plattenharnisch zur Vollendung ge-
diehen, und der Reiterschild, durch fünf Jahrhunderte eine der wich-
tigsten Schutzwaffen, hatte nicht mehr ein Recht auf das Dasein.
Mit der Erstarkung des feudalen Wesens kam das Fuſsvolk
immer mehr in Miſsachtung, so wurde eben auf die Bewaffnung der
Fuſsknechte wenig oder gar kein Wert gelegt und man findet auch
in der That dort, wo uns eine Kunde über eine Verwendung von
Fuſsvolk wird, die mannigfachsten und sonderbarsten Schildformen,
während ersichtlich auf die Ausbildung der Formen der Reiterschilde
ein sorgsames Augenmerk gelenkt ist.
Boeheim, Waffenkunde. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/195>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.