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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

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Von Langnau Schreiben

H. Auf der 434. Seite des VI.ten Artickels
gerathet ihr auf den Milton: Jhr saget;

"Der-
"selbe habe noch nach seinem Tode grosse Unra-
"he, Zwistigkeit und öffentliche Feindschaft un-
"ter unsern deutschen Kunstrichtern gestiftet."

Milton ist bald 70. Jahre todt; Acht Jahre
nach seinem Tode gab der von Berge der deut-
schen Welt eine Reim-freye Uebersetzung von die-
ses Engelländers Gedichte: allein da dieser Ue-
bersetzer eine den deutschen Ohren gantz unge-
wohnte Versart folgte, und die Uebersetzung
neben dem sehr hart, gezwungen, und unverständ-
lich war, so ward dadurch das Miltonische Ge-
dicht bey den Deutschen nicht bekannt, und die-
se Uebersetzung hat nur ein dunckles Andencken
von einem verwegenen Vorsatz bis auf unsere
Zeiten fortbringen können. Von dem Jahre
1682. bis auf das Jahr 1732. hiemit 50. gan-
zer Jahre blieb Milton bey der deutschen Welt
gantz unbekannt, wenigstens hat kein deutscher
Kunstrichter desselben irgendswo gedacht; Bis
endlich Hr. Gottsched in gedachtem 1732.sten
Jahre in seinen Beyträgen eine Nachricht von
des von Berge Uebersetzung gegeben, wo er den
schlechten Beyfall, den diese Uebersetzung gefun-
den, selbst der dadurch allzusehr veränderten
Gestalt Miltons zuschreibet, im übrigen von
dem Gedichte selbs urtheilet,

"daß es die Eh-
"re verdiene, so wol als das befreyte Jerusa-
"lem des Tasso, einer Jlias und Aeneis an die
"Seite gesetzt zu werden."

Daß er aber die-
ses Urtheil hernach völlig zurück genommen, ist

sich
Von Langnau Schreiben

H. Auf der 434. Seite des VI.ten Artickels
gerathet ihr auf den Milton: Jhr ſaget;

„Der-
„ſelbe habe noch nach ſeinem Tode groſſe Unra-
„he, Zwiſtigkeit und oͤffentliche Feindſchaft un-
„ter unſern deutſchen Kunſtrichtern geſtiftet.„

Milton iſt bald 70. Jahre todt; Acht Jahre
nach ſeinem Tode gab der von Berge der deut-
ſchen Welt eine Reim-freye Ueberſetzung von die-
ſes Engellaͤnders Gedichte: allein da dieſer Ue-
berſetzer eine den deutſchen Ohren gantz unge-
wohnte Versart folgte, und die Ueberſetzung
neben dem ſehr hart, gezwungen, und unverſtaͤnd-
lich war, ſo ward dadurch das Miltoniſche Ge-
dicht bey den Deutſchen nicht bekannt, und die-
ſe Ueberſetzung hat nur ein dunckles Andencken
von einem verwegenen Vorſatz bis auf unſere
Zeiten fortbringen koͤnnen. Von dem Jahre
1682. bis auf das Jahr 1732. hiemit 50. gan-
zer Jahre blieb Milton bey der deutſchen Welt
gantz unbekannt, wenigſtens hat kein deutſcher
Kunſtrichter deſſelben irgendswo gedacht; Bis
endlich Hr. Gottſched in gedachtem 1732.ſten
Jahre in ſeinen Beytraͤgen eine Nachricht von
des von Berge Ueberſetzung gegeben, wo er den
ſchlechten Beyfall, den dieſe Ueberſetzung gefun-
den, ſelbſt der dadurch allzuſehr veraͤnderten
Geſtalt Miltons zuſchreibet, im uͤbrigen von
dem Gedichte ſelbs urtheilet,

„daß es die Eh-
„re verdiene, ſo wol als das befreyte Jeruſa-
„lem des Taſſo, einer Jlias und Aeneis an die
„Seite geſetzt zu werden.„

Daß er aber die-
ſes Urtheil hernach voͤllig zuruͤck genommen, iſt

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[54/0056] Von Langnau Schreiben H. Auf der 434. Seite des VI.ten Artickels gerathet ihr auf den Milton: Jhr ſaget; „Der- „ſelbe habe noch nach ſeinem Tode groſſe Unra- „he, Zwiſtigkeit und oͤffentliche Feindſchaft un- „ter unſern deutſchen Kunſtrichtern geſtiftet.„ Milton iſt bald 70. Jahre todt; Acht Jahre nach ſeinem Tode gab der von Berge der deut- ſchen Welt eine Reim-freye Ueberſetzung von die- ſes Engellaͤnders Gedichte: allein da dieſer Ue- berſetzer eine den deutſchen Ohren gantz unge- wohnte Versart folgte, und die Ueberſetzung neben dem ſehr hart, gezwungen, und unverſtaͤnd- lich war, ſo ward dadurch das Miltoniſche Ge- dicht bey den Deutſchen nicht bekannt, und die- ſe Ueberſetzung hat nur ein dunckles Andencken von einem verwegenen Vorſatz bis auf unſere Zeiten fortbringen koͤnnen. Von dem Jahre 1682. bis auf das Jahr 1732. hiemit 50. gan- zer Jahre blieb Milton bey der deutſchen Welt gantz unbekannt, wenigſtens hat kein deutſcher Kunſtrichter deſſelben irgendswo gedacht; Bis endlich Hr. Gottſched in gedachtem 1732.ſten Jahre in ſeinen Beytraͤgen eine Nachricht von des von Berge Ueberſetzung gegeben, wo er den ſchlechten Beyfall, den dieſe Ueberſetzung gefun- den, ſelbſt der dadurch allzuſehr veraͤnderten Geſtalt Miltons zuſchreibet, im uͤbrigen von dem Gedichte ſelbs urtheilet, „daß es die Eh- „re verdiene, ſo wol als das befreyte Jeruſa- „lem des Taſſo, einer Jlias und Aeneis an die „Seite geſetzt zu werden.„ Daß er aber die- ſes Urtheil hernach voͤllig zuruͤck genommen, iſt ſich

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/56>, abgerufen am 26.06.2024.