Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
Drauf Joel ist vergnügt, mein Vater hochbetrübt,
Und ich erfahr es auch, daß man mich Joel giebt.
Wann ich dir melden wollt, wie ich mich that gebährden,
Würd ich vermehren nur ohndeme die Beschwerden,
Die meine Red dir giebt. Jch stellte mich so an,
Daß man in kurtzer Zeit mich kaum mehr kennen kan.
Jch bin des Joels Braut, der sich nichts an mich kehret,
Acht Gegenliebe nicht, die Meinigen nicht ehret,
Und hält mich schon so schlecht, eh ich ihm noch getraut,
Daß, was noch wird geschehn, man klärlich spürt u. schaut.900
Jndem kommt ein Geschrey, daß Adriel entwichen,
Weil er mit Ada hätt in Unzucht sich verschlichen,
Und giebt sie Gera an, der uns ist nah verwandt.
Abenar als ihm dieß von Ada ward bekannt,
Ließ seinen Eifergeist auf einmahl mächtig toben.
Von uns konnt diese Schand kein Mensche billig loben.
Jch war also verführt, daß Adriel es war,
Der diese That gethan, daß ich schier noch erstarr,
Wann ich daran gedenck. Es ward mit solchen Gründen
Herfür gebracht, daß man nicht wohlkonnt Ada finden910.
Jn Unschuld wie sie sagt, ihr schweeren nichtes galt,
Der Gera schwure auch; und wie sie sich anstallt,
Sah man wol, daß sie war erschrocken und verborgen,
Und ware ihr Geschlecht daher in grossen Sorgen.
Abenar wollt den Schimpf den Ada ihm gethan,
Nicht leiden, sein Geschlecht stund da für einen Mann.
Rimon ihr Vater kam und ihre beyde Brüder,
Baena und Rechob, und ihres Stammes Glieder,
Die wollen, Gera sollt beweisen was er sagt,
Und wurde diese Sach dem Richter angebracht.920.
Die Berothiter all gen Bersaba erschienen,
Abenars Freund seynd auch bereit ihm wohl zu dienen,
Darunter unser Hauß auch mit begriffen war;
Es kame Kis auch selbst nebst meinen Brüdern dar.
Die Ada als sie sah den Beystand ihrer Freunde,
Erhobe sich ihr Muth und pocht sie ihre Feinde,
Sie foderte die Rach, weil Gera ihr Geschlecht
Also geschändt, so soll ihr Joel sprechen Recht.
Der
Verſuch eines Gedichtes
Drauf Joel iſt vergnuͤgt, mein Vater hochbetruͤbt,
Und ich erfahr es auch, daß man mich Joel giebt.
Wann ich dir melden wollt, wie ich mich that gebaͤhrden,
Wuͤrd ich vermehren nur ohndeme die Beſchwerden,
Die meine Red dir giebt. Jch ſtellte mich ſo an,
Daß man in kurtzer Zeit mich kaum mehr kennen kan.
Jch bin des Joels Braut, der ſich nichts an mich kehret,
Acht Gegenliebe nicht, die Meinigen nicht ehret,
Und haͤlt mich ſchon ſo ſchlecht, eh ich ihm noch getraut,
Daß, was noch wird geſchehn, man klaͤrlich ſpuͤrt u. ſchaut.900
Jndem kommt ein Geſchrey, daß Adriel entwichen,
Weil er mit Ada haͤtt in Unzucht ſich verſchlichen,
Und giebt ſie Gera an, der uns iſt nah verwandt.
Abenar als ihm dieß von Ada ward bekannt,
Ließ ſeinen Eifergeiſt auf einmahl maͤchtig toben.
Von uns konnt dieſe Schand kein Menſche billig loben.
Jch war alſo verfuͤhrt, daß Adriel es war,
Der dieſe That gethan, daß ich ſchier noch erſtarr,
Wann ich daran gedenck. Es ward mit ſolchen Gruͤnden
Herfuͤr gebracht, daß man nicht wohlkonnt Ada finden910.
Jn Unſchuld wie ſie ſagt, ihr ſchweeren nichtes galt,
Der Gera ſchwure auch; und wie ſie ſich anſtallt,
Sah man wol, daß ſie war erſchrocken und verborgen,
Und ware ihr Geſchlecht daher in groſſen Sorgen.
Abenar wollt den Schimpf den Ada ihm gethan,
Nicht leiden, ſein Geſchlecht ſtund da fuͤr einen Mann.
Rimon ihr Vater kam und ihre beyde Bruͤder,
Baena und Rechob, und ihres Stammes Glieder,
Die wollen, Gera ſollt beweiſen was er ſagt,
Und wurde dieſe Sach dem Richter angebracht.920.
Die Berothiter all gen Berſaba erſchienen,
Abenars Freund ſeynd auch bereit ihm wohl zu dienen,
Darunter unſer Hauß auch mit begriffen war;
Es kame Kis auch ſelbſt nebſt meinen Bruͤdern dar.
Die Ada als ſie ſah den Beyſtand ihrer Freunde,
Erhobe ſich ihr Muth und pocht ſie ihre Feinde,
Sie foderte die Rach, weil Gera ihr Geſchlecht
Alſo geſchaͤndt, ſo ſoll ihr Joel ſprechen Recht.
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0048" n="48"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
          <l>Drauf Joel i&#x017F;t vergnu&#x0364;gt, mein Vater hochbetru&#x0364;bt,</l><lb/>
          <l>Und ich erfahr es auch, daß man mich Joel giebt.</l><lb/>
          <l>Wann ich dir melden wollt, wie ich mich that geba&#x0364;hrden,</l><lb/>
          <l>Wu&#x0364;rd ich vermehren nur ohndeme die Be&#x017F;chwerden,</l><lb/>
          <l>Die meine Red dir giebt. Jch &#x017F;tellte mich &#x017F;o an,</l><lb/>
          <l>Daß man in kurtzer Zeit mich kaum mehr kennen kan.</l><lb/>
          <l>Jch bin des Joels Braut, der &#x017F;ich nichts an mich kehret,</l><lb/>
          <l>Acht Gegenliebe nicht, die Meinigen nicht ehret,</l><lb/>
          <l>Und ha&#x0364;lt mich &#x017F;chon &#x017F;o &#x017F;chlecht, eh ich ihm noch getraut,</l><lb/>
          <l>Daß, was noch wird ge&#x017F;chehn, man kla&#x0364;rlich &#x017F;pu&#x0364;rt u. &#x017F;chaut.<note place="right">900</note></l><lb/>
          <l>Jndem kommt ein Ge&#x017F;chrey, daß Adriel entwichen,</l><lb/>
          <l>Weil er mit Ada ha&#x0364;tt in Unzucht &#x017F;ich ver&#x017F;chlichen,</l><lb/>
          <l>Und giebt &#x017F;ie Gera an, der uns i&#x017F;t nah verwandt.</l><lb/>
          <l>Abenar als ihm dieß von Ada ward bekannt,</l><lb/>
          <l>Ließ &#x017F;einen Eifergei&#x017F;t auf einmahl ma&#x0364;chtig toben.</l><lb/>
          <l>Von uns konnt die&#x017F;e Schand kein Men&#x017F;che billig loben.</l><lb/>
          <l>Jch war al&#x017F;o verfu&#x0364;hrt, daß Adriel es war,</l><lb/>
          <l>Der die&#x017F;e That gethan, daß ich &#x017F;chier noch er&#x017F;tarr,</l><lb/>
          <l>Wann ich daran gedenck. Es ward mit &#x017F;olchen Gru&#x0364;nden</l><lb/>
          <l>Herfu&#x0364;r gebracht, daß man nicht wohlkonnt Ada finden<note place="right">910.</note></l><lb/>
          <l>Jn Un&#x017F;chuld wie &#x017F;ie &#x017F;agt, ihr &#x017F;chweeren nichtes galt,</l><lb/>
          <l>Der Gera &#x017F;chwure auch; und wie &#x017F;ie &#x017F;ich an&#x017F;tallt,</l><lb/>
          <l>Sah man wol, daß &#x017F;ie war er&#x017F;chrocken und verborgen,</l><lb/>
          <l>Und ware ihr Ge&#x017F;chlecht daher in gro&#x017F;&#x017F;en Sorgen.</l><lb/>
          <l>Abenar wollt den Schimpf den Ada ihm gethan,</l><lb/>
          <l>Nicht leiden, &#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht &#x017F;tund da fu&#x0364;r einen Mann.</l><lb/>
          <l>Rimon ihr Vater kam und ihre beyde Bru&#x0364;der,</l><lb/>
          <l>Baena und Rechob, und ihres Stammes Glieder,</l><lb/>
          <l>Die wollen, Gera &#x017F;ollt bewei&#x017F;en was er &#x017F;agt,</l><lb/>
          <l>Und wurde die&#x017F;e Sach dem Richter angebracht.<note place="right">920.</note></l><lb/>
          <l>Die Berothiter all gen Ber&#x017F;aba er&#x017F;chienen,</l><lb/>
          <l>Abenars Freund &#x017F;eynd auch bereit ihm wohl zu dienen,</l><lb/>
          <l>Darunter un&#x017F;er Hauß auch mit begriffen war;</l><lb/>
          <l>Es kame Kis auch &#x017F;elb&#x017F;t neb&#x017F;t meinen Bru&#x0364;dern dar.</l><lb/>
          <l>Die Ada als &#x017F;ie &#x017F;ah den Bey&#x017F;tand ihrer Freunde,</l><lb/>
          <l>Erhobe &#x017F;ich ihr Muth und pocht &#x017F;ie ihre Feinde,</l><lb/>
          <l>Sie foderte die Rach, weil Gera ihr Ge&#x017F;chlecht</l><lb/>
          <l>Al&#x017F;o ge&#x017F;cha&#x0364;ndt, &#x017F;o &#x017F;oll ihr Joel &#x017F;prechen Recht.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0048] Verſuch eines Gedichtes Drauf Joel iſt vergnuͤgt, mein Vater hochbetruͤbt, Und ich erfahr es auch, daß man mich Joel giebt. Wann ich dir melden wollt, wie ich mich that gebaͤhrden, Wuͤrd ich vermehren nur ohndeme die Beſchwerden, Die meine Red dir giebt. Jch ſtellte mich ſo an, Daß man in kurtzer Zeit mich kaum mehr kennen kan. Jch bin des Joels Braut, der ſich nichts an mich kehret, Acht Gegenliebe nicht, die Meinigen nicht ehret, Und haͤlt mich ſchon ſo ſchlecht, eh ich ihm noch getraut, Daß, was noch wird geſchehn, man klaͤrlich ſpuͤrt u. ſchaut. Jndem kommt ein Geſchrey, daß Adriel entwichen, Weil er mit Ada haͤtt in Unzucht ſich verſchlichen, Und giebt ſie Gera an, der uns iſt nah verwandt. Abenar als ihm dieß von Ada ward bekannt, Ließ ſeinen Eifergeiſt auf einmahl maͤchtig toben. Von uns konnt dieſe Schand kein Menſche billig loben. Jch war alſo verfuͤhrt, daß Adriel es war, Der dieſe That gethan, daß ich ſchier noch erſtarr, Wann ich daran gedenck. Es ward mit ſolchen Gruͤnden Herfuͤr gebracht, daß man nicht wohlkonnt Ada finden Jn Unſchuld wie ſie ſagt, ihr ſchweeren nichtes galt, Der Gera ſchwure auch; und wie ſie ſich anſtallt, Sah man wol, daß ſie war erſchrocken und verborgen, Und ware ihr Geſchlecht daher in groſſen Sorgen. Abenar wollt den Schimpf den Ada ihm gethan, Nicht leiden, ſein Geſchlecht ſtund da fuͤr einen Mann. Rimon ihr Vater kam und ihre beyde Bruͤder, Baena und Rechob, und ihres Stammes Glieder, Die wollen, Gera ſollt beweiſen was er ſagt, Und wurde dieſe Sach dem Richter angebracht. Die Berothiter all gen Berſaba erſchienen, Abenars Freund ſeynd auch bereit ihm wohl zu dienen, Darunter unſer Hauß auch mit begriffen war; Es kame Kis auch ſelbſt nebſt meinen Bruͤdern dar. Die Ada als ſie ſah den Beyſtand ihrer Freunde, Erhobe ſich ihr Muth und pocht ſie ihre Feinde, Sie foderte die Rach, weil Gera ihr Geſchlecht Alſo geſchaͤndt, ſo ſoll ihr Joel ſprechen Recht. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/48
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/48>, abgerufen am 25.11.2024.