[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.bey Ankunft Martin Opitzens. Bey jedermänniglich verschmähet und verhaßt,Und, wo er kommet hin, ein unwillkommer Gast. Seins Stammens Achtbarkeit man draussen wenig achtet, Vor Unmuth all Anmuth der Schönheit ihm verschmachtet, Niemand sich sein annimmt, und meynet jedermann, Gott nehme sich auch selbst keines vertriebnen an. Mit einem Wort, das recht Feg-Opfer dieser Erden, Der Auswürffling der Welt er mag genennet werden, Ein Stiefkind aller Freud, sein Leben voller Hohn; Ein recht Tragödia gespielt durch ein Person. Es scheuet keiner sich ihm Leide zuzufügen, Jhm zu verweisen sein Unfall, ihn zu betriegen, Wer ligt der ligt, vor ihm laufft männiglich vorbey, Denckt nicht, wie nah viell icht sein eigen Unglück sey. O w[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]h und aber weh, wann noch die Füll des Kummers Den harten Stand beschleußt, der Hunger alles Hungers, Wo man des Trosts beraubt, des wahren Seelen-Brot; Ein solches Volck das ist gleich als lebendig tod. Drum gehet dapfer an, ihr meine Kriegsgenossen, Schlagt ritterlich darein; eur Leben unverdrossen Vors Vaterland aufsetzt, von dem ihr solches auch Zuvor empfangen habt, das ist der Tugend Brauch. Eur Hertz und Augen last mit Eiferflammen brennen, Keiner vom andern sich menschlich Gewalt laß trennen, Keiner den anderen durch Kleinmuth ja erschreck, Noch durch sein Flucht im Heer ein Unordnung erweck. Kan er nicht fechten mehr, er doch mit seiner Stimme, Kan er nicht ruffen mehr, mit seiner Augen Grimme Den Feinden Abbruch thu, in seinem Heldenmuth Nur wünschend, daß er theur verkauffen mög sein Blut. Ein jeder sey bedacht, wie er das Lob erwerbe, Daß er in männlicher Postur und Stellung sterbe, An seinem Ort besteh fest mit den Füssen sein, Und beiß die Zähn zusamm und beyde Lefftzen ein: Daß seine Wunden sich lobwirdig all befinden Davornen auf der Brust, und keine nicht dahinden, Daß ihn der Tode selbst auch in dem Tode zier, Und man in seim Gesicht sein Ernst noch lebend spür. So muß wer Tyranney geübriget will leben, Er seines Lebens sich freywillig vor begeben, Wer C 4
bey Ankunft Martin Opitzens. Bey jedermaͤnniglich verſchmaͤhet und verhaßt,Und, wo er kommet hin, ein unwillkommer Gaſt. Seins Stammens Achtbarkeit man drauſſen wenig achtet, Vor Unmuth all Anmuth der Schoͤnheit ihm verſchmachtet, Niemand ſich ſein annimmt, und meynet jedermann, Gott nehme ſich auch ſelbſt keines vertriebnen an. Mit einem Wort, das recht Feg-Opfer dieſer Erden, Der Auswuͤrffling der Welt er mag genennet werden, Ein Stiefkind aller Freud, ſein Leben voller Hohn; Ein recht Tragoͤdia geſpielt durch ein Perſon. Es ſcheuet keiner ſich ihm Leide zuzufuͤgen, Jhm zu verweiſen ſein Unfall, ihn zu betriegen, Wer ligt der ligt, vor ihm laufft maͤnniglich vorbey, Denckt nicht, wie nah viell icht ſein eigen Ungluͤck ſey. O w[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]h und aber weh, wann noch die Fuͤll des Kummers Den harten Stand beſchleußt, der Hunger alles Hungers, Wo man des Troſts beraubt, des wahren Seelen-Brot; Ein ſolches Volck das iſt gleich als lebendig tod. Drum gehet dapfer an, ihr meine Kriegsgenoſſen, Schlagt ritterlich darein; eur Leben unverdroſſen Vors Vaterland aufſetzt, von dem ihr ſolches auch Zuvor empfangen habt, das iſt der Tugend Brauch. Eur Hertz und Augen laſt mit Eiferflammen brennen, Keiner vom andern ſich menſchlich Gewalt laß trennen, Keiner den anderen durch Kleinmuth ja erſchreck, Noch durch ſein Flucht im Heer ein Unordnung erweck. Kan er nicht fechten mehr, er doch mit ſeiner Stimme, Kan er nicht ruffen mehr, mit ſeiner Augen Grimme Den Feinden Abbruch thu, in ſeinem Heldenmuth Nur wuͤnſchend, daß er theur verkauffen moͤg ſein Blut. Ein jeder ſey bedacht, wie er das Lob erwerbe, Daß er in maͤnnlicher Poſtur und Stellung ſterbe, An ſeinem Ort beſteh feſt mit den Fuͤſſen ſein, Und beiß die Zaͤhn zuſamm und beyde Lefftzen ein: Daß ſeine Wunden ſich lobwirdig all befinden Davornen auf der Bruſt, und keine nicht dahinden, Daß ihn der Tode ſelbſt auch in dem Tode zier, Und man in ſeim Geſicht ſein Ernſt noch lebend ſpuͤr. So muß wer Tyranney geuͤbriget will leben, Er ſeines Lebens ſich freywillig vor begeben, Wer C 4
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bey Ankunft Martin Opitzens.
Bey jedermaͤnniglich verſchmaͤhet und verhaßt,
Und, wo er kommet hin, ein unwillkommer Gaſt.
Seins Stammens Achtbarkeit man drauſſen wenig achtet,
Vor Unmuth all Anmuth der Schoͤnheit ihm verſchmachtet,
Niemand ſich ſein annimmt, und meynet jedermann,
Gott nehme ſich auch ſelbſt keines vertriebnen an.
Mit einem Wort, das recht Feg-Opfer dieſer Erden,
Der Auswuͤrffling der Welt er mag genennet werden,
Ein Stiefkind aller Freud, ſein Leben voller Hohn;
Ein recht Tragoͤdia geſpielt durch ein Perſon.
Es ſcheuet keiner ſich ihm Leide zuzufuͤgen,
Jhm zu verweiſen ſein Unfall, ihn zu betriegen,
Wer ligt der ligt, vor ihm laufft maͤnniglich vorbey,
Denckt nicht, wie nah viell icht ſein eigen Ungluͤck ſey.
O w_h und aber weh, wann noch die Fuͤll des Kummers
Den harten Stand beſchleußt, der Hunger alles Hungers,
Wo man des Troſts beraubt, des wahren Seelen-Brot;
Ein ſolches Volck das iſt gleich als lebendig tod.
Drum gehet dapfer an, ihr meine Kriegsgenoſſen,
Schlagt ritterlich darein; eur Leben unverdroſſen
Vors Vaterland aufſetzt, von dem ihr ſolches auch
Zuvor empfangen habt, das iſt der Tugend Brauch.
Eur Hertz und Augen laſt mit Eiferflammen brennen,
Keiner vom andern ſich menſchlich Gewalt laß trennen,
Keiner den anderen durch Kleinmuth ja erſchreck,
Noch durch ſein Flucht im Heer ein Unordnung erweck.
Kan er nicht fechten mehr, er doch mit ſeiner Stimme,
Kan er nicht ruffen mehr, mit ſeiner Augen Grimme
Den Feinden Abbruch thu, in ſeinem Heldenmuth
Nur wuͤnſchend, daß er theur verkauffen moͤg ſein Blut.
Ein jeder ſey bedacht, wie er das Lob erwerbe,
Daß er in maͤnnlicher Poſtur und Stellung ſterbe,
An ſeinem Ort beſteh feſt mit den Fuͤſſen ſein,
Und beiß die Zaͤhn zuſamm und beyde Lefftzen ein:
Daß ſeine Wunden ſich lobwirdig all befinden
Davornen auf der Bruſt, und keine nicht dahinden,
Daß ihn der Tode ſelbſt auch in dem Tode zier,
Und man in ſeim Geſicht ſein Ernſt noch lebend ſpuͤr.
So muß wer Tyranney geuͤbriget will leben,
Er ſeines Lebens ſich freywillig vor begeben,
Wer
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