Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
bey Ankunft Martin Opitzens.
Sucht seiner Feind Freundschafft mit seinem Schaden nicht,
Sein hohe Seel steht nur auf Gottes Gnad gericht.
Es geh ihm, wie es woll, er ist gerüst zu leiden
Das gut und böse Glück; und weil er nicht kan meiden,
Das er doch endlich muß, das er nur einmahl kan,
Sucht er recht würdiglich sein Tod zu legen an;
Frischt an die Seinigen mit Worten und mit Wercken,
Thut ihrer Tugend Schärff mit Feuerblicken stärcken,
Und lehret sie, es sey viel besser einer sterb,
Als daß das gantze Volck und Vaterland verderb;
St[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]rbt ungerochen nicht, weiß daß er wird zur Erden
Tod auf seim todten Feind ligend gefunden werden:
Besorgt nicht daß der Feind starck, er hingegen schwach,
Verläßt sich auf die Stärck seiner gerechten Sach.
Die gute Sach ihn tröst, solt auch der Feind obsiegen,
So werd die Wahrheit doch mit nichten unten liegen,
Sein Unschuld selber sich zu einem Bürgen stellt,
Daß sie doch endlich noch behalten werd das Feld.
Wann er die Winde nun siht mit den Fähnlein spielen,
Da thun erst Zorn und Lust all Adern in ihm fühlen,
Jndem er sicher ist, daß der in seiner Macht
Des Feindes Leben hat, der seines selbst nicht acht.
Acht für die beste Kunst, wann er nicht frey kan leben,
Daß er doch sterbe frey: thut immer vorwarts streben,
Sein ungesäumte Faust macht beyder Seiten Platz,
Biß sie errungen hab den vorgesetzten Schatz,
Gestraffet den Unbill durch zugelaßne Rache,
Dringt durch, auf daß sie sich unüberwindlich mache,
Und durch ein schönen Sieg, oder ein schönen Tod,
Sich hab versicheret vor allem Feindes Spott.
Wie ihr die Sonn, wann sie am allertieffsten stehet
Zum Untergang geneigt, am allergrösten sehet:
So auch erzeiget sich in seinem letzten Streit
Sein unerschrocken Hertz mit doppler Herrlichkeit:
Vergisset seiner selbst in seinem Geist entzücket,
Des Himmels Vorgeschmack des Lebens Lust verdrücket,
Erfüllt mit Ewigkeit, mit lauter Freud entzündt,
Durch seinen Tod die Furth zum rechten Leben findt.
Es folgt das gantze Volck, das auf ihn thäte bauen,
Der Leichen traurig nach, der Leichen von Jungfrauen
(Den er ihr Ehr bewahrt, die er vor Schand behüt)
Mit Kronen aufgeziert, mit Blumen überschütt.
Jhn
C 3
bey Ankunft Martin Opitzens.
Sucht ſeiner Feind Freundſchafft mit ſeinem Schaden nicht,
Sein hohe Seel ſteht nur auf Gottes Gnad gericht.
Es geh ihm, wie es woll, er iſt geruͤſt zu leiden
Das gut und boͤſe Gluͤck; und weil er nicht kan meiden,
Das er doch endlich muß, das er nur einmahl kan,
Sucht er recht wuͤrdiglich ſein Tod zu legen an;
Friſcht an die Seinigen mit Worten und mit Wercken,
Thut ihrer Tugend Schaͤrff mit Feuerblicken ſtaͤrcken,
Und lehret ſie, es ſey viel beſſer einer ſterb,
Als daß das gantze Volck und Vaterland verderb;
St[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]rbt ungerochen nicht, weiß daß er wird zur Erden
Tod auf ſeim todten Feind ligend gefunden werden:
Beſorgt nicht daß der Feind ſtarck, er hingegen ſchwach,
Verlaͤßt ſich auf die Staͤrck ſeiner gerechten Sach.
Die gute Sach ihn troͤſt, ſolt auch der Feind obſiegen,
So werd die Wahrheit doch mit nichten unten liegen,
Sein Unſchuld ſelber ſich zu einem Buͤrgen ſtellt,
Daß ſie doch endlich noch behalten werd das Feld.
Wann er die Winde nun ſiht mit den Faͤhnlein ſpielen,
Da thun erſt Zorn und Luſt all Adern in ihm fuͤhlen,
Jndem er ſicher iſt, daß der in ſeiner Macht
Des Feindes Leben hat, der ſeines ſelbſt nicht acht.
Acht fuͤr die beſte Kunſt, wann er nicht frey kan leben,
Daß er doch ſterbe frey: thut immer vorwarts ſtreben,
Sein ungeſaͤumte Fauſt macht beyder Seiten Platz,
Biß ſie errungen hab den vorgeſetzten Schatz,
Geſtraffet den Unbill durch zugelaßne Rache,
Dringt durch, auf daß ſie ſich unuͤberwindlich mache,
Und durch ein ſchoͤnen Sieg, oder ein ſchoͤnen Tod,
Sich hab verſicheret vor allem Feindes Spott.
Wie ihr die Sonn, wann ſie am allertieffſten ſtehet
Zum Untergang geneigt, am allergroͤſten ſehet:
So auch erzeiget ſich in ſeinem letzten Streit
Sein unerſchrocken Hertz mit doppler Herrlichkeit:
Vergiſſet ſeiner ſelbſt in ſeinem Geiſt entzuͤcket,
Des Himmels Vorgeſchmack des Lebens Luſt verdruͤcket,
Erfuͤllt mit Ewigkeit, mit lauter Freud entzuͤndt,
Durch ſeinen Tod die Furth zum rechten Leben findt.
Es folgt das gantze Volck, das auf ihn thaͤte bauen,
Der Leichen traurig nach, der Leichen von Jungfrauen
(Den er ihr Ehr bewahrt, die er vor Schand behuͤt)
Mit Kronen aufgeziert, mit Blumen uͤberſchuͤtt.
Jhn
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0037" n="37"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">bey Ankunft Martin Opitzens.</hi> </fw><lb/>
          <l>Sucht &#x017F;einer Feind Freund&#x017F;chafft mit &#x017F;einem Schaden nicht,</l><lb/>
          <l>Sein hohe Seel &#x017F;teht nur auf Gottes Gnad gericht.</l><lb/>
          <l>Es geh ihm, wie es woll, er i&#x017F;t geru&#x0364;&#x017F;t zu leiden</l><lb/>
          <l>Das gut und bo&#x0364;&#x017F;e Glu&#x0364;ck; und weil er nicht kan meiden,</l><lb/>
          <l>Das er doch endlich muß, das er nur einmahl kan,</l><lb/>
          <l>Sucht er recht wu&#x0364;rdiglich &#x017F;ein Tod zu legen an;</l><lb/>
          <l>Fri&#x017F;cht an die Seinigen mit Worten und mit Wercken,</l><lb/>
          <l>Thut ihrer Tugend Scha&#x0364;rff mit Feuerblicken &#x017F;ta&#x0364;rcken,</l><lb/>
          <l>Und lehret &#x017F;ie, es &#x017F;ey viel be&#x017F;&#x017F;er einer &#x017F;terb,</l><lb/>
          <l>Als daß das gantze Volck und Vaterland verderb;</l><lb/>
          <l>St<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>rbt ungerochen nicht, weiß daß er wird zur Erden</l><lb/>
          <l>Tod auf &#x017F;eim todten Feind ligend gefunden werden:</l><lb/>
          <l>Be&#x017F;orgt nicht daß der Feind &#x017F;tarck, er hingegen &#x017F;chwach,</l><lb/>
          <l>Verla&#x0364;ßt &#x017F;ich auf die Sta&#x0364;rck &#x017F;einer gerechten Sach.</l><lb/>
          <l>Die gute Sach ihn tro&#x0364;&#x017F;t, &#x017F;olt auch der Feind ob&#x017F;iegen,</l><lb/>
          <l>So werd die Wahrheit doch mit nichten unten liegen,</l><lb/>
          <l>Sein Un&#x017F;chuld &#x017F;elber &#x017F;ich zu einem Bu&#x0364;rgen &#x017F;tellt,</l><lb/>
          <l>Daß &#x017F;ie doch endlich noch behalten werd das Feld.</l><lb/>
          <l>Wann er die Winde nun &#x017F;iht mit den Fa&#x0364;hnlein &#x017F;pielen,</l><lb/>
          <l>Da thun er&#x017F;t Zorn und Lu&#x017F;t all Adern in ihm fu&#x0364;hlen,</l><lb/>
          <l>Jndem er &#x017F;icher i&#x017F;t, daß der in &#x017F;einer Macht</l><lb/>
          <l>Des Feindes Leben hat, der &#x017F;eines &#x017F;elb&#x017F;t nicht acht.</l><lb/>
          <l>Acht fu&#x0364;r die be&#x017F;te Kun&#x017F;t, wann er nicht frey kan leben,</l><lb/>
          <l>Daß er doch &#x017F;terbe frey: thut immer vorwarts &#x017F;treben,</l><lb/>
          <l>Sein unge&#x017F;a&#x0364;umte Fau&#x017F;t macht beyder Seiten Platz,</l><lb/>
          <l>Biß &#x017F;ie errungen hab den vorge&#x017F;etzten Schatz,</l><lb/>
          <l>Ge&#x017F;traffet den Unbill durch zugelaßne Rache,</l><lb/>
          <l>Dringt durch, auf daß &#x017F;ie &#x017F;ich unu&#x0364;berwindlich mache,</l><lb/>
          <l>Und durch ein &#x017F;cho&#x0364;nen Sieg, oder ein &#x017F;cho&#x0364;nen Tod,</l><lb/>
          <l>Sich hab ver&#x017F;icheret vor allem Feindes Spott.</l><lb/>
          <l>Wie ihr die Sonn, wann &#x017F;ie am allertieff&#x017F;ten &#x017F;tehet</l><lb/>
          <l>Zum Untergang geneigt, am allergro&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ehet:</l><lb/>
          <l>So auch erzeiget &#x017F;ich in &#x017F;einem letzten Streit</l><lb/>
          <l>Sein uner&#x017F;chrocken Hertz mit doppler Herrlichkeit:</l><lb/>
          <l>Vergi&#x017F;&#x017F;et &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einem Gei&#x017F;t entzu&#x0364;cket,</l><lb/>
          <l>Des Himmels Vorge&#x017F;chmack des Lebens Lu&#x017F;t verdru&#x0364;cket,</l><lb/>
          <l>Erfu&#x0364;llt mit Ewigkeit, mit lauter Freud entzu&#x0364;ndt,</l><lb/>
          <l>Durch &#x017F;einen Tod die Furth zum rechten Leben findt.</l><lb/>
          <l>Es folgt das gantze Volck, das auf ihn tha&#x0364;te bauen,</l><lb/>
          <l>Der Leichen traurig nach, der Leichen von Jungfrauen</l><lb/>
          <l>(Den er ihr Ehr bewahrt, die er vor Schand behu&#x0364;t)</l><lb/>
          <l>Mit Kronen aufgeziert, mit Blumen u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;tt.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jhn</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0037] bey Ankunft Martin Opitzens. Sucht ſeiner Feind Freundſchafft mit ſeinem Schaden nicht, Sein hohe Seel ſteht nur auf Gottes Gnad gericht. Es geh ihm, wie es woll, er iſt geruͤſt zu leiden Das gut und boͤſe Gluͤck; und weil er nicht kan meiden, Das er doch endlich muß, das er nur einmahl kan, Sucht er recht wuͤrdiglich ſein Tod zu legen an; Friſcht an die Seinigen mit Worten und mit Wercken, Thut ihrer Tugend Schaͤrff mit Feuerblicken ſtaͤrcken, Und lehret ſie, es ſey viel beſſer einer ſterb, Als daß das gantze Volck und Vaterland verderb; St_rbt ungerochen nicht, weiß daß er wird zur Erden Tod auf ſeim todten Feind ligend gefunden werden: Beſorgt nicht daß der Feind ſtarck, er hingegen ſchwach, Verlaͤßt ſich auf die Staͤrck ſeiner gerechten Sach. Die gute Sach ihn troͤſt, ſolt auch der Feind obſiegen, So werd die Wahrheit doch mit nichten unten liegen, Sein Unſchuld ſelber ſich zu einem Buͤrgen ſtellt, Daß ſie doch endlich noch behalten werd das Feld. Wann er die Winde nun ſiht mit den Faͤhnlein ſpielen, Da thun erſt Zorn und Luſt all Adern in ihm fuͤhlen, Jndem er ſicher iſt, daß der in ſeiner Macht Des Feindes Leben hat, der ſeines ſelbſt nicht acht. Acht fuͤr die beſte Kunſt, wann er nicht frey kan leben, Daß er doch ſterbe frey: thut immer vorwarts ſtreben, Sein ungeſaͤumte Fauſt macht beyder Seiten Platz, Biß ſie errungen hab den vorgeſetzten Schatz, Geſtraffet den Unbill durch zugelaßne Rache, Dringt durch, auf daß ſie ſich unuͤberwindlich mache, Und durch ein ſchoͤnen Sieg, oder ein ſchoͤnen Tod, Sich hab verſicheret vor allem Feindes Spott. Wie ihr die Sonn, wann ſie am allertieffſten ſtehet Zum Untergang geneigt, am allergroͤſten ſehet: So auch erzeiget ſich in ſeinem letzten Streit Sein unerſchrocken Hertz mit doppler Herrlichkeit: Vergiſſet ſeiner ſelbſt in ſeinem Geiſt entzuͤcket, Des Himmels Vorgeſchmack des Lebens Luſt verdruͤcket, Erfuͤllt mit Ewigkeit, mit lauter Freud entzuͤndt, Durch ſeinen Tod die Furth zum rechten Leben findt. Es folgt das gantze Volck, das auf ihn thaͤte bauen, Der Leichen traurig nach, der Leichen von Jungfrauen (Den er ihr Ehr bewahrt, die er vor Schand behuͤt) Mit Kronen aufgeziert, mit Blumen uͤberſchuͤtt. Jhn C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/37
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/37>, abgerufen am 24.04.2024.