[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.Uebersetzung aus einer Handsch. XIX. Der Krebs und sein Sohn. EJn Krebs fuhr seinen Sohn mit diesen Worten an: Wie gehst du so verkehrt, Sohn, stehst du in dem Wahn Du gehest hinter sich ganz recht? So bist du Herr, und ich bin Knecht. Du solltest lernen vor sich gehn, Wie auch dein Vater geht; das wird dir besser stehn. Ein Sohn, der wie sein Vater thut, Der wird gelobt, und das ist recht und gut. Der Sohn sprach: Vater, du sagst wohl. Jch weiß es, daß ein Sohn dem Vater folgen soll. Deßwegen geh nur vor; laß sehen, wie du gehest, So geh ich auch, wie du; und wie du stehest, So steh ich auch; und wie du dich Dann stellest, stell ich gleichfalls mich. Da nun der Vater seinen Weg Zum Beyspiel sollte vor sich gehen, War er dazu ganz ungeschickt und träg; Hingegen war er schnell sich rückwerts fortzudrehen. Da sprach der Sohn zum Vater: Mein! Was soll das vor ein Beyspiel seyn? Du hast denselben Gang, wie ich, Und gehst geschwinde hintersich, Jndem du solltest vor sich gehn. Drum laß dein Strafen lieber stehn. XX. Der
Ueberſetzung aus einer Handſch. XIX. Der Krebs und ſein Sohn. EJn Krebs fuhr ſeinen Sohn mit dieſen Worten an: Wie gehſt du ſo verkehrt, Sohn, ſtehſt du in dem Wahn Du geheſt hinter ſich ganz recht? So biſt du Herr, und ich bin Knecht. Du ſollteſt lernen vor ſich gehn, Wie auch dein Vater geht; das wird dir beſſer ſtehn. Ein Sohn, der wie ſein Vater thut, Der wird gelobt, und das iſt recht und gut. Der Sohn ſprach: Vater, du ſagſt wohl. Jch weiß es, daß ein Sohn dem Vater folgen ſoll. Deßwegen geh nur vor; laß ſehen, wie du geheſt, So geh ich auch, wie du; und wie du ſteheſt, So ſteh ich auch; und wie du dich Dann ſtelleſt, ſtell ich gleichfalls mich. Da nun der Vater ſeinen Weg Zum Beyſpiel ſollte vor ſich gehen, War er dazu ganz ungeſchickt und traͤg; Hingegen war er ſchnell ſich ruͤckwerts fortzudrehen. Da ſprach der Sohn zum Vater: Mein! Was ſoll das vor ein Beyſpiel ſeyn? Du haſt denſelben Gang, wie ich, Und gehſt geſchwinde hinterſich, Jndem du ſollteſt vor ſich gehn. Drum laß dein Strafen lieber ſtehn. XX. Der
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Ueberſetzung aus einer Handſch.
XIX.
Der Krebs und ſein Sohn.
EJn Krebs fuhr ſeinen Sohn mit dieſen Worten an:
Wie gehſt du ſo verkehrt, Sohn, ſtehſt du in dem Wahn
Du geheſt hinter ſich ganz recht?
So biſt du Herr, und ich bin Knecht.
Du ſollteſt lernen vor ſich gehn,
Wie auch dein Vater geht; das wird dir beſſer ſtehn.
Ein Sohn, der wie ſein Vater thut,
Der wird gelobt, und das iſt recht und gut.
Der Sohn ſprach: Vater, du ſagſt wohl.
Jch weiß es, daß ein Sohn dem Vater folgen ſoll.
Deßwegen geh nur vor; laß ſehen, wie du geheſt,
So geh ich auch, wie du; und wie du ſteheſt,
So ſteh ich auch; und wie du dich
Dann ſtelleſt, ſtell ich gleichfalls mich.
Da nun der Vater ſeinen Weg
Zum Beyſpiel ſollte vor ſich gehen,
War er dazu ganz ungeſchickt und traͤg;
Hingegen war er ſchnell ſich ruͤckwerts fortzudrehen.
Da ſprach der Sohn zum Vater: Mein!
Was ſoll das vor ein Beyſpiel ſeyn?
Du haſt denſelben Gang, wie ich,
Und gehſt geſchwinde hinterſich,
Jndem du ſollteſt vor ſich gehn.
Drum laß dein Strafen lieber ſtehn.
XX. Der
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