[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.Fabeln. I. Die Schwalbe DJe Schwalbe sah einst Hanf auf einen Acker säen. Gleich fiel ihr in den Sinn, was dieses mögte seyn, Deßwegen warnet sie die Vögel insgemein: Merckt ihrs nicht, das geschieht zu unsrem Schaden; Wir sind mit Feinden gar umringt, und überladen. Es wird mir schwer in meinem Muth. Es ist um uns gethan, stehn wir nicht auf der Hut. Denn wächßt der Hanf einst auf, so werden sie ihn spinnen: Dann wird von uns der zehnte nicht entrinnen. Denn aus dem Garn wird Netz und Strick gemacht, Mit diesen fängt man uns bey Schaaren, Wenn wir nach unsrer Speise fahren. Doch weis ich euch noch einen Rath zu geben; Gehorcht ihr dem, behütet ihr eur Leben. Jhr sollt dem Anfang widerstreben. Versammelt euch mit einem Sinn, Und flieget auf das Hanffeld hin. Allda verbreitet euch und esset alle Saat, Ein jedes Körnlein auf, das ist mein Rath. Dadurch wird dann die Ursach hingenommen, Von welcher wir in Noth und Arbeit mögten kommen. Die Vögel daucht, sie sagte dies im Spott. Sie schimpften auf den Rath, und das Geboth. Der Hanf wuchs auf, nach seiner Art, Worauf er gleich gesponnen ward; Dann wurden Netz und Stricke draus gemacht; Wann ietzt der Vögel Heer nach Speise wollte fahren, Und sicher dacht zu seyn, so fieng man sie bey Schaaren. Die D 4
Fabeln. I. Die Schwalbe DJe Schwalbe ſah einſt Hanf auf einen Acker ſaͤen. Gleich fiel ihr in den Sinn, was dieſes moͤgte ſeyn, Deßwegen warnet ſie die Voͤgel insgemein: Merckt ihrs nicht, das geſchieht zu unſrem Schaden; Wir ſind mit Feinden gar umringt, und uͤberladen. Es wird mir ſchwer in meinem Muth. Es iſt um uns gethan, ſtehn wir nicht auf der Hut. Denn waͤchßt der Hanf einſt auf, ſo werden ſie ihn ſpinnen: Dann wird von uns der zehnte nicht entrinnen. Denn aus dem Garn wird Netz und Strick gemacht, Mit dieſen faͤngt man uns bey Schaaren, Wenn wir nach unſrer Speiſe fahren. Doch weis ich euch noch einen Rath zu geben; Gehorcht ihr dem, behuͤtet ihr eur Leben. Jhr ſollt dem Anfang widerſtreben. Verſammelt euch mit einem Sinn, Und flieget auf das Hanffeld hin. Allda verbreitet euch und eſſet alle Saat, Ein jedes Koͤrnlein auf, das iſt mein Rath. Dadurch wird dann die Urſach hingenommen, Von welcher wir in Noth und Arbeit moͤgten kommen. Die Voͤgel daucht, ſie ſagte dies im Spott. Sie ſchimpften auf den Rath, und das Geboth. Der Hanf wuchs auf, nach ſeiner Art, Worauf er gleich geſponnen ward; Dann wurden Netz und Stricke draus gemacht; Wann ietzt der Voͤgel Heer nach Speiſe wollte fahren, Und ſicher dacht zu ſeyn, ſo fieng man ſie bey Schaaren. Die D 4
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Fabeln.
I.
Die Schwalbe
DJe Schwalbe ſah einſt Hanf auf einen Acker ſaͤen.
Gleich fiel ihr in den Sinn, was dieſes moͤgte ſeyn,
Deßwegen warnet ſie die Voͤgel insgemein:
Merckt ihrs nicht, das geſchieht zu unſrem Schaden;
Wir ſind mit Feinden gar umringt, und uͤberladen.
Es wird mir ſchwer in meinem Muth.
Es iſt um uns gethan, ſtehn wir nicht auf der Hut.
Denn waͤchßt der Hanf einſt auf, ſo werden ſie ihn ſpinnen:
Dann wird von uns der zehnte nicht entrinnen.
Denn aus dem Garn wird Netz und Strick gemacht,
Mit dieſen faͤngt man uns bey Schaaren,
Wenn wir nach unſrer Speiſe fahren.
Doch weis ich euch noch einen Rath zu geben;
Gehorcht ihr dem, behuͤtet ihr eur Leben.
Jhr ſollt dem Anfang widerſtreben.
Verſammelt euch mit einem Sinn,
Und flieget auf das Hanffeld hin.
Allda verbreitet euch und eſſet alle Saat,
Ein jedes Koͤrnlein auf, das iſt mein Rath.
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Die Voͤgel daucht, ſie ſagte dies im Spott.
Sie ſchimpften auf den Rath, und das Geboth.
Der Hanf wuchs auf, nach ſeiner Art,
Worauf er gleich geſponnen ward;
Dann wurden Netz und Stricke draus gemacht;
Wann ietzt der Voͤgel Heer nach Speiſe wollte fahren,
Und ſicher dacht zu ſeyn, ſo fieng man ſie bey Schaaren.
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