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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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des sechszehnten Jahrhundert.
die Sprache des 15. und 16ten Jahrhunderts als
eine besondere eigene Sprache bekannt machen,
so werden wir erst von den Schriften Brands
und Fischarts ein tüchtiges Urtheil fällen können.
Wir werden dann bisweilen solche poetische Er-
findungen und Ausbildungen darinnen wahrneh-
men, als wir in manchem Poeten, der unsre
neue Sprache redet, vergebens suchen würden.

Es ist wahr, die veralterte Wörter, die abge-
schaften Redensarten, die harten Sylbenverbeis-
sungen, sind den meisten von unsern heutigen Le-
sern und Kunstlehrern allzu anstössig, als daß sie
sich überwinden könnten, den Sachen und Ge-
dancken, die darunter verborgen liegen, nach-
zusuchen. Die Seele muß da für die Schuld
ihres Cörpers büssen; und der Cörper selbst muß
für das zerfetzete Kleid, womit er angethan ist,
leiden. Es bleibt dabey, was Addison gesagt
hat, wer nicht mit einem wahrhaftig erhabenen
Geist und Genius begabet ist, kan die Sachen
und Gedancken vor dem lächerlichen Anstriche
nicht sondern, welcher ihnen von der ungewöhn-
lichen und verlegenen Sprache anklebet. Eben
derselbe berichtet uns, daß Mylord Dorset, bey
dem der trefflichste Witz mit der grösten Auf-
richtigkeit gepaaret war, einer von den feine-
sten Kunstrichtern und den besten Poeten seiner
Zeit, eine zahlreiche Sammlung von alten Eng-
lischen Liedern gehabt, und aus dem Lesen der-
selben ein sonderbares Vergnügen geschöpfet habe.
Er meldet eben dasselbe von Dryden, und sagt,
daß er noch etliche andre scharfsinnige Scriben-

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des ſechszehnten Jahrhundert.
die Sprache des 15. und 16ten Jahrhunderts als
eine beſondere eigene Sprache bekannt machen,
ſo werden wir erſt von den Schriften Brands
und Fiſcharts ein tuͤchtiges Urtheil faͤllen koͤnnen.
Wir werden dann bisweilen ſolche poetiſche Er-
findungen und Ausbildungen darinnen wahrneh-
men, als wir in manchem Poeten, der unſre
neue Sprache redet, vergebens ſuchen wuͤrden.

Es iſt wahr, die veralterte Woͤrter, die abge-
ſchaften Redensarten, die harten Sylbenverbeiſ-
ſungen, ſind den meiſten von unſern heutigen Le-
ſern und Kunſtlehrern allzu anſtoͤſſig, als daß ſie
ſich uͤberwinden koͤnnten, den Sachen und Ge-
dancken, die darunter verborgen liegen, nach-
zuſuchen. Die Seele muß da fuͤr die Schuld
ihres Coͤrpers buͤſſen; und der Coͤrper ſelbſt muß
fuͤr das zerfetzete Kleid, womit er angethan iſt,
leiden. Es bleibt dabey, was Addiſon geſagt
hat, wer nicht mit einem wahrhaftig erhabenen
Geiſt und Genius begabet iſt, kan die Sachen
und Gedancken vor dem laͤcherlichen Anſtriche
nicht ſondern, welcher ihnen von der ungewoͤhn-
lichen und verlegenen Sprache anklebet. Eben
derſelbe berichtet uns, daß Mylord Dorſet, bey
dem der trefflichſte Witz mit der groͤſten Auf-
richtigkeit gepaaret war, einer von den feine-
ſten Kunſtrichtern und den beſten Poeten ſeiner
Zeit, eine zahlreiche Sammlung von alten Eng-
liſchen Liedern gehabt, und aus dem Leſen der-
ſelben ein ſonderbares Vergnuͤgen geſchoͤpfet habe.
Er meldet eben daſſelbe von Dryden, und ſagt,
daß er noch etliche andre ſcharfſinnige Scriben-

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[57/0057] des ſechszehnten Jahrhundert. die Sprache des 15. und 16ten Jahrhunderts als eine beſondere eigene Sprache bekannt machen, ſo werden wir erſt von den Schriften Brands und Fiſcharts ein tuͤchtiges Urtheil faͤllen koͤnnen. Wir werden dann bisweilen ſolche poetiſche Er- findungen und Ausbildungen darinnen wahrneh- men, als wir in manchem Poeten, der unſre neue Sprache redet, vergebens ſuchen wuͤrden. Es iſt wahr, die veralterte Woͤrter, die abge- ſchaften Redensarten, die harten Sylbenverbeiſ- ſungen, ſind den meiſten von unſern heutigen Le- ſern und Kunſtlehrern allzu anſtoͤſſig, als daß ſie ſich uͤberwinden koͤnnten, den Sachen und Ge- dancken, die darunter verborgen liegen, nach- zuſuchen. Die Seele muß da fuͤr die Schuld ihres Coͤrpers buͤſſen; und der Coͤrper ſelbſt muß fuͤr das zerfetzete Kleid, womit er angethan iſt, leiden. Es bleibt dabey, was Addiſon geſagt hat, wer nicht mit einem wahrhaftig erhabenen Geiſt und Genius begabet iſt, kan die Sachen und Gedancken vor dem laͤcherlichen Anſtriche nicht ſondern, welcher ihnen von der ungewoͤhn- lichen und verlegenen Sprache anklebet. Eben derſelbe berichtet uns, daß Mylord Dorſet, bey dem der trefflichſte Witz mit der groͤſten Auf- richtigkeit gepaaret war, einer von den feine- ſten Kunſtrichtern und den beſten Poeten ſeiner Zeit, eine zahlreiche Sammlung von alten Eng- liſchen Liedern gehabt, und aus dem Leſen der- ſelben ein ſonderbares Vergnuͤgen geſchoͤpfet habe. Er meldet eben daſſelbe von Dryden, und ſagt, daß er noch etliche andre ſcharfſinnige Scriben- ten D 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/57>, abgerufen am 25.11.2024.