Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite


Von den vortrefflichen Umständen
für die Poesie unter den Kaisern aus
dem schwäbischen Hause.

EJn gelehrter Mann (*), dem die Stafeln,
nach welchen die Litteratur gestiegen, wohl
bekannt gewesen, hat in Acht genommen, daß die
Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um
die Oberhand gestritten, der Welt gemeiniglich et-
was vortreffliches von Werken des Geistes geliefert
haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute sich
durchaus zu erkennen; das menschliche Geschlecht ist
denn gewissen indianischen Federn gleich, welche sich
in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen.
Die Verwirrungen und Gefährlichkeiten, die in
solchen Umständen häuffig sind, setzen alle ihre
Leidenschaften in Bewegung, und kehren sie in
alle möglichen Gestalten. Wenn diese moralischen
Stellungen denn wol in Acht genommen und ge-
schikt beschrieben werden, müssen vortreffliche Wer-
ke daraus werden.

Eben derselbe hat in diesen Zeiten der Fehden
eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen ist.
Sie verursachen einen freyen und hurtigen Geist,
der sich in das gantze Land ausbreitet. Jeder-
mann sieht sich dann seinen eigenen Herrn, und daß
er aus sich selber machen darf, was er kan. Er
weis nicht, wie hoch er steigen mag, und die Ge-

setze
(*) Sehet Inquiry into the live and the Writing[s]
of Homer.
B 5


Von den vortrefflichen Umſtaͤnden
fuͤr die Poeſie unter den Kaiſern aus
dem ſchwaͤbiſchen Hauſe.

EJn gelehrter Mann (*), dem die Stafeln,
nach welchen die Litteratur geſtiegen, wohl
bekannt geweſen, hat in Acht genommen, daß die
Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um
die Oberhand geſtritten, der Welt gemeiniglich et-
was vortreffliches von Werken des Geiſtes geliefert
haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute ſich
durchaus zu erkennen; das menſchliche Geſchlecht iſt
denn gewiſſen indianiſchen Federn gleich, welche ſich
in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen.
Die Verwirrungen und Gefaͤhrlichkeiten, die in
ſolchen Umſtaͤnden haͤuffig ſind, ſetzen alle ihre
Leidenſchaften in Bewegung, und kehren ſie in
alle moͤglichen Geſtalten. Wenn dieſe moraliſchen
Stellungen denn wol in Acht genommen und ge-
ſchikt beſchrieben werden, muͤſſen vortreffliche Wer-
ke daraus werden.

Eben derſelbe hat in dieſen Zeiten der Fehden
eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen iſt.
Sie verurſachen einen freyen und hurtigen Geiſt,
der ſich in das gantze Land ausbreitet. Jeder-
mann ſieht ſich dann ſeinen eigenen Herrn, und daß
er aus ſich ſelber machen darf, was er kan. Er
weis nicht, wie hoch er ſteigen mag, und die Ge-

ſetze
(*) Sehet Inquiry into the live and the Writing[s]
of Homer.
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0025" n="25"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Von den vortrefflichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
fu&#x0364;r die Poe&#x017F;ie unter den Kai&#x017F;ern aus<lb/>
dem &#x017F;chwa&#x0364;bi&#x017F;chen Hau&#x017F;e.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>Jn gelehrter Mann <note place="foot" n="(*)">Sehet <hi rendition="#aq">Inquiry into the live and the Writing<supplied>s</supplied><lb/>
of Homer.</hi></note>, dem die Stafeln,<lb/>
nach welchen die Litteratur ge&#x017F;tiegen, wohl<lb/>
bekannt gewe&#x017F;en, hat in Acht genommen, daß die<lb/>
Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um<lb/>
die Oberhand ge&#x017F;tritten, der Welt gemeiniglich et-<lb/>
was vortreffliches von Werken des Gei&#x017F;tes geliefert<lb/>
haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute &#x017F;ich<lb/>
durchaus zu erkennen; das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht i&#x017F;t<lb/>
denn gewi&#x017F;&#x017F;en indiani&#x017F;chen Federn gleich, welche &#x017F;ich<lb/>
in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen.<lb/>
Die Verwirrungen und Gefa&#x0364;hrlichkeiten, die in<lb/>
&#x017F;olchen Um&#x017F;ta&#x0364;nden ha&#x0364;uffig &#x017F;ind, &#x017F;etzen alle ihre<lb/>
Leiden&#x017F;chaften in Bewegung, und kehren &#x017F;ie in<lb/>
alle mo&#x0364;glichen Ge&#x017F;talten. Wenn die&#x017F;e morali&#x017F;chen<lb/>
Stellungen denn wol in Acht genommen und ge-<lb/>
&#x017F;chikt be&#x017F;chrieben werden, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en vortreffliche Wer-<lb/>
ke daraus werden.</p><lb/>
        <p>Eben der&#x017F;elbe hat in die&#x017F;en Zeiten der Fehden<lb/>
eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen i&#x017F;t.<lb/>
Sie verur&#x017F;achen einen freyen und hurtigen Gei&#x017F;t,<lb/>
der &#x017F;ich in das gantze Land ausbreitet. Jeder-<lb/>
mann &#x017F;ieht &#x017F;ich dann &#x017F;einen eigenen Herrn, und daß<lb/>
er aus &#x017F;ich &#x017F;elber machen darf, was er kan. Er<lb/>
weis nicht, wie hoch er &#x017F;teigen mag, und die Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;etze</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0025] Von den vortrefflichen Umſtaͤnden fuͤr die Poeſie unter den Kaiſern aus dem ſchwaͤbiſchen Hauſe. EJn gelehrter Mann (*), dem die Stafeln, nach welchen die Litteratur geſtiegen, wohl bekannt geweſen, hat in Acht genommen, daß die Zeiten da Freyheit und Sclaverey mit einander um die Oberhand geſtritten, der Welt gemeiniglich et- was vortreffliches von Werken des Geiſtes geliefert haben: Jn dergleichen Zeiten geben die Leute ſich durchaus zu erkennen; das menſchliche Geſchlecht iſt denn gewiſſen indianiſchen Federn gleich, welche ſich in mehr als einem Lichte zu ihrem Vortheil zeigen. Die Verwirrungen und Gefaͤhrlichkeiten, die in ſolchen Umſtaͤnden haͤuffig ſind, ſetzen alle ihre Leidenſchaften in Bewegung, und kehren ſie in alle moͤglichen Geſtalten. Wenn dieſe moraliſchen Stellungen denn wol in Acht genommen und ge- ſchikt beſchrieben werden, muͤſſen vortreffliche Wer- ke daraus werden. Eben derſelbe hat in dieſen Zeiten der Fehden eine Art Freyheit bemercket, die ihnen eigen iſt. Sie verurſachen einen freyen und hurtigen Geiſt, der ſich in das gantze Land ausbreitet. Jeder- mann ſieht ſich dann ſeinen eigenen Herrn, und daß er aus ſich ſelber machen darf, was er kan. Er weis nicht, wie hoch er ſteigen mag, und die Ge- ſetze (*) Sehet Inquiry into the live and the Writings of Homer. B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/25
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/25>, abgerufen am 22.11.2024.