Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Neue Vorrede
Folgerungen vielleicht seyn I würden, so will ich

sie
- - Neque te, ut miretur turba, labores,
Contentus paucis Lectoribus. An tua, demens
Vilibus in Ludis dictari carmina malis?
Non ego. - - - - -

Er ist auch nicht so eckel wie Persius, der von sich selbst
bezeuget:
- - Recti finemque extremumque esse recuso
Euge tuum & Belle: Nam Belle hoc excute totum,
Quid non intus habet? - - - -

Vielmehr gehet seine einzige Sorge dahin:
Quis leget haec? - - - - -
Vel duo, vel nemo. Turpe & miserabile!
I So gerecht aber meine Folgerungen vielleicht seyn)
Diese Folgerungen sind: 1.) Wer meine Bücher kauft,
lieset, und gutheisset, der hat den gereinigten Geschmack:
Die deutsche Nation hat meine Dichtkunst begierig gekauft,
gelesen, und gutgeheissen: Ergo hat sie den gereinigten
Geschmack. 2.) Wenn ein Buch gekauft wird, so kann
es nicht ohne Nutzen seyn: Mein Buch ist gekauft worden:
Ergo ist es nicht ohne Nutzen gewesen. Daß nun diese
Folgerungen gerecht seyn, wird wohl niemand zweifeln,
der sich erinnern wird, daß sie von einem deutschen Lehrer
der neuen Weltweisheit herkommen; ob er gleich aus blos-
ser Bescheidenheit ein zweifelhaftes vielleicht beysetzet.
Denn da Hr. Prof. Gottsched nicht zweifeln kan, daß sein
Geschmack der gute und reine sey, so könnte er ja keinen
siche-

Neue Vorrede
Folgerungen vielleicht ſeyn I wuͤrden, ſo will ich

ſie
‒ ‒ Neque te, ut miretur turba, labores,
Contentus paucis Lectoribus. An tua, demens
Vilibus in Ludis dictari carmina malis?
Non ego. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

Er iſt auch nicht ſo eckel wie Perſius, der von ſich ſelbſt
bezeuget:
‒ ‒ Recti finemque extremumque eſſe recuſo
Euge tuum & Belle: Nam Belle hoc excute totum,
Quid non intus habet? ‒ ‒ ‒ ‒

Vielmehr gehet ſeine einzige Sorge dahin:
Quis leget hæc? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Vel duo, vel nemo. Turpe & miſerabile!
I So gerecht aber meine Folgerungen vielleicht ſeyn)
Dieſe Folgerungen ſind: 1.) Wer meine Buͤcher kauft,
lieſet, und gutheiſſet, der hat den gereinigten Geſchmack:
Die deutſche Nation hat meine Dichtkunſt begierig gekauft,
geleſen, und gutgeheiſſen: Ergo hat ſie den gereinigten
Geſchmack. 2.) Wenn ein Buch gekauft wird, ſo kann
es nicht ohne Nutzen ſeyn: Mein Buch iſt gekauft worden:
Ergo iſt es nicht ohne Nutzen geweſen. Daß nun dieſe
Folgerungen gerecht ſeyn, wird wohl niemand zweifeln,
der ſich erinnern wird, daß ſie von einem deutſchen Lehrer
der neuen Weltweisheit herkommen; ob er gleich aus bloſ-
ſer Beſcheidenheit ein zweifelhaftes vielleicht beyſetzet.
Denn da Hr. Prof. Gottſched nicht zweifeln kan, daß ſein
Geſchmack der gute und reine ſey, ſo koͤnnte er ja keinen
ſiche-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neue Vorrede</hi></fw><lb/>
Folgerungen vielleicht &#x017F;eyn <note xml:id="f29" next="#f30" place="foot" n="I"><hi rendition="#fr">So gerecht aber meine Folgerungen vielleicht &#x017F;eyn)</hi><lb/>
Die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Folgerungen</hi> &#x017F;ind: 1.) Wer meine Bu&#x0364;cher kauft,<lb/>
lie&#x017F;et, und guthei&#x017F;&#x017F;et, der hat den gereinigten Ge&#x017F;chmack:<lb/>
Die deut&#x017F;che Nation hat meine Dichtkun&#x017F;t begierig gekauft,<lb/>
gele&#x017F;en, und gutgehei&#x017F;&#x017F;en: <hi rendition="#aq">Ergo</hi> hat &#x017F;ie den gereinigten<lb/>
Ge&#x017F;chmack. 2.) Wenn ein Buch gekauft wird, &#x017F;o kann<lb/>
es nicht ohne Nutzen &#x017F;eyn: Mein Buch i&#x017F;t gekauft worden:<lb/><hi rendition="#aq">Ergo</hi> i&#x017F;t es nicht ohne Nutzen gewe&#x017F;en. Daß nun die&#x017F;e<lb/>
Folgerungen <hi rendition="#fr">gerecht</hi> &#x017F;eyn, wird wohl niemand zweifeln,<lb/>
der &#x017F;ich erinnern wird, daß &#x017F;ie von einem deut&#x017F;chen Lehrer<lb/>
der neuen Weltweisheit herkommen; ob er gleich aus blo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Be&#x017F;cheidenheit ein zweifelhaftes <hi rendition="#fr">vielleicht</hi> bey&#x017F;etzet.<lb/>
Denn da Hr. Prof. Gott&#x017F;ched nicht zweifeln kan, daß &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;chmack der gute und reine &#x017F;ey, &#x017F;o ko&#x0364;nnte er ja keinen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;iche-</fw></note> wu&#x0364;rden, &#x017F;o will ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/><note xml:id="f28" prev="#f27" place="foot" n="H"><cit><quote>&#x2012; &#x2012; <hi rendition="#aq">Neque te, ut miretur turba, labores,<lb/>
Contentus paucis Lectoribus. An tua, demens<lb/>
Vilibus in Ludis dictari carmina malis?<lb/>
Non ego. &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;</hi></quote></cit><lb/>
Er i&#x017F;t auch nicht &#x017F;o eckel wie Per&#x017F;ius, der von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
bezeuget:<lb/><cit><quote>&#x2012; &#x2012; <hi rendition="#aq">Recti finemque extremumque e&#x017F;&#x017F;e recu&#x017F;o<lb/>
Euge tuum &amp; Belle: Nam Belle hoc excute totum,<lb/>
Quid non intus habet? &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;</hi></quote></cit><lb/>
Vielmehr gehet &#x017F;eine einzige Sorge dahin:<lb/><cit><quote><hi rendition="#aq">Quis leget hæc? &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Vel duo, vel nemo. Turpe &amp; mi&#x017F;erabile!</hi></quote></cit></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0098] Neue Vorrede Folgerungen vielleicht ſeyn I wuͤrden, ſo will ich ſie H I So gerecht aber meine Folgerungen vielleicht ſeyn) Dieſe Folgerungen ſind: 1.) Wer meine Buͤcher kauft, lieſet, und gutheiſſet, der hat den gereinigten Geſchmack: Die deutſche Nation hat meine Dichtkunſt begierig gekauft, geleſen, und gutgeheiſſen: Ergo hat ſie den gereinigten Geſchmack. 2.) Wenn ein Buch gekauft wird, ſo kann es nicht ohne Nutzen ſeyn: Mein Buch iſt gekauft worden: Ergo iſt es nicht ohne Nutzen geweſen. Daß nun dieſe Folgerungen gerecht ſeyn, wird wohl niemand zweifeln, der ſich erinnern wird, daß ſie von einem deutſchen Lehrer der neuen Weltweisheit herkommen; ob er gleich aus bloſ- ſer Beſcheidenheit ein zweifelhaftes vielleicht beyſetzet. Denn da Hr. Prof. Gottſched nicht zweifeln kan, daß ſein Geſchmack der gute und reine ſey, ſo koͤnnte er ja keinen ſiche- H ‒ ‒ Neque te, ut miretur turba, labores, Contentus paucis Lectoribus. An tua, demens Vilibus in Ludis dictari carmina malis? Non ego. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Er iſt auch nicht ſo eckel wie Perſius, der von ſich ſelbſt bezeuget: ‒ ‒ Recti finemque extremumque eſſe recuſo Euge tuum & Belle: Nam Belle hoc excute totum, Quid non intus habet? ‒ ‒ ‒ ‒ Vielmehr gehet ſeine einzige Sorge dahin: Quis leget hæc? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Vel duo, vel nemo. Turpe & miſerabile!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/98
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/98>, abgerufen am 21.11.2024.