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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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von der deutschen Sprache.
mehr als vierzig Jahre in diesem Lande sind,
und doch nicht drey Worte auf Deutsch sagen
können. Wer ist Schuld daran? Sie oder die
Sprache? Sie nicht, denn wer will sich ein-
bilden, daß sich nicht unter einer solchen Menge
Leute einige finden, welche nicht eine so gelen-
kige Zunge und einen so lebhaften Kopf haben,
daß sie eine Sprache reden lernen, wofern sol-
che geredet werden kan? Jch vor mein Theil
bekenne, daß ich ungemeine Mühe gehabt habe,
in eurer Sprache schnattern zu lernen. Dero-
wegen muß man nur dieselbe dieser beschwerli-
chen Arbeit anklagen. Jezo will ich noch ande-
re Beweisthümer bringen.

Neben der rauhen Aussprache giebt denjeni-
gen, die sich auf die deutsche Sprache legen, nur
damit sie die Bücher verstehen, ohne daß sie
eben darinnen reden lernen, die schwere Zusam-
mensetzung viel zu schaffen. Diese Beschwerde
ist so groß, daß weder das Griechische noch das
Hebräische dem menschlichen Verstand etwas so
schweres zumuthet. Man zeige mir in diesen
beyden Sprachen eine Schwierigkeit, welche
derjenigen zu vergleichen sey, die man mit euren
Vorsetzwörtern an, zu, auf, durch, aus, und
andern hat, die sich von dem Zeitworte tren-
nen lassen, und sich zwar so weit von ihm tren-

nen
"er auch zwanzig Jahre Plattdeutsch lernte, doch weder
"im Reden noch Schreiben gantz ohne Tadel seyn würde.
"Wenn dem so ist, so zeiget dieses wohl die Schwie-
"rigkeiten der Mundart an, allein die Schönheit wird
"memand daraus wahrnehmen.

von der deutſchen Sprache.
mehr als vierzig Jahre in dieſem Lande ſind,
und doch nicht drey Worte auf Deutſch ſagen
koͤnnen. Wer iſt Schuld daran? Sie oder die
Sprache? Sie nicht, denn wer will ſich ein-
bilden, daß ſich nicht unter einer ſolchen Menge
Leute einige finden, welche nicht eine ſo gelen-
kige Zunge und einen ſo lebhaften Kopf haben,
daß ſie eine Sprache reden lernen, wofern ſol-
che geredet werden kan? Jch vor mein Theil
bekenne, daß ich ungemeine Muͤhe gehabt habe,
in eurer Sprache ſchnattern zu lernen. Dero-
wegen muß man nur dieſelbe dieſer beſchwerli-
chen Arbeit anklagen. Jezo will ich noch ande-
re Beweisthuͤmer bringen.

Neben der rauhen Ausſprache giebt denjeni-
gen, die ſich auf die deutſche Sprache legen, nur
damit ſie die Buͤcher verſtehen, ohne daß ſie
eben darinnen reden lernen, die ſchwere Zuſam-
menſetzung viel zu ſchaffen. Dieſe Beſchwerde
iſt ſo groß, daß weder das Griechiſche noch das
Hebraͤiſche dem menſchlichen Verſtand etwas ſo
ſchweres zumuthet. Man zeige mir in dieſen
beyden Sprachen eine Schwierigkeit, welche
derjenigen zu vergleichen ſey, die man mit euren
Vorſetzwoͤrtern an, zu, auf, durch, aus, und
andern hat, die ſich von dem Zeitworte tren-
nen laſſen, und ſich zwar ſo weit von ihm tren-

nen
„er auch zwanzig Jahre Plattdeutſch lernte, doch weder
„im Reden noch Schreiben gantz ohne Tadel ſeyn wuͤrde.
„Wenn dem ſo iſt, ſo zeiget dieſes wohl die Schwie-
„rigkeiten der Mundart an, allein die Schoͤnheit wird
„memand daraus wahrnehmen.
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[15/0015] von der deutſchen Sprache. mehr als vierzig Jahre in dieſem Lande ſind, und doch nicht drey Worte auf Deutſch ſagen koͤnnen. Wer iſt Schuld daran? Sie oder die Sprache? Sie nicht, denn wer will ſich ein- bilden, daß ſich nicht unter einer ſolchen Menge Leute einige finden, welche nicht eine ſo gelen- kige Zunge und einen ſo lebhaften Kopf haben, daß ſie eine Sprache reden lernen, wofern ſol- che geredet werden kan? Jch vor mein Theil bekenne, daß ich ungemeine Muͤhe gehabt habe, in eurer Sprache ſchnattern zu lernen. Dero- wegen muß man nur dieſelbe dieſer beſchwerli- chen Arbeit anklagen. Jezo will ich noch ande- re Beweisthuͤmer bringen. Neben der rauhen Ausſprache giebt denjeni- gen, die ſich auf die deutſche Sprache legen, nur damit ſie die Buͤcher verſtehen, ohne daß ſie eben darinnen reden lernen, die ſchwere Zuſam- menſetzung viel zu ſchaffen. Dieſe Beſchwerde iſt ſo groß, daß weder das Griechiſche noch das Hebraͤiſche dem menſchlichen Verſtand etwas ſo ſchweres zumuthet. Man zeige mir in dieſen beyden Sprachen eine Schwierigkeit, welche derjenigen zu vergleichen ſey, die man mit euren Vorſetzwoͤrtern an, zu, auf, durch, aus, und andern hat, die ſich von dem Zeitworte tren- nen laſſen, und ſich zwar ſo weit von ihm tren- nen „er auch zwanzig Jahre Plattdeutſch lernte, doch weder „im Reden noch Schreiben gantz ohne Tadel ſeyn wuͤrde. „Wenn dem ſo iſt, ſo zeiget dieſes wohl die Schwie- „rigkeiten der Mundart an, allein die Schoͤnheit wird „memand daraus wahrnehmen.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/15>, abgerufen am 22.11.2024.