[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.des deutschen Witzes. geblich meine Meinung, und wie ich darauf ge-fallen bin, und gestehe dabey selbst gerne, daß es nicht lediglich unmöglich ist, daß ich in der Person irre; wie ich dann selbst noch einige Scru- pel hege, die mich hindern, meine Muthmassung für eine baare Wahrheit darzugeben, und die ich eben zu diesem Ende, damit jedermann erken- ne, daß ich nichts als die Wahrheit suche, nicht verschweigen will. Jch finde nemlich in dem Schreiben des ungenannten Verfassers an den Herausgeber auf der 163sten Seite eine critische Anmerkung, die ich Hrn. Prof. Gottscheden gantz und gar nicht zutrauen kan; es heißt da- selbst: Jch bedaure ihn, daß er sich zum Er- gäntzungsstückler gemacht hat. Wegen die- ses Worts aber erinnere ich/ daß ich es für so analogisch als Vorredner halte. Jeder- mann siehet, daß der Verfasser das Wort Vor- redner, dessen sich der schweitzerische Criticus in seinen Anmerkungen zu dem Ergäntzungsstücke zu wiederholten mahlen bedienet hat, Hrn. D. Tril- lern damit anzuzeigen, als anomalisch (denn dieses ist so gut deutsch, als analogisch) verwirft, und durch eine ungereimte Nachäffung zu verspot- ten sucht: Nun findet sichs aber, daß Hr. Prof. Gottsched dieses Wort mit gutem Ge- wissen nicht verwerffen, vielweniger höhnisch ver- spotten kan, weil er als ein der wehrtesten hochdeutschen Sprache höchsterleuchteter Mei- ster/ mächtigster Vermehrer/ und aller unter- thänigsten Nachfolge preiswürdigster Vor- geher/ dasselbige in seinen Beyträgen selbst ge- braucht
des deutſchen Witzes. geblich meine Meinung, und wie ich darauf ge-fallen bin, und geſtehe dabey ſelbſt gerne, daß es nicht lediglich unmoͤglich iſt, daß ich in der Perſon irre; wie ich dann ſelbſt noch einige Scru- pel hege, die mich hindern, meine Muthmaſſung fuͤr eine baare Wahrheit darzugeben, und die ich eben zu dieſem Ende, damit jedermann erken- ne, daß ich nichts als die Wahrheit ſuche, nicht verſchweigen will. Jch finde nemlich in dem Schreiben des ungenannten Verfaſſers an den Herausgeber auf der 163ſten Seite eine critiſche Anmerkung, die ich Hrn. Prof. Gottſcheden gantz und gar nicht zutrauen kan; es heißt da- ſelbſt: Jch bedaure ihn, daß er ſich zum Er- gaͤntzungsſtuͤckler gemacht hat. Wegen die- ſes Worts aber erinnere ich/ daß ich es fuͤr ſo analogiſch als Vorredner halte. Jeder- mann ſiehet, daß der Verfaſſer das Wort Vor- redner, deſſen ſich der ſchweitzeriſche Criticus in ſeinen Anmerkungen zu dem Ergaͤntzungsſtuͤcke zu wiederholten mahlen bedienet hat, Hrn. D. Tril- lern damit anzuzeigen, als anomaliſch (denn dieſes iſt ſo gut deutſch, als analogiſch) verwirft, und durch eine ungereimte Nachaͤffung zu verſpot- ten ſucht: Nun findet ſichs aber, daß Hr. Prof. Gottſched dieſes Wort mit gutem Ge- wiſſen nicht verwerffen, vielweniger hoͤhniſch ver- ſpotten kan, weil er als ein der wehrteſten hochdeutſchen Sprache hoͤchſterleuchteter Mei- ſter/ maͤchtigſter Vermehrer/ und aller unter- thaͤnigſten Nachfolge preiswuͤrdigſter Vor- geher/ daſſelbige in ſeinen Beytraͤgen ſelbſt ge- braucht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="45"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des deutſchen Witzes.</hi></fw><lb/> geblich meine Meinung, und wie ich darauf ge-<lb/> fallen bin, und geſtehe dabey ſelbſt gerne, daß<lb/> es nicht lediglich unmoͤglich iſt, daß ich in der<lb/> Perſon irre; wie ich dann ſelbſt noch einige Scru-<lb/> pel hege, die mich hindern, meine Muthmaſſung<lb/> fuͤr eine baare Wahrheit darzugeben, und die<lb/> ich eben zu dieſem Ende, damit jedermann erken-<lb/> ne, daß ich nichts als die Wahrheit ſuche, nicht<lb/> verſchweigen will. Jch finde nemlich in dem<lb/> Schreiben des ungenannten Verfaſſers an den<lb/> Herausgeber auf der 163ſten Seite eine critiſche<lb/> Anmerkung, die ich Hrn. Prof. <hi rendition="#fr">Gottſcheden</hi><lb/> gantz und gar nicht zutrauen kan; es heißt da-<lb/> ſelbſt: <hi rendition="#fr">Jch bedaure ihn, daß er ſich zum Er-<lb/> gaͤntzungsſtuͤckler gemacht hat. Wegen die-<lb/> ſes Worts aber erinnere ich/ daß ich es fuͤr<lb/> ſo analogiſch als Vorredner halte.</hi> Jeder-<lb/> mann ſiehet, daß der Verfaſſer das Wort <hi rendition="#fr">Vor-<lb/> redner,</hi> deſſen ſich der ſchweitzeriſche Criticus in<lb/> ſeinen Anmerkungen zu dem Ergaͤntzungsſtuͤcke zu<lb/> wiederholten mahlen bedienet hat, Hrn. D. <hi rendition="#fr">Tril-<lb/> lern</hi> damit anzuzeigen, als <hi rendition="#fr">anomaliſch</hi> (denn<lb/> dieſes iſt ſo gut deutſch, als <hi rendition="#fr">analogiſch</hi>) verwirft,<lb/> und durch eine ungereimte Nachaͤffung zu verſpot-<lb/> ten ſucht: Nun findet ſichs aber, daß Hr.<lb/> Prof. <hi rendition="#fr">Gottſched</hi> dieſes Wort mit gutem Ge-<lb/> wiſſen nicht verwerffen, vielweniger hoͤhniſch ver-<lb/> ſpotten kan, weil er als ein der <hi rendition="#fr">wehrteſten<lb/> hochdeutſchen Sprache hoͤchſterleuchteter Mei-<lb/> ſter/ maͤchtigſter Vermehrer/ und aller unter-<lb/> thaͤnigſten Nachfolge preiswuͤrdigſter Vor-<lb/> geher/</hi> daſſelbige in ſeinen <hi rendition="#fr">Beytraͤgen</hi> ſelbſt ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">braucht</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0047]
des deutſchen Witzes.
geblich meine Meinung, und wie ich darauf ge-
fallen bin, und geſtehe dabey ſelbſt gerne, daß
es nicht lediglich unmoͤglich iſt, daß ich in der
Perſon irre; wie ich dann ſelbſt noch einige Scru-
pel hege, die mich hindern, meine Muthmaſſung
fuͤr eine baare Wahrheit darzugeben, und die
ich eben zu dieſem Ende, damit jedermann erken-
ne, daß ich nichts als die Wahrheit ſuche, nicht
verſchweigen will. Jch finde nemlich in dem
Schreiben des ungenannten Verfaſſers an den
Herausgeber auf der 163ſten Seite eine critiſche
Anmerkung, die ich Hrn. Prof. Gottſcheden
gantz und gar nicht zutrauen kan; es heißt da-
ſelbſt: Jch bedaure ihn, daß er ſich zum Er-
gaͤntzungsſtuͤckler gemacht hat. Wegen die-
ſes Worts aber erinnere ich/ daß ich es fuͤr
ſo analogiſch als Vorredner halte. Jeder-
mann ſiehet, daß der Verfaſſer das Wort Vor-
redner, deſſen ſich der ſchweitzeriſche Criticus in
ſeinen Anmerkungen zu dem Ergaͤntzungsſtuͤcke zu
wiederholten mahlen bedienet hat, Hrn. D. Tril-
lern damit anzuzeigen, als anomaliſch (denn
dieſes iſt ſo gut deutſch, als analogiſch) verwirft,
und durch eine ungereimte Nachaͤffung zu verſpot-
ten ſucht: Nun findet ſichs aber, daß Hr.
Prof. Gottſched dieſes Wort mit gutem Ge-
wiſſen nicht verwerffen, vielweniger hoͤhniſch ver-
ſpotten kan, weil er als ein der wehrteſten
hochdeutſchen Sprache hoͤchſterleuchteter Mei-
ſter/ maͤchtigſter Vermehrer/ und aller unter-
thaͤnigſten Nachfolge preiswuͤrdigſter Vor-
geher/ daſſelbige in ſeinen Beytraͤgen ſelbſt ge-
braucht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |