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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der verblümten Schreibart.
Nach dem blöden Augenschein,
Selbst des Himmels Stützen seyn.

Und grad auf dem dritten Blatte stehen diese schö-
ne Zeilen auf das Firmament:

Als jüngst mein Auge sich in die Saphirne Tiefe
Die weder Grund noch Strand, noch Ziel, noch End
(umschränckt,
Jns unerforschte Meer des holen Luft-Raums senckt',
Und mein verschlungner Blick bald hie bald dahin liefe
Doch immer tiefer sanck. - - - -

Philoloaus ärgert sich ferner, daß Rubens sagt:
Als wir an dem Fusse desselben waren/ gien-
gen wir Landwerts ein/ von allen Seiten
mit Hügeln umschlossen/ auf welchen Blumen
ihre Hälse hervorreckten/ welche die heitersten
Strahlen der Morgenröthe nachmahlten/ die
auf die Wolcken fallen; und die uns Geruch
von Balsam Weyhrauch und Myrrhen in die
Nase bliesen.
Es ist auch in den gemeinen Re-
den üblich, daß man den Blumen ein Haupt zu-
schreibet. Besser in dem Lebenslaufe seiner Kühl-
weinin: Wenn sie unter ihnen stuhnd/ ließ
es ihr wie einer Lilien auf einem Blumen-Fel-
de, welche mit ihrem Atlas-Haupte über alle
hervorraget.
Und ich finde in dem 39sten St. der
Tadlerinnen einen gleichen verblümten Ausdruck:
Die Tulpe schien ihren Hals aus Ehr-Begier-
de hoch zu tragen.
Und der Herr Brockes re-
det in der Betrachtung eines zeitigen Frühlings
von der Stirne einer Blume:

Es blühete bereits
Die Silber-weisse Schnee- die güldne Crocus-Blume
Die
B 4
Von der verbluͤmten Schreibart.
Nach dem bloͤden Augenſchein,
Selbſt des Himmels Stuͤtzen ſeyn.

Und grad auf dem dritten Blatte ſtehen dieſe ſchoͤ-
ne Zeilen auf das Firmament:

Als juͤngſt mein Auge ſich in die Saphirne Tiefe
Die weder Grund noch Strand, noch Ziel, noch End
(umſchraͤnckt,
Jns unerforſchte Meer des holen Luft-Raums ſenckt’,
Und mein verſchlungner Blick bald hie bald dahin liefe
Doch immer tiefer ſanck. ‒ ‒ ‒ ‒

Philoloaus aͤrgert ſich ferner, daß Rubens ſagt:
Als wir an dem Fuſſe deſſelben waren/ gien-
gen wir Landwerts ein/ von allen Seiten
mit Huͤgeln umſchloſſen/ auf welchen Blumen
ihre Haͤlſe hervorreckten/ welche die heiterſten
Strahlen der Morgenroͤthe nachmahlten/ die
auf die Wolcken fallen; und die uns Geruch
von Balſam Weyhrauch und Myrrhen in die
Naſe blieſen.
Es iſt auch in den gemeinen Re-
den uͤblich, daß man den Blumen ein Haupt zu-
ſchreibet. Beſſer in dem Lebenslaufe ſeiner Kuͤhl-
weinin: Wenn ſie unter ihnen ſtuhnd/ ließ
es ihr wie einer Lilien auf einem Blumen-Fel-
de, welche mit ihrem Atlas-Haupte uͤber alle
hervorraget.
Und ich finde in dem 39ſten St. der
Tadlerinnen einen gleichen verbluͤmten Ausdruck:
Die Tulpe ſchien ihren Hals aus Ehr-Begier-
de hoch zu tragen.
Und der Herr Brockes re-
det in der Betrachtung eines zeitigen Fruͤhlings
von der Stirne einer Blume:

Es bluͤhete bereits
Die Silber-weiſſe Schnee- die guͤldne Crocus-Blume
Die
B 4
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[23/0025] Von der verbluͤmten Schreibart. Nach dem bloͤden Augenſchein, Selbſt des Himmels Stuͤtzen ſeyn. Und grad auf dem dritten Blatte ſtehen dieſe ſchoͤ- ne Zeilen auf das Firmament: Als juͤngſt mein Auge ſich in die Saphirne Tiefe Die weder Grund noch Strand, noch Ziel, noch End (umſchraͤnckt, Jns unerforſchte Meer des holen Luft-Raums ſenckt’, Und mein verſchlungner Blick bald hie bald dahin liefe Doch immer tiefer ſanck. ‒ ‒ ‒ ‒ Philoloaus aͤrgert ſich ferner, daß Rubens ſagt: Als wir an dem Fuſſe deſſelben waren/ gien- gen wir Landwerts ein/ von allen Seiten mit Huͤgeln umſchloſſen/ auf welchen Blumen ihre Haͤlſe hervorreckten/ welche die heiterſten Strahlen der Morgenroͤthe nachmahlten/ die auf die Wolcken fallen; und die uns Geruch von Balſam Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe blieſen. Es iſt auch in den gemeinen Re- den uͤblich, daß man den Blumen ein Haupt zu- ſchreibet. Beſſer in dem Lebenslaufe ſeiner Kuͤhl- weinin: Wenn ſie unter ihnen ſtuhnd/ ließ es ihr wie einer Lilien auf einem Blumen-Fel- de, welche mit ihrem Atlas-Haupte uͤber alle hervorraget. Und ich finde in dem 39ſten St. der Tadlerinnen einen gleichen verbluͤmten Ausdruck: Die Tulpe ſchien ihren Hals aus Ehr-Begier- de hoch zu tragen. Und der Herr Brockes re- det in der Betrachtung eines zeitigen Fruͤhlings von der Stirne einer Blume: Es bluͤhete bereits Die Silber-weiſſe Schnee- die guͤldne Crocus-Blume Die B 4

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/25>, abgerufen am 28.03.2024.