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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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der herrschenden Poeten.
Dichterkriege nur Kinderspiele seyn. Kein Criti-
cus soll euch mehr striegeln, keine Dichtkunst in
eurer Selbstzufriedenheit stören. Schulen, Raths-
zimmer, und Fürstliche Höfe sollen sich unter eu-
rem Scepter büken. Von Pommern bis in Schwa-
ben, von Crayn bis in Westphalen soll nur ein
Geschmack, nur eine Poesie, nur eine Bande
seyn. Diesen Segen verlasse ich euch zum Ab-
schiede. Wiewohl ich euch aber diese meine fleisch-
liche Gestalt anizo aus dem Gesichte wegrüke, so
weichet doch mein besserer Theil nicht von euch.
Mein Geist bleibt beständig bey euch, und ruhet
auf euch.

Jndem der falsche Göze dieses sagte, zerfloß
sein Thron und sein geborgter Cörper in eine blaue
Wolke, woraus sie auch entstanden waren. Die-
selbe zertheilte sich in viele kleine Dünste, wovon
sich auf einen jeden Dichter und Kunstrichter, so
viele deren in der Versammlung waren, eine Por-
tion niedersetzte. Der Dampf drang bis durch
die Hirnschale durch, säuberte das Haupt von
Verstand, und nahm es mit stolzen Einbildungen
ein. Sie erhuben dankbarlich die Gunst ihres
himmlischen Hauptes, der ihnen den Verstand mit
diesem subtilen Dampf aufgeklärt, und verheis-
sen, daß er sie auf ihren finstern Wegen sicher be-
wahren wollte. Der zaghafteste von ihnen zeigete
einen Heldenmuth und vermaß sich Troja zu er-
retten. Ein jeder verwünschte seinen Kopf mit al-
le dessen Witz und Hirn, daß er den herrschenden
Geschmack
an den Schweizern rächen wollte.

Sie
O 5

der herrſchenden Poeten.
Dichterkriege nur Kinderſpiele ſeyn. Kein Criti-
cus ſoll euch mehr ſtriegeln, keine Dichtkunſt in
eurer Selbſtzufriedenheit ſtoͤren. Schulen, Raths-
zimmer, und Fuͤrſtliche Hoͤfe ſollen ſich unter eu-
rem Scepter buͤken. Von Pommern bis in Schwa-
ben, von Crayn bis in Weſtphalen ſoll nur ein
Geſchmack, nur eine Poeſie, nur eine Bande
ſeyn. Dieſen Segen verlaſſe ich euch zum Ab-
ſchiede. Wiewohl ich euch aber dieſe meine fleiſch-
liche Geſtalt anizo aus dem Geſichte wegruͤke, ſo
weichet doch mein beſſerer Theil nicht von euch.
Mein Geiſt bleibt beſtaͤndig bey euch, und ruhet
auf euch.

Jndem der falſche Goͤze dieſes ſagte, zerfloß
ſein Thron und ſein geborgter Coͤrper in eine blaue
Wolke, woraus ſie auch entſtanden waren. Die-
ſelbe zertheilte ſich in viele kleine Duͤnſte, wovon
ſich auf einen jeden Dichter und Kunſtrichter, ſo
viele deren in der Verſammlung waren, eine Por-
tion niederſetzte. Der Dampf drang bis durch
die Hirnſchale durch, ſaͤuberte das Haupt von
Verſtand, und nahm es mit ſtolzen Einbildungen
ein. Sie erhuben dankbarlich die Gunſt ihres
himmliſchen Hauptes, der ihnen den Verſtand mit
dieſem ſubtilen Dampf aufgeklaͤrt, und verheiſ-
ſen, daß er ſie auf ihren finſtern Wegen ſicher be-
wahren wollte. Der zaghafteſte von ihnen zeigete
einen Heldenmuth und vermaß ſich Troja zu er-
retten. Ein jeder verwuͤnſchte ſeinen Kopf mit al-
le deſſen Witz und Hirn, daß er den herrſchenden
Geſchmack
an den Schweizern raͤchen wollte.

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[217/0219] der herrſchenden Poeten. Dichterkriege nur Kinderſpiele ſeyn. Kein Criti- cus ſoll euch mehr ſtriegeln, keine Dichtkunſt in eurer Selbſtzufriedenheit ſtoͤren. Schulen, Raths- zimmer, und Fuͤrſtliche Hoͤfe ſollen ſich unter eu- rem Scepter buͤken. Von Pommern bis in Schwa- ben, von Crayn bis in Weſtphalen ſoll nur ein Geſchmack, nur eine Poeſie, nur eine Bande ſeyn. Dieſen Segen verlaſſe ich euch zum Ab- ſchiede. Wiewohl ich euch aber dieſe meine fleiſch- liche Geſtalt anizo aus dem Geſichte wegruͤke, ſo weichet doch mein beſſerer Theil nicht von euch. Mein Geiſt bleibt beſtaͤndig bey euch, und ruhet auf euch. Jndem der falſche Goͤze dieſes ſagte, zerfloß ſein Thron und ſein geborgter Coͤrper in eine blaue Wolke, woraus ſie auch entſtanden waren. Die- ſelbe zertheilte ſich in viele kleine Duͤnſte, wovon ſich auf einen jeden Dichter und Kunſtrichter, ſo viele deren in der Verſammlung waren, eine Por- tion niederſetzte. Der Dampf drang bis durch die Hirnſchale durch, ſaͤuberte das Haupt von Verſtand, und nahm es mit ſtolzen Einbildungen ein. Sie erhuben dankbarlich die Gunſt ihres himmliſchen Hauptes, der ihnen den Verſtand mit dieſem ſubtilen Dampf aufgeklaͤrt, und verheiſ- ſen, daß er ſie auf ihren finſtern Wegen ſicher be- wahren wollte. Der zaghafteſte von ihnen zeigete einen Heldenmuth und vermaß ſich Troja zu er- retten. Ein jeder verwuͤnſchte ſeinen Kopf mit al- le deſſen Witz und Hirn, daß er den herrſchenden Geſchmack an den Schweizern raͤchen wollte. Sie O 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/219>, abgerufen am 21.11.2024.