[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der Schreibart Poeten so ungleich, als eben derselben Gedanken,Entschlüsse und Geschäfte. Die Begriffe, die viele Leser von Miltons Worten nicht bekommen, und der Eindruck, der dann bey ihnen ausbleibet, zeigen nicht, daß die Worte, oder die Vorstel- lungen nicht geschickt seyn, sondern daß diese Leu- te zu dergleichen Begriffen und Sachen nicht ge- schickt seyn. Wie weit entfernt waren denn die- se, solche Begriffe und Dinge zu erfinden, da sie selbige sich nicht einbilden können, nachdem sie schon erfunden sind? Es gehört kein plumper Geist da- zu, sich aus der Tiefe, in welcher wir niederge- drückt sind, zu erheben, und über die Gränzen des Weltgebäudes hinwegzufliegen, hernach über das ungemessene Chaos in den Kerker der verdamm- ten Geister überzusezen, die Geschäfte und Anschlä- ge der Einwohner in diesen dunkeln Gegenden zu verkundschaften. Und zu Ausdrükung dieser Ge- danken und Geschichte braucht es freylich fremde Bilder, seltsame Erscheinungen, ungewöhnliche Worte und Ausdrüke. Jn Betrachtung dieser Dinge haben die Eng- samkeit,
Von der Schreibart Poeten ſo ungleich, als eben derſelben Gedanken,Entſchluͤſſe und Geſchaͤfte. Die Begriffe, die viele Leſer von Miltons Worten nicht bekommen, und der Eindruck, der dann bey ihnen ausbleibet, zeigen nicht, daß die Worte, oder die Vorſtel- lungen nicht geſchickt ſeyn, ſondern daß dieſe Leu- te zu dergleichen Begriffen und Sachen nicht ge- ſchickt ſeyn. Wie weit entfernt waren denn die- ſe, ſolche Begriffe und Dinge zu erfinden, da ſie ſelbige ſich nicht einbilden koͤnnen, nachdem ſie ſchon erfunden ſind? Es gehoͤrt kein plumper Geiſt da- zu, ſich aus der Tiefe, in welcher wir niederge- druͤckt ſind, zu erheben, und uͤber die Graͤnzen des Weltgebaͤudes hinwegzufliegen, hernach uͤber das ungemeſſene Chaos in den Kerker der verdamm- ten Geiſter uͤberzuſezen, die Geſchaͤfte und Anſchlaͤ- ge der Einwohner in dieſen dunkeln Gegenden zu verkundſchaften. Und zu Ausdruͤkung dieſer Ge- danken und Geſchichte braucht es freylich fremde Bilder, ſeltſame Erſcheinungen, ungewoͤhnliche Worte und Ausdruͤke. Jn Betrachtung dieſer Dinge haben die Eng- ſamkeit,
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Von der Schreibart
Poeten ſo ungleich, als eben derſelben Gedanken,
Entſchluͤſſe und Geſchaͤfte. Die Begriffe, die
viele Leſer von Miltons Worten nicht bekommen,
und der Eindruck, der dann bey ihnen ausbleibet,
zeigen nicht, daß die Worte, oder die Vorſtel-
lungen nicht geſchickt ſeyn, ſondern daß dieſe Leu-
te zu dergleichen Begriffen und Sachen nicht ge-
ſchickt ſeyn. Wie weit entfernt waren denn die-
ſe, ſolche Begriffe und Dinge zu erfinden, da ſie
ſelbige ſich nicht einbilden koͤnnen, nachdem ſie ſchon
erfunden ſind? Es gehoͤrt kein plumper Geiſt da-
zu, ſich aus der Tiefe, in welcher wir niederge-
druͤckt ſind, zu erheben, und uͤber die Graͤnzen
des Weltgebaͤudes hinwegzufliegen, hernach uͤber
das ungemeſſene Chaos in den Kerker der verdamm-
ten Geiſter uͤberzuſezen, die Geſchaͤfte und Anſchlaͤ-
ge der Einwohner in dieſen dunkeln Gegenden zu
verkundſchaften. Und zu Ausdruͤkung dieſer Ge-
danken und Geſchichte braucht es freylich fremde
Bilder, ſeltſame Erſcheinungen, ungewoͤhnliche
Worte und Ausdruͤke.
Jn Betrachtung dieſer Dinge haben die Eng-
laͤndiſchen Kunſtverſtaͤndigen nicht ohne Urſache ge-
ſagt, daß ihre Sprache unter Milton eingeſunken
waͤre, wenn er ſie nicht gewußt haͤtte ſeinen Be-
griffen gemaͤß zu erhoͤhen, und darum haben ſie ihm
die verſchiedenen Arten von Freyheit, die er ſich
genommen hat, mit Willen und gerne gegoͤnnet.
Und dennoch hatte die Engliſche Sprache ohne
dieſe Beyhuͤlfe auslaͤndiſcher Sprachen ſolche ei-
genthuͤmliche Eigenſchaften, welche ungemein be-
quem ſind, den Vortrag vor Mattigkeit, Lang-
ſamkeit,
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