[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.daß die Schw. das v. P. bewundern. sie sind gegen die Blendungen besser verwahrt,und auf ihren freyen Willen eifersüchtiger; sie lassen sich durch die Natur der Dinge, und ihre Eindrücke selbst nicht zwingen. Sie machen die Eindrücke lieber, als daß sie solche von den Sa- chen empfangen. Allein so gründlich die Ver- theidigung des willkührlichen Geschmacks der freyen D. gerathen ist, so übereilt muß ich es heissen, daß Hr. G. die schweiz. Nation in Ver- dacht fasset, daß sie sich eben so leichtsinnig habe hintergehen lassen, als die Engl. den M. hochzu- schätzen. Er sagt: Was die Uebersetzung Addi- sons anbetrift, so kan sie vielleicht in der Schw. so gute Würckungen haben, als die Ueberse- zung M. gehabt hat. Jch muß ihm mit aller der Höflichkeit, die ein Schweitz. haben kan, sa- gen, daß er diese Nation nicht recht kennet, wenn er ihr dergleichen elenden Geschmack zu- trauet. Wir sind auf unsre geistliche Freyheiten, unter welche ich die Freyheit des Geschmacks zuerst zehle, eben so eifersüchtig, als auf die leib- lichen; wir haben eben so wol als die Sachsen Scythisches Blut in den Adern, u. bleiben so steif auf dem hergebrachten Geschmack unsrer Vorfahren, als sie, wofern es uns nicht von uns selbst, ohne jemands arbeitsame Bemühung, anderst in den Sinn kömmt; die Dinge mögen denn ihrer Natur nach einen Eindruck auf das Gemüthe fodern, welchen sie wollen, ein Schw. wird sich demselben so handfest als ein D. zu wi- dersetzen wissen, & sibi res non se rebus submittere. Um dessentwillen hat es uns sehr geärgert, als der
daß die Schw. das v. P. bewundern. ſie ſind gegen die Blendungen beſſer verwahrt,und auf ihren freyen Willen eiferſuͤchtiger; ſie laſſen ſich durch die Natur der Dinge, und ihre Eindruͤcke ſelbſt nicht zwingen. Sie machen die Eindruͤcke lieber, als daß ſie ſolche von den Sa- chen empfangen. Allein ſo gruͤndlich die Ver- theidigung des willkuͤhrlichen Geſchmacks der freyen D. gerathen iſt, ſo uͤbereilt muß ich es heiſſen, daß Hr. G. die ſchweiz. Nation in Ver- dacht faſſet, daß ſie ſich eben ſo leichtſinnig habe hintergehen laſſen, als die Engl. den M. hochzu- ſchaͤtzen. Er ſagt: Was die Ueberſetzung Addi- ſons anbetrift, ſo kan ſie vielleicht in der Schw. ſo gute Wuͤrckungen haben, als die Ueberſe- zung M. gehabt hat. Jch muß ihm mit aller der Hoͤflichkeit, die ein Schweitz. haben kan, ſa- gen, daß er dieſe Nation nicht recht kennet, wenn er ihr dergleichen elenden Geſchmack zu- trauet. Wir ſind auf unſre geiſtliche Freyheiten, unter welche ich die Freyheit des Geſchmacks zuerſt zehle, eben ſo eiferſuͤchtig, als auf die leib- lichen; wir haben eben ſo wol als die Sachſen Scythiſches Blut in den Adern, u. bleiben ſo ſteif auf dem hergebrachten Geſchmack unſrer Vorfahren, als ſie, wofern es uns nicht von uns ſelbſt, ohne jemands arbeitſame Bemuͤhung, anderſt in den Sinn koͤmmt; die Dinge moͤgen denn ihrer Natur nach einen Eindruck auf das Gemuͤthe fodern, welchen ſie wollen, ein Schw. wird ſich demſelben ſo handfeſt als ein D. zu wi- derſetzen wiſſen, & ſibi res non ſe rebus ſubmittere. Um deſſentwillen hat es uns ſehr geaͤrgert, als der
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daß die Schw. das v. P. bewundern.
ſie ſind gegen die Blendungen beſſer verwahrt,
und auf ihren freyen Willen eiferſuͤchtiger; ſie
laſſen ſich durch die Natur der Dinge, und ihre
Eindruͤcke ſelbſt nicht zwingen. Sie machen die
Eindruͤcke lieber, als daß ſie ſolche von den Sa-
chen empfangen. Allein ſo gruͤndlich die Ver-
theidigung des willkuͤhrlichen Geſchmacks der
freyen D. gerathen iſt, ſo uͤbereilt muß ich es
heiſſen, daß Hr. G. die ſchweiz. Nation in Ver-
dacht faſſet, daß ſie ſich eben ſo leichtſinnig habe
hintergehen laſſen, als die Engl. den M. hochzu-
ſchaͤtzen. Er ſagt: Was die Ueberſetzung Addi-
ſons anbetrift, ſo kan ſie vielleicht in der Schw.
ſo gute Wuͤrckungen haben, als die Ueberſe-
zung M. gehabt hat. Jch muß ihm mit aller
der Hoͤflichkeit, die ein Schweitz. haben kan, ſa-
gen, daß er dieſe Nation nicht recht kennet,
wenn er ihr dergleichen elenden Geſchmack zu-
trauet. Wir ſind auf unſre geiſtliche Freyheiten,
unter welche ich die Freyheit des Geſchmacks
zuerſt zehle, eben ſo eiferſuͤchtig, als auf die leib-
lichen; wir haben eben ſo wol als die Sachſen
Scythiſches Blut in den Adern, u. bleiben ſo
ſteif auf dem hergebrachten Geſchmack unſrer
Vorfahren, als ſie, wofern es uns nicht von uns
ſelbſt, ohne jemands arbeitſame Bemuͤhung,
anderſt in den Sinn koͤmmt; die Dinge moͤgen
denn ihrer Natur nach einen Eindruck auf das
Gemuͤthe fodern, welchen ſie wollen, ein Schw.
wird ſich demſelben ſo handfeſt als ein D. zu wi-
derſetzen wiſſen, & ſibi res non ſe rebus ſubmittere.
Um deſſentwillen hat es uns ſehr geaͤrgert, als
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