[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Nachrichten von dem Ursprunge selbst Fremden zugeleget und gedancket hat, hin-gegen die Exempel zu denselben niemanden als sich selber hat wollen schuldig werden. Er hat diese gröstentheils aus seinen eigenen Schriften genom- men, welches vor ihm keiner von den Alten oder den Neuern Criticis gethan hat. Er ist also der ein- zige iztlebende Poet, den er angezogen, und dem zu gefallen er die Regel gebrochen hat, so er sich selber vorgeschrieben, daß er keinen lebenden Dich- ter weder tadeln noch loben wollte. Weil er sahe, daß er die Tadelhaften nicht nach ihrem Verdie- nen bestraffen könnte, ohne daß er sich ihren Haß zuzöge, ja weil sie auch die blosse Erwähnung der Geschickten bey ihrer eigenen Ausschliessung vor eine heimliche Verurtheilung hätten aufnehmen mögen, so hat er vor gut befunden, sowohl das Lob der letztern als die Straffe der erstern in der Feder zu behalten. Nachdem Hr. Gottsched diesen Grund zu einer und
Nachrichten von dem Urſprunge ſelbſt Fremden zugeleget und gedancket hat, hin-gegen die Exempel zu denſelben niemanden als ſich ſelber hat wollen ſchuldig werden. Er hat dieſe groͤſtentheils aus ſeinen eigenen Schriften genom- men, welches vor ihm keiner von den Alten oder den Neuern Criticis gethan hat. Er iſt alſo der ein- zige iztlebende Poet, den er angezogen, und dem zu gefallen er die Regel gebrochen hat, ſo er ſich ſelber vorgeſchrieben, daß er keinen lebenden Dich- ter weder tadeln noch loben wollte. Weil er ſahe, daß er die Tadelhaften nicht nach ihrem Verdie- nen beſtraffen koͤnnte, ohne daß er ſich ihren Haß zuzoͤge, ja weil ſie auch die bloſſe Erwaͤhnung der Geſchickten bey ihrer eigenen Ausſchlieſſung vor eine heimliche Verurtheilung haͤtten aufnehmen moͤgen, ſo hat er vor gut befunden, ſowohl das Lob der letztern als die Straffe der erſtern in der Feder zu behalten. Nachdem Hr. Gottſched dieſen Grund zu einer und
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Nachrichten von dem Urſprunge
ſelbſt Fremden zugeleget und gedancket hat, hin-
gegen die Exempel zu denſelben niemanden als ſich
ſelber hat wollen ſchuldig werden. Er hat dieſe
groͤſtentheils aus ſeinen eigenen Schriften genom-
men, welches vor ihm keiner von den Alten oder
den Neuern Criticis gethan hat. Er iſt alſo der ein-
zige iztlebende Poet, den er angezogen, und dem
zu gefallen er die Regel gebrochen hat, ſo er ſich
ſelber vorgeſchrieben, daß er keinen lebenden Dich-
ter weder tadeln noch loben wollte. Weil er ſahe,
daß er die Tadelhaften nicht nach ihrem Verdie-
nen beſtraffen koͤnnte, ohne daß er ſich ihren Haß
zuzoͤge, ja weil ſie auch die bloſſe Erwaͤhnung der
Geſchickten bey ihrer eigenen Ausſchlieſſung vor
eine heimliche Verurtheilung haͤtten aufnehmen
moͤgen, ſo hat er vor gut befunden, ſowohl das
Lob der letztern als die Straffe der erſtern in der
Feder zu behalten.
Nachdem Hr. Gottſched dieſen Grund zu einer
Critik fuͤr die Deutſchen geleget hatte, ruhete er
in ſeinem critiſchen Laufe nicht, ſondern fieng 1732.
an, die Beytraͤge zur critiſchen Hiſtorie der deut-
ſchen Sprache, Poeſie und Beredtſamkeit, her-
auszugeben, womit er ſich vorgenommen, zwar
hauptſaͤchlich das Aufnehmen der deutſchen Spra-
che, und den Fleiß ſeiner Landsleute dieſelbe zu beſ-
ſern, zu unterſuchen, jedoch damit Abhandlungen
von allerley in die deutſche Literatur, Critik, Dicht-
kunſt und Beredtſamkeit laufenden Materien zu
untermiſchen. Hiſtoriſche und Grammatiſche Arti-
kel machen darinnen weit die groͤſte Zahl aus. Jene
beſtehen aus truckenen Nachrichten von alten
und
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