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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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der Critik bey den Deutschen.
würde in ihrer Wahl ihre Zuflucht nicht zu den
Wörterbüchern nehmen dürffen. Eben so wenig
ist Hr. Hamann mit den Zürchischen Kunstrich-
tern wegen ihrer Verwerffung der Reimen zufrie-
den. Er erklärt sich hierüber mit diesen Worten:

"Diejenige scharfsinnige Gesellschaft in der
"Schweitz, welche verschiedene Theile allerhand
"geistreicher Discurse drücken lassen, hat einen
"beo Esprit unter sich, der sich die Mühe gege-
"ben, den Geschmack unsers Vaterlands in der
"Dichtkunst zu verbessern, und dabey die gemei-
"nen Fehler unsrer Poeten auszuhönen. Er hat
"an den bisher so hochgeschätzten Schriften des
"Hoffmannswaldau, Neukirchs, und Lohen-
"steins, etc. sehr vieles auszusetzen gefunden,
"und wie er hin und wieder die Gedancken uns-
"rer Dichter mit seinen Satyren lächerlich ge-
"machet, so hat er auch endlich den äusserlichen
"Zierrath ihrer Verse, nemlich die Reimen,
"ziemlich hart angegriffen."

Er erzehlet hier-
auf des Schweitzers Gründe, meinet aber, daß
sie von Hrn. Weichmann sehr wohl beantwortet
worden; und weil er über dieses nicht wahrge-
nommen, daß jemand den Vorschlägen des Kunst-
lehrers gefolget, hält er dafür, daß das Capitel
von den Reimen von ihm nicht habe dürffen über-
gangen werden. Aus welchem Schlusse scheinet,
daß er mehr bekümmert gewesen, sein Capitel von
den Reimen, als die Reimen selber zu retten.

Hr. Weichmann hatte sich am meisten daran
geärgert, daß der Zürchische Zuschauer die Rei-
men unrecht und eine Narrheit genannt hätte.

Er
J 5

der Critik bey den Deutſchen.
wuͤrde in ihrer Wahl ihre Zuflucht nicht zu den
Woͤrterbuͤchern nehmen duͤrffen. Eben ſo wenig
iſt Hr. Hamann mit den Zuͤrchiſchen Kunſtrich-
tern wegen ihrer Verwerffung der Reimen zufrie-
den. Er erklaͤrt ſich hieruͤber mit dieſen Worten:

„Diejenige ſcharfſinnige Geſellſchaft in der
„Schweitz, welche verſchiedene Theile allerhand
„geiſtreicher Diſcurſe druͤcken laſſen, hat einen
beo Eſprit unter ſich, der ſich die Muͤhe gege-
„ben, den Geſchmack unſers Vaterlands in der
„Dichtkunſt zu verbeſſern, und dabey die gemei-
„nen Fehler unſrer Poeten auszuhoͤnen. Er hat
„an den bisher ſo hochgeſchaͤtzten Schriften des
„Hoffmannswaldau, Neukirchs, und Lohen-
„ſteins, ꝛc. ſehr vieles auszuſetzen gefunden,
„und wie er hin und wieder die Gedancken unſ-
„rer Dichter mit ſeinen Satyren laͤcherlich ge-
„machet, ſo hat er auch endlich den aͤuſſerlichen
„Zierrath ihrer Verſe, nemlich die Reimen,
„ziemlich hart angegriffen.„

Er erzehlet hier-
auf des Schweitzers Gruͤnde, meinet aber, daß
ſie von Hrn. Weichmann ſehr wohl beantwortet
worden; und weil er uͤber dieſes nicht wahrge-
nommen, daß jemand den Vorſchlaͤgen des Kunſt-
lehrers gefolget, haͤlt er dafuͤr, daß das Capitel
von den Reimen von ihm nicht habe duͤrffen uͤber-
gangen werden. Aus welchem Schluſſe ſcheinet,
daß er mehr bekuͤmmert geweſen, ſein Capitel von
den Reimen, als die Reimen ſelber zu retten.

Hr. Weichmann hatte ſich am meiſten daran
geaͤrgert, daß der Zuͤrchiſche Zuſchauer die Rei-
men unrecht und eine Narrheit genannt haͤtte.

Er
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[137/0139] der Critik bey den Deutſchen. wuͤrde in ihrer Wahl ihre Zuflucht nicht zu den Woͤrterbuͤchern nehmen duͤrffen. Eben ſo wenig iſt Hr. Hamann mit den Zuͤrchiſchen Kunſtrich- tern wegen ihrer Verwerffung der Reimen zufrie- den. Er erklaͤrt ſich hieruͤber mit dieſen Worten: „Diejenige ſcharfſinnige Geſellſchaft in der „Schweitz, welche verſchiedene Theile allerhand „geiſtreicher Diſcurſe druͤcken laſſen, hat einen „beo Eſprit unter ſich, der ſich die Muͤhe gege- „ben, den Geſchmack unſers Vaterlands in der „Dichtkunſt zu verbeſſern, und dabey die gemei- „nen Fehler unſrer Poeten auszuhoͤnen. Er hat „an den bisher ſo hochgeſchaͤtzten Schriften des „Hoffmannswaldau, Neukirchs, und Lohen- „ſteins, ꝛc. ſehr vieles auszuſetzen gefunden, „und wie er hin und wieder die Gedancken unſ- „rer Dichter mit ſeinen Satyren laͤcherlich ge- „machet, ſo hat er auch endlich den aͤuſſerlichen „Zierrath ihrer Verſe, nemlich die Reimen, „ziemlich hart angegriffen.„ Er erzehlet hier- auf des Schweitzers Gruͤnde, meinet aber, daß ſie von Hrn. Weichmann ſehr wohl beantwortet worden; und weil er uͤber dieſes nicht wahrge- nommen, daß jemand den Vorſchlaͤgen des Kunſt- lehrers gefolget, haͤlt er dafuͤr, daß das Capitel von den Reimen von ihm nicht habe duͤrffen uͤber- gangen werden. Aus welchem Schluſſe ſcheinet, daß er mehr bekuͤmmert geweſen, ſein Capitel von den Reimen, als die Reimen ſelber zu retten. Hr. Weichmann hatte ſich am meiſten daran geaͤrgert, daß der Zuͤrchiſche Zuſchauer die Rei- men unrecht und eine Narrheit genannt haͤtte. Er J 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/139>, abgerufen am 03.05.2024.