[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.der Critik bey den Deutschen. lassen es nicht allein bey dem ersten Einfall, son-dern auch bey der ersten Redensart bewenden, und wie sie allein zu schreiben scheinen, damit es der Sezer in der Drückerey lesen könne, also ver- ändern sie in ihren Schriften auch nichts, als was dieser darinnen versehen hat. Weise und Francisci, vieler anderer zu geschweigen, hätten sich mit Recht einen Nahmen in Deutschland ge- machet, wenn sie weniger geschrieben hätten: Sie seyn zwey Flüsse, welche wegen ihres schnellen und ungewissen Laufs so viel Schlamm und Unflat mit sich führen, daß man den güldnen Sand der- selben nicht erkennen könne. Mit allen diesen critischen Einsichten und Tu- Tadels
der Critik bey den Deutſchen. laſſen es nicht allein bey dem erſten Einfall, ſon-dern auch bey der erſten Redensart bewenden, und wie ſie allein zu ſchreiben ſcheinen, damit es der Sezer in der Druͤckerey leſen koͤnne, alſo ver- aͤndern ſie in ihren Schriften auch nichts, als was dieſer darinnen verſehen hat. Weiſe und Franciſci, vieler anderer zu geſchweigen, haͤtten ſich mit Recht einen Nahmen in Deutſchland ge- machet, wenn ſie weniger geſchrieben haͤtten: Sie ſeyn zwey Fluͤſſe, welche wegen ihres ſchnellen und ungewiſſen Laufs ſo viel Schlamm und Unflat mit ſich fuͤhren, daß man den guͤldnen Sand der- ſelben nicht erkennen koͤnne. Mit allen dieſen critiſchen Einſichten und Tu- Tadels
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0113" n="111"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Critik bey den Deutſchen.</hi></fw><lb/> laſſen es nicht allein bey dem erſten Einfall, ſon-<lb/> dern auch bey der erſten Redensart bewenden,<lb/> und wie ſie allein zu ſchreiben ſcheinen, damit es<lb/> der Sezer in der Druͤckerey leſen koͤnne, alſo ver-<lb/> aͤndern ſie in ihren Schriften auch nichts, als<lb/> was dieſer darinnen verſehen hat. Weiſe und<lb/> Franciſci, vieler anderer zu geſchweigen, haͤtten<lb/> ſich mit Recht einen Nahmen in Deutſchland ge-<lb/> machet, wenn ſie weniger geſchrieben haͤtten: Sie<lb/> ſeyn zwey Fluͤſſe, welche wegen ihres ſchnellen<lb/> und ungewiſſen Laufs ſo viel Schlamm und Unflat<lb/> mit ſich fuͤhren, daß man den guͤldnen Sand der-<lb/> ſelben nicht erkennen koͤnne.</p><lb/> <p>Mit allen dieſen critiſchen Einſichten und Tu-<lb/> genden hat Wernike nicht vermeiden koͤnnen, daß<lb/> ſeine Strafurtheile nicht ſolche Leute in den Har-<lb/> niſch gejaget, welche in der Poeſie von nichts als<lb/> einem Lohenſtein und Hoffmannswaldau wiſſen,<lb/> und weil ſie in denſelben ohne Unterſcheid alles mit<lb/> Verwunderung leſen, diejenigen mit Zorn und ei-<lb/> nem poetiſchen Amtseifer anſehen, welche ſich un-<lb/> terſtehen, etwas in denſelben zu tadeln. Es hat<lb/> darwieder nicht geholffen, daß er den Verehrern<lb/> Hoffmannswaldaus und Lohenſteins das Exempel<lb/> Homers und Virgils vorgehalten, welche we-<lb/> gen vieler Dinge von vielen groſſen und beruͤhm-<lb/> ten Leuten, und zwar insgemein ohne ihre Schuld,<lb/> getadelt worden. Die Hoͤflichkeit und geziemen-<lb/> de Ehrerweiſung, die er mitten in ſeinen Beſtra-<lb/> fungen gebraucht, haben ihn vor Haſſe nicht bewah-<lb/> ren moͤgen. Das Lob, das er beſagten deutſchen<lb/> Poeten beygeleget, hat ihm keine Vergebung des<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Tadels</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0113]
der Critik bey den Deutſchen.
laſſen es nicht allein bey dem erſten Einfall, ſon-
dern auch bey der erſten Redensart bewenden,
und wie ſie allein zu ſchreiben ſcheinen, damit es
der Sezer in der Druͤckerey leſen koͤnne, alſo ver-
aͤndern ſie in ihren Schriften auch nichts, als
was dieſer darinnen verſehen hat. Weiſe und
Franciſci, vieler anderer zu geſchweigen, haͤtten
ſich mit Recht einen Nahmen in Deutſchland ge-
machet, wenn ſie weniger geſchrieben haͤtten: Sie
ſeyn zwey Fluͤſſe, welche wegen ihres ſchnellen
und ungewiſſen Laufs ſo viel Schlamm und Unflat
mit ſich fuͤhren, daß man den guͤldnen Sand der-
ſelben nicht erkennen koͤnne.
Mit allen dieſen critiſchen Einſichten und Tu-
genden hat Wernike nicht vermeiden koͤnnen, daß
ſeine Strafurtheile nicht ſolche Leute in den Har-
niſch gejaget, welche in der Poeſie von nichts als
einem Lohenſtein und Hoffmannswaldau wiſſen,
und weil ſie in denſelben ohne Unterſcheid alles mit
Verwunderung leſen, diejenigen mit Zorn und ei-
nem poetiſchen Amtseifer anſehen, welche ſich un-
terſtehen, etwas in denſelben zu tadeln. Es hat
darwieder nicht geholffen, daß er den Verehrern
Hoffmannswaldaus und Lohenſteins das Exempel
Homers und Virgils vorgehalten, welche we-
gen vieler Dinge von vielen groſſen und beruͤhm-
ten Leuten, und zwar insgemein ohne ihre Schuld,
getadelt worden. Die Hoͤflichkeit und geziemen-
de Ehrerweiſung, die er mitten in ſeinen Beſtra-
fungen gebraucht, haben ihn vor Haſſe nicht bewah-
ren moͤgen. Das Lob, das er beſagten deutſchen
Poeten beygeleget, hat ihm keine Vergebung des
Tadels
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/113 |
Zitationshilfe: | [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/113>, abgerufen am 22.07.2024. |