Beyfall der izo noch nicht gebohrnen Welt, man zieht das hinfällige Lob, das man bey Le- ben geniesset, dem beständigen vor, das man sich erst nach dem Tod erwerben könnte; oder vielmehr, man will lieber mit elendem Zeuge, das izo gefällt, ein eiteles Lob bey den meh- rern erhalten, als sich mit einem gegründeten Lob etlicher weniger begnügen, die keine Zahl ausmachen. Ein Lob, das wenn es gleich von den Scribenten ihrer Nation auf den höch- sten Gipfel der Schmeicheley erhoben wird, von den mittelmässigen Schriftstellern andrer Nationen ihnen unter Augen auf die spöttlichste Weise vernichtet wird!
Dieses ist mithin eine Haupt-Ursache, daß die aufrichtige und eben so großmüthige als bil- lige Critick nicht so starke Schritte zu ihrer Vollkommenheit thut, als ohnedieß geschehen würde. Die schädlichen Bemühungen derje- nigen, welche ihr allzu helles Licht scheuen, mittelst tausend Kunststreiche, hönischer Aus- legungen, dreister Aussprüche, pöfelhafter Schimpfreden, falscher Auszüge, gelehrter Zu- sammenschwörungen, den freyen Durchbruch critischer Schriften zu hemmen, behalten um so viel leichter die Oberhand, und ihre Par- tey ist noch immer an der Anzahl, wie die Ge- genpartey nur am Gewichte, überlegen.
Wenn
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Beyfall der izo noch nicht gebohrnen Welt, man zieht das hinfaͤllige Lob, das man bey Le- ben genieſſet, dem beſtaͤndigen vor, das man ſich erſt nach dem Tod erwerben koͤnnte; oder vielmehr, man will lieber mit elendem Zeuge, das izo gefaͤllt, ein eiteles Lob bey den meh- rern erhalten, als ſich mit einem gegruͤndeten Lob etlicher weniger begnuͤgen, die keine Zahl ausmachen. Ein Lob, das wenn es gleich von den Scribenten ihrer Nation auf den hoͤch- ſten Gipfel der Schmeicheley erhoben wird, von den mittelmaͤſſigen Schriftſtellern andrer Nationen ihnen unter Augen auf die ſpoͤttlichſte Weiſe vernichtet wird!
Dieſes iſt mithin eine Haupt-Urſache, daß die aufrichtige und eben ſo großmuͤthige als bil- lige Critick nicht ſo ſtarke Schritte zu ihrer Vollkommenheit thut, als ohnedieß geſchehen wuͤrde. Die ſchaͤdlichen Bemuͤhungen derje- nigen, welche ihr allzu helles Licht ſcheuen, mittelſt tauſend Kunſtſtreiche, hoͤniſcher Aus- legungen, dreiſter Ausſpruͤche, poͤfelhafter Schimpfreden, falſcher Auszuͤge, gelehrter Zu- ſammenſchwoͤrungen, den freyen Durchbruch critiſcher Schriften zu hemmen, behalten um ſo viel leichter die Oberhand, und ihre Par- tey iſt noch immer an der Anzahl, wie die Ge- genpartey nur am Gewichte, uͤberlegen.
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[0009]
Beyfall der izo noch nicht gebohrnen Welt,
man zieht das hinfaͤllige Lob, das man bey Le-
ben genieſſet, dem beſtaͤndigen vor, das man
ſich erſt nach dem Tod erwerben koͤnnte; oder
vielmehr, man will lieber mit elendem Zeuge,
das izo gefaͤllt, ein eiteles Lob bey den meh-
rern erhalten, als ſich mit einem gegruͤndeten
Lob etlicher weniger begnuͤgen, die keine Zahl
ausmachen. Ein Lob, das wenn es gleich
von den Scribenten ihrer Nation auf den hoͤch-
ſten Gipfel der Schmeicheley erhoben wird,
von den mittelmaͤſſigen Schriftſtellern andrer
Nationen ihnen unter Augen auf die ſpoͤttlichſte
Weiſe vernichtet wird!
Dieſes iſt mithin eine Haupt-Urſache, daß
die aufrichtige und eben ſo großmuͤthige als bil-
lige Critick nicht ſo ſtarke Schritte zu ihrer
Vollkommenheit thut, als ohnedieß geſchehen
wuͤrde. Die ſchaͤdlichen Bemuͤhungen derje-
nigen, welche ihr allzu helles Licht ſcheuen,
mittelſt tauſend Kunſtſtreiche, hoͤniſcher Aus-
legungen, dreiſter Ausſpruͤche, poͤfelhafter
Schimpfreden, falſcher Auszuͤge, gelehrter Zu-
ſammenſchwoͤrungen, den freyen Durchbruch
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/9>, abgerufen am 27.07.2024.
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