Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Johann Miltons
niemahls wohnen kan, die Hoffnung, die an
alle Orte kömmt, sich niemahls einfindet; son-
dern Qual ohne Ende unaufhörlich auf die Ein-
wohner zuschlägt, und eine feurige Sündflut
ströhmt, welche sich von einem ewigbrennenden
Schwefel, der niemahls verzehret wird, unter-
hält. Diesen Platz hat die ewige Gerechtigkeit
für diese Rebellen zubereitet, ihnen hier in der
äussersten Finsterniß ihr Gefängniß verordnet,
und ihr Theil hier angewiesen, dreymahl so fer-
ne von Gott und dem Lichte des Himmels, als
der höchste Polus von dem Mittelpunct entfernt
ist. O wie ist dieser Platz demjenigen so un-
gleich, von dem sie fielen! Daselbst erkennet
er bald die Mitgesellen seines Falls, die mit
Ströhmen und Wirbelwinden von stürmerischem
Feuer überschwemmt lagen. Nächst an seiner
Seite sieht er sich einen überwerffen, der an
Macht und Boßheit zunächst auf ihn folgete, wel-
cher lange hernach in Palestina bekannt worden,
und Beelzebub geheissen ward. Denselben re-

dete
Die mit Ströhmen und Wirbelwinden von stürmerischem
Feuer überschwemmt lagen) Der feurige Meerbusem, der
flammende Ofen, die Sündflut von Feuer, der ewig-
brennende Schwefel, die äusserste Finsterniß, die Wirbel-
winde von Feuer, sind alles bekannte und geläuftige Be-
griffe von der Hölle. Mithin sind sie gantz irdisch und cör-
perlich; ungeachtet die Dinge selbst, wie die Wesen, auf
welche sie würcken, von geistlicher Natur sind. Was man
demnach zur Vertheidigung derselben sagen kan, dienet
zugleich zur Rechtfertigung der cörperlichen Gestalten, in
welche die Einwohner dieser geistlichen Gegenden verklei-
det werden.

Johann Miltons
niemahls wohnen kan, die Hoffnung, die an
alle Orte koͤmmt, ſich niemahls einfindet; ſon-
dern Qual ohne Ende unaufhoͤrlich auf die Ein-
wohner zuſchlaͤgt, und eine feurige Suͤndflut
ſtroͤhmt, welche ſich von einem ewigbrennenden
Schwefel, der niemahls verzehret wird, unter-
haͤlt. Dieſen Platz hat die ewige Gerechtigkeit
fuͤr dieſe Rebellen zubereitet, ihnen hier in der
aͤuſſerſten Finſterniß ihr Gefaͤngniß verordnet,
und ihr Theil hier angewieſen, dreymahl ſo fer-
ne von Gott und dem Lichte des Himmels, als
der hoͤchſte Polus von dem Mittelpunct entfernt
iſt. O wie iſt dieſer Platz demjenigen ſo un-
gleich, von dem ſie fielen! Daſelbſt erkennet
er bald die Mitgeſellen ſeines Falls, die mit
Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem
Feuer uͤberſchwemmt lagen. Naͤchſt an ſeiner
Seite ſieht er ſich einen uͤberwerffen, der an
Macht und Boßheit zunaͤchſt auf ihn folgete, wel-
cher lange hernach in Paleſtina bekannt worden,
und Beelzebub geheiſſen ward. Denſelben re-

dete
Die mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem
Feuer uͤberſchwemmt lagen) Der feurige Meerbuſem, der
flammende Ofen, die Suͤndflut von Feuer, der ewig-
brennende Schwefel, die aͤuſſerſte Finſterniß, die Wirbel-
winde von Feuer, ſind alles bekannte und gelaͤuftige Be-
griffe von der Hoͤlle. Mithin ſind ſie gantz irdiſch und coͤr-
perlich; ungeachtet die Dinge ſelbſt, wie die Weſen, auf
welche ſie wuͤrcken, von geiſtlicher Natur ſind. Was man
demnach zur Vertheidigung derſelben ſagen kan, dienet
zugleich zur Rechtfertigung der coͤrperlichen Geſtalten, in
welche die Einwohner dieſer geiſtlichen Gegenden verklei-
det werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Johann Miltons</hi></fw><lb/>
niemahls wohnen kan, die Hoffnung, die an<lb/>
alle Orte ko&#x0364;mmt, &#x017F;ich niemahls einfindet; &#x017F;on-<lb/>
dern Qual ohne Ende unaufho&#x0364;rlich auf die Ein-<lb/>
wohner zu&#x017F;chla&#x0364;gt, und eine feurige Su&#x0364;ndflut<lb/>
&#x017F;tro&#x0364;hmt, welche &#x017F;ich von einem ewigbrennenden<lb/>
Schwefel, der niemahls verzehret wird, unter-<lb/>
ha&#x0364;lt. Die&#x017F;en Platz hat die ewige Gerechtigkeit<lb/>
fu&#x0364;r die&#x017F;e Rebellen zubereitet, ihnen hier in der<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Fin&#x017F;terniß ihr Gefa&#x0364;ngniß verordnet,<lb/>
und ihr Theil hier angewie&#x017F;en, dreymahl &#x017F;o fer-<lb/>
ne von Gott und dem Lichte des Himmels, als<lb/>
der ho&#x0364;ch&#x017F;te Polus von dem Mittelpunct entfernt<lb/>
i&#x017F;t. O wie i&#x017F;t die&#x017F;er Platz demjenigen &#x017F;o un-<lb/>
gleich, von dem &#x017F;ie fielen! Da&#x017F;elb&#x017F;t erkennet<lb/>
er bald die Mitge&#x017F;ellen &#x017F;eines Falls, die mit<lb/>
Stro&#x0364;hmen und Wirbelwinden von &#x017F;tu&#x0364;rmeri&#x017F;chem<lb/>
Feuer u&#x0364;ber&#x017F;chwemmt lagen. Na&#x0364;ch&#x017F;t an &#x017F;einer<lb/>
Seite &#x017F;ieht er &#x017F;ich einen u&#x0364;berwerffen, der an<lb/>
Macht und Boßheit zuna&#x0364;ch&#x017F;t auf ihn folgete, wel-<lb/>
cher lange hernach in Pale&#x017F;tina bekannt worden,<lb/>
und Beelzebub gehei&#x017F;&#x017F;en ward. Den&#x017F;elben re-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dete</fw><lb/><note place="foot">Die mit Stro&#x0364;hmen und Wirbelwinden von &#x017F;tu&#x0364;rmeri&#x017F;chem<lb/>
Feuer u&#x0364;ber&#x017F;chwemmt lagen) Der feurige Meerbu&#x017F;em, der<lb/>
flammende Ofen, die Su&#x0364;ndflut von Feuer, der ewig-<lb/>
brennende Schwefel, die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te Fin&#x017F;terniß, die Wirbel-<lb/>
winde von Feuer, &#x017F;ind alles bekannte und gela&#x0364;uftige Be-<lb/>
griffe von der Ho&#x0364;lle. Mithin &#x017F;ind &#x017F;ie gantz irdi&#x017F;ch und co&#x0364;r-<lb/>
perlich; ungeachtet die Dinge &#x017F;elb&#x017F;t, wie die We&#x017F;en, auf<lb/>
welche &#x017F;ie wu&#x0364;rcken, von gei&#x017F;tlicher Natur &#x017F;ind. Was man<lb/>
demnach zur Vertheidigung der&#x017F;elben &#x017F;agen kan, dienet<lb/>
zugleich zur Rechtfertigung der co&#x0364;rperlichen Ge&#x017F;talten, in<lb/>
welche die Einwohner die&#x017F;er gei&#x017F;tlichen Gegenden verklei-<lb/>
det werden.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0022] Johann Miltons niemahls wohnen kan, die Hoffnung, die an alle Orte koͤmmt, ſich niemahls einfindet; ſon- dern Qual ohne Ende unaufhoͤrlich auf die Ein- wohner zuſchlaͤgt, und eine feurige Suͤndflut ſtroͤhmt, welche ſich von einem ewigbrennenden Schwefel, der niemahls verzehret wird, unter- haͤlt. Dieſen Platz hat die ewige Gerechtigkeit fuͤr dieſe Rebellen zubereitet, ihnen hier in der aͤuſſerſten Finſterniß ihr Gefaͤngniß verordnet, und ihr Theil hier angewieſen, dreymahl ſo fer- ne von Gott und dem Lichte des Himmels, als der hoͤchſte Polus von dem Mittelpunct entfernt iſt. O wie iſt dieſer Platz demjenigen ſo un- gleich, von dem ſie fielen! Daſelbſt erkennet er bald die Mitgeſellen ſeines Falls, die mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem Feuer uͤberſchwemmt lagen. Naͤchſt an ſeiner Seite ſieht er ſich einen uͤberwerffen, der an Macht und Boßheit zunaͤchſt auf ihn folgete, wel- cher lange hernach in Paleſtina bekannt worden, und Beelzebub geheiſſen ward. Denſelben re- dete Die mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem Feuer uͤberſchwemmt lagen) Der feurige Meerbuſem, der flammende Ofen, die Suͤndflut von Feuer, der ewig- brennende Schwefel, die aͤuſſerſte Finſterniß, die Wirbel- winde von Feuer, ſind alles bekannte und gelaͤuftige Be- griffe von der Hoͤlle. Mithin ſind ſie gantz irdiſch und coͤr- perlich; ungeachtet die Dinge ſelbſt, wie die Weſen, auf welche ſie wuͤrcken, von geiſtlicher Natur ſind. Was man demnach zur Vertheidigung derſelben ſagen kan, dienet zugleich zur Rechtfertigung der coͤrperlichen Geſtalten, in welche die Einwohner dieſer geiſtlichen Gegenden verklei- det werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/22
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/22>, abgerufen am 18.12.2024.