hoheit und Statsgewalt seines eigenen Landes unterthan ist. Die nationale Flagge bezeichnet den Staat, dem das Schiff angehört. Es wird betrachtet wie ein schwimmender Theil des betreffenden Staatsgebiets. Es war da- her nur folgerichtig, das feindliche Privateigenthum in neutralen Schiffen ebenso zu achten, wie wenn es in dem neutralen Lande wäre. Der Krieg darf das neutrale Gebiet nicht antasten. Es ist Friedensland. Die Kriegs- contrebande macht deshalb eine Ausnahme, weil sie der Kriegspartei als solcher zu Kriegszwecken zugeführt wird. Im Uebrigen gilt nun der Satz: "Frei Schiff, frei Gut".
b) Ueberdem soll die "neutrale Waare" auch auf feindlichem Schiffe gegen das Prisenrecht gesichert werden, d. h. das Beuterecht darf nur auf feindliche Schiffe und auf Waaren der feindlichen Nation auf feindlichen Schiffen angewendet werden. Auf "unfreiem Schiff" kann es also "freies Gut" geben.
4. Endlich hat der Pariser Congreß von 1856 auch das oft un- mäßig geübte Blokaderecht durch die Bedingung beschränkt, daß die Blo- kade "wirksam" sein müsse, um anerkannt zu werden, d. h. die Seesperre gilt nur insoweit, als die Seemacht, welche sie im Kriege anordnet, dieselbe auch thatsächlich und mit fortgesetztem Erfolg handhabt, also nicht, wenn es ihr an den nöthigen Kriegsschiffen mangelt, um die Ein- und Ausfahrt in den blokirten Hafen durchweg zu verhindern.
Es sind das Alles bedeutende Ermäßigungen des hergebrachten Raub- rechtes der Seebeute. Aber ein wahrhaft civilisirtes Seekriegsrecht wird erst dann vorhanden sein, wenn die ganze Seebeute ebenso im Princip untersagt wird, wie die Beute im Landkrieg, wenn Schiffe und Waaren der friedlichen Rheder und Kaufleute zur See ebenso sicher sind, wie die Habe der Bewohner des Landes. Diese Fortbildung des Völkerrechts wird nicht mehr lange ausbleiben. Auch die Seemächte, welche bisher der For- derung des natürlichen Rechts keine Folge gegeben und der Macht der Logik sich nicht gefügt haben, werden schließlich der lauten Stimme der eigenen Interessen Gehör geben. Das Beuterecht, das gegen die fremden Schiffe und Waaren verübt wird, gefährdet und verletzt nicht blos das Vermögen der feindlichen, sondern ebenso der eigenen Nation, denn Handel und Verkehr sind immer wechselseitig. Auch der Handel und der Credit der eigenen Kaufleute leidet schwer in Folge dieser barbarischen Ueberspan- nung der Kriegsübel; und volle Sicherheit hat auch ihr eigenes Privat- eigenthum erst dann, wenn alles Privateigenthum geachtet wird. Seit den
Einleitung.
hoheit und Statsgewalt ſeines eigenen Landes unterthan iſt. Die nationale Flagge bezeichnet den Staat, dem das Schiff angehört. Es wird betrachtet wie ein ſchwimmender Theil des betreffenden Staatsgebiets. Es war da- her nur folgerichtig, das feindliche Privateigenthum in neutralen Schiffen ebenſo zu achten, wie wenn es in dem neutralen Lande wäre. Der Krieg darf das neutrale Gebiet nicht antaſten. Es iſt Friedensland. Die Kriegs- contrebande macht deshalb eine Ausnahme, weil ſie der Kriegspartei als ſolcher zu Kriegszwecken zugeführt wird. Im Uebrigen gilt nun der Satz: „Frei Schiff, frei Gut“.
b) Ueberdem ſoll die „neutrale Waare“ auch auf feindlichem Schiffe gegen das Priſenrecht geſichert werden, d. h. das Beuterecht darf nur auf feindliche Schiffe und auf Waaren der feindlichen Nation auf feindlichen Schiffen angewendet werden. Auf „unfreiem Schiff“ kann es alſo „freies Gut“ geben.
4. Endlich hat der Pariſer Congreß von 1856 auch das oft un- mäßig geübte Blokaderecht durch die Bedingung beſchränkt, daß die Blo- kade „wirkſam“ ſein müſſe, um anerkannt zu werden, d. h. die Seeſperre gilt nur inſoweit, als die Seemacht, welche ſie im Kriege anordnet, dieſelbe auch thatſächlich und mit fortgeſetztem Erfolg handhabt, alſo nicht, wenn es ihr an den nöthigen Kriegsſchiffen mangelt, um die Ein- und Ausfahrt in den blokirten Hafen durchweg zu verhindern.
Es ſind das Alles bedeutende Ermäßigungen des hergebrachten Raub- rechtes der Seebeute. Aber ein wahrhaft civiliſirtes Seekriegsrecht wird erſt dann vorhanden ſein, wenn die ganze Seebeute ebenſo im Princip unterſagt wird, wie die Beute im Landkrieg, wenn Schiffe und Waaren der friedlichen Rheder und Kaufleute zur See ebenſo ſicher ſind, wie die Habe der Bewohner des Landes. Dieſe Fortbildung des Völkerrechts wird nicht mehr lange ausbleiben. Auch die Seemächte, welche bisher der For- derung des natürlichen Rechts keine Folge gegeben und der Macht der Logik ſich nicht gefügt haben, werden ſchließlich der lauten Stimme der eigenen Intereſſen Gehör geben. Das Beuterecht, das gegen die fremden Schiffe und Waaren verübt wird, gefährdet und verletzt nicht blos das Vermögen der feindlichen, ſondern ebenſo der eigenen Nation, denn Handel und Verkehr ſind immer wechſelſeitig. Auch der Handel und der Credit der eigenen Kaufleute leidet ſchwer in Folge dieſer barbariſchen Ueberſpan- nung der Kriegsübel; und volle Sicherheit hat auch ihr eigenes Privat- eigenthum erſt dann, wenn alles Privateigenthum geachtet wird. Seit den
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Einleitung.
hoheit und Statsgewalt ſeines eigenen Landes unterthan iſt. Die nationale
Flagge bezeichnet den Staat, dem das Schiff angehört. Es wird betrachtet
wie ein ſchwimmender Theil des betreffenden Staatsgebiets. Es war da-
her nur folgerichtig, das feindliche Privateigenthum in neutralen Schiffen
ebenſo zu achten, wie wenn es in dem neutralen Lande wäre. Der Krieg
darf das neutrale Gebiet nicht antaſten. Es iſt Friedensland. Die Kriegs-
contrebande macht deshalb eine Ausnahme, weil ſie der Kriegspartei als
ſolcher zu Kriegszwecken zugeführt wird. Im Uebrigen gilt nun der Satz:
„Frei Schiff, frei Gut“.
b) Ueberdem ſoll die „neutrale Waare“ auch auf feindlichem
Schiffe gegen das Priſenrecht geſichert werden, d. h. das Beuterecht darf
nur auf feindliche Schiffe und auf Waaren der feindlichen Nation auf
feindlichen Schiffen angewendet werden. Auf „unfreiem Schiff“ kann es
alſo „freies Gut“ geben.
4. Endlich hat der Pariſer Congreß von 1856 auch das oft un-
mäßig geübte Blokaderecht durch die Bedingung beſchränkt, daß die Blo-
kade „wirkſam“ ſein müſſe, um anerkannt zu werden, d. h. die Seeſperre
gilt nur inſoweit, als die Seemacht, welche ſie im Kriege anordnet, dieſelbe
auch thatſächlich und mit fortgeſetztem Erfolg handhabt, alſo nicht, wenn
es ihr an den nöthigen Kriegsſchiffen mangelt, um die Ein- und Ausfahrt
in den blokirten Hafen durchweg zu verhindern.
Es ſind das Alles bedeutende Ermäßigungen des hergebrachten Raub-
rechtes der Seebeute. Aber ein wahrhaft civiliſirtes Seekriegsrecht wird
erſt dann vorhanden ſein, wenn die ganze Seebeute ebenſo im Princip
unterſagt wird, wie die Beute im Landkrieg, wenn Schiffe und Waaren
der friedlichen Rheder und Kaufleute zur See ebenſo ſicher ſind, wie die
Habe der Bewohner des Landes. Dieſe Fortbildung des Völkerrechts wird
nicht mehr lange ausbleiben. Auch die Seemächte, welche bisher der For-
derung des natürlichen Rechts keine Folge gegeben und der Macht der
Logik ſich nicht gefügt haben, werden ſchließlich der lauten Stimme der
eigenen Intereſſen Gehör geben. Das Beuterecht, das gegen die fremden
Schiffe und Waaren verübt wird, gefährdet und verletzt nicht blos das
Vermögen der feindlichen, ſondern ebenſo der eigenen Nation, denn Handel
und Verkehr ſind immer wechſelſeitig. Auch der Handel und der Credit
der eigenen Kaufleute leidet ſchwer in Folge dieſer barbariſchen Ueberſpan-
nung der Kriegsübel; und volle Sicherheit hat auch ihr eigenes Privat-
eigenthum erſt dann, wenn alles Privateigenthum geachtet wird. Seit den
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/65>, abgerufen am 16.07.2024.
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