Allerdings wer an dem Kampfe Theil nimmt, freiwillig oder ge- zwungen, der ist den Gefahren des Kampfes Preis gegeben und dieser Kampf wird auf Leben und Tod geführt. So weit das natürliche Recht des Kampfes reicht, so weit muß auch das Recht gehen, den kämpfenden Feind zu tödten, aber nicht weiter. Jenes Recht aber ist bedingt durch die rechtliche Bedeutung und begränzt durch den Zweck des Kriegs. Nie- mals darf der Krieg mit seiner furchtbaren Gewalt selber Zweck sein. Er ist immer nur statliche Rechtshülfe und ein Mittel für Statszwecke. Des- halb ist die Kriegsgewalt keine absolute. Sie findet demnach von Rechts wegen ihre Gränze und ihr Ende, wo sie nicht mehr dem Statszweck dient.
Es ist daher erlaubt, den Feind, der Widerstand leistet, mit tödt- lichen Geschossen zum Weichen zu nöthigen, erlaubt, den bewehrten Gegner im Einzelkampfe zu tödten, erlaubt, den fliehenden Feind zu verfolgen, weil das Alles nöthig ist, um den Sieg zu erstreiten und zu sichern. Aber es ist nicht erlaubt, den Feind, der seine Waffen ablegt und sich ergiebt, oder der verwundet auf dem Schlachtfelde liegt und unfähig ist, den Kampf fortzusetzen, und nicht erlaubt, die Aerzte, Feldgeistlichen und andere Nichtkämpfer einzeln zu tödten, weil das nicht nöthig ist, um den Sieg zu gewinnen, die unzweckmäßige Tödtung aber rohe Grausamkeit wäre. Die kriegerische Gewalt darf nicht dem zügellosen Hasse und wilder Rach- sucht dienen, denn sie ist Rechtshülfe und Statsgewalt. Dies Gebot der Menschlichkeit darf auch nicht von der aufgeregten Wuth der kriegerischen Leidenschaft überhört werden. Der militärische Befehl, "keinen Pardon zu geben und Alles niederzumachen", ist eine völkerrechtswidrige Barbarei und wird nur als Repressalie noch und zur Abwendung eigener äußerster Lebensgefahr zugelassen. Auch hier ist es wieder Vattel, welcher die humaneren Grundsätze des neuen Völkerrechts zuerst mit Erfolg vertheidigt hat. Um dieses Verdienstes willen um die Civilisation gebührt ihm eine hohe Stelle unter den Lehrern und Förderern des Völkerrechts.
Mit großem Nachdruck und Eifer für militärische Ehre bestreitet er auch den absurden Satz der früheren Schriftsteller, daß man dem hart- näckigen Vertheidiger eines festen Platzes den Tod als Strafe drohen dürfe, wenn er denselben nicht übergebe. Die Tapferkeit des Feindes wird nie- mals ein strafwürdiges Verbrechen, auch nicht, wenn sie eine vielleicht un- haltbare Stellung zu behaupten sucht. Während des Kampfes ist Schonung nicht am Platze und, wer sein eigenes Leben einsetzt, mit dem darf man
Einleitung.
Allerdings wer an dem Kampfe Theil nimmt, freiwillig oder ge- zwungen, der iſt den Gefahren des Kampfes Preis gegeben und dieſer Kampf wird auf Leben und Tod geführt. So weit das natürliche Recht des Kampfes reicht, ſo weit muß auch das Recht gehen, den kämpfenden Feind zu tödten, aber nicht weiter. Jenes Recht aber iſt bedingt durch die rechtliche Bedeutung und begränzt durch den Zweck des Kriegs. Nie- mals darf der Krieg mit ſeiner furchtbaren Gewalt ſelber Zweck ſein. Er iſt immer nur ſtatliche Rechtshülfe und ein Mittel für Statszwecke. Des- halb iſt die Kriegsgewalt keine abſolute. Sie findet demnach von Rechts wegen ihre Gränze und ihr Ende, wo ſie nicht mehr dem Statszweck dient.
Es iſt daher erlaubt, den Feind, der Widerſtand leiſtet, mit tödt- lichen Geſchoſſen zum Weichen zu nöthigen, erlaubt, den bewehrten Gegner im Einzelkampfe zu tödten, erlaubt, den fliehenden Feind zu verfolgen, weil das Alles nöthig iſt, um den Sieg zu erſtreiten und zu ſichern. Aber es iſt nicht erlaubt, den Feind, der ſeine Waffen ablegt und ſich ergiebt, oder der verwundet auf dem Schlachtfelde liegt und unfähig iſt, den Kampf fortzuſetzen, und nicht erlaubt, die Aerzte, Feldgeiſtlichen und andere Nichtkämpfer einzeln zu tödten, weil das nicht nöthig iſt, um den Sieg zu gewinnen, die unzweckmäßige Tödtung aber rohe Grauſamkeit wäre. Die kriegeriſche Gewalt darf nicht dem zügelloſen Haſſe und wilder Rach- ſucht dienen, denn ſie iſt Rechtshülfe und Statsgewalt. Dies Gebot der Menſchlichkeit darf auch nicht von der aufgeregten Wuth der kriegeriſchen Leidenſchaft überhört werden. Der militäriſche Befehl, „keinen Pardon zu geben und Alles niederzumachen“, iſt eine völkerrechtswidrige Barbarei und wird nur als Repreſſalie noch und zur Abwendung eigener äußerſter Lebensgefahr zugelaſſen. Auch hier iſt es wieder Vattel, welcher die humaneren Grundſätze des neuen Völkerrechts zuerſt mit Erfolg vertheidigt hat. Um dieſes Verdienſtes willen um die Civiliſation gebührt ihm eine hohe Stelle unter den Lehrern und Förderern des Völkerrechts.
Mit großem Nachdruck und Eifer für militäriſche Ehre beſtreitet er auch den abſurden Satz der früheren Schriftſteller, daß man dem hart- näckigen Vertheidiger eines feſten Platzes den Tod als Strafe drohen dürfe, wenn er denſelben nicht übergebe. Die Tapferkeit des Feindes wird nie- mals ein ſtrafwürdiges Verbrechen, auch nicht, wenn ſie eine vielleicht un- haltbare Stellung zu behaupten ſucht. Während des Kampfes iſt Schonung nicht am Platze und, wer ſein eigenes Leben einſetzt, mit dem darf man
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Einleitung.
Allerdings wer an dem Kampfe Theil nimmt, freiwillig oder ge-
zwungen, der iſt den Gefahren des Kampfes Preis gegeben und dieſer
Kampf wird auf Leben und Tod geführt. So weit das natürliche Recht
des Kampfes reicht, ſo weit muß auch das Recht gehen, den kämpfenden
Feind zu tödten, aber nicht weiter. Jenes Recht aber iſt bedingt durch
die rechtliche Bedeutung und begränzt durch den Zweck des Kriegs. Nie-
mals darf der Krieg mit ſeiner furchtbaren Gewalt ſelber Zweck ſein. Er
iſt immer nur ſtatliche Rechtshülfe und ein Mittel für Statszwecke. Des-
halb iſt die Kriegsgewalt keine abſolute. Sie findet demnach von Rechts
wegen ihre Gränze und ihr Ende, wo ſie nicht mehr dem Statszweck
dient.
Es iſt daher erlaubt, den Feind, der Widerſtand leiſtet, mit tödt-
lichen Geſchoſſen zum Weichen zu nöthigen, erlaubt, den bewehrten Gegner
im Einzelkampfe zu tödten, erlaubt, den fliehenden Feind zu verfolgen,
weil das Alles nöthig iſt, um den Sieg zu erſtreiten und zu ſichern. Aber
es iſt nicht erlaubt, den Feind, der ſeine Waffen ablegt und ſich ergiebt,
oder der verwundet auf dem Schlachtfelde liegt und unfähig iſt, den
Kampf fortzuſetzen, und nicht erlaubt, die Aerzte, Feldgeiſtlichen und andere
Nichtkämpfer einzeln zu tödten, weil das nicht nöthig iſt, um den Sieg
zu gewinnen, die unzweckmäßige Tödtung aber rohe Grauſamkeit wäre.
Die kriegeriſche Gewalt darf nicht dem zügelloſen Haſſe und wilder Rach-
ſucht dienen, denn ſie iſt Rechtshülfe und Statsgewalt. Dies Gebot der
Menſchlichkeit darf auch nicht von der aufgeregten Wuth der kriegeriſchen
Leidenſchaft überhört werden. Der militäriſche Befehl, „keinen Pardon zu
geben und Alles niederzumachen“, iſt eine völkerrechtswidrige Barbarei und
wird nur als Repreſſalie noch und zur Abwendung eigener äußerſter
Lebensgefahr zugelaſſen. Auch hier iſt es wieder Vattel, welcher die
humaneren Grundſätze des neuen Völkerrechts zuerſt mit Erfolg vertheidigt
hat. Um dieſes Verdienſtes willen um die Civiliſation gebührt ihm eine
hohe Stelle unter den Lehrern und Förderern des Völkerrechts.
Mit großem Nachdruck und Eifer für militäriſche Ehre beſtreitet er
auch den abſurden Satz der früheren Schriftſteller, daß man dem hart-
näckigen Vertheidiger eines feſten Platzes den Tod als Strafe drohen dürfe,
wenn er denſelben nicht übergebe. Die Tapferkeit des Feindes wird nie-
mals ein ſtrafwürdiges Verbrechen, auch nicht, wenn ſie eine vielleicht un-
haltbare Stellung zu behaupten ſucht. Während des Kampfes iſt Schonung
nicht am Platze und, wer ſein eigenes Leben einſetzt, mit dem darf man
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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