Fall die Zufuhr dann thatsächlich gehemmt werden, wenn aus den Um- ständen die Verwendung zur Kriegsführung als eine nahe und ernste Gefahr erscheint.
1. Die Wegnahme der Kriegscontrebande rechtfertigt sich als Kriegsrecht nur dann gegen Neutrale, wenn diese Kriegshülfe gewähren, d. h. eine feindliche Handlung begehen, nicht aber, wenn diese nur ein friedliches Han- delsgeschäft vollziehn. Aber die Gefahr der Verwendung für die feindliche Kriegs- führung und daher für die Verstärkung des Feindes kann so groß und dringend sein, daß die kriegführende Macht veranlaßt ist, solchen Verkehr in Kriegs- zeiten zu verhindern. Die Waare erscheint dann zwar ohne Schuld ihres Eigenthümers und ohne Schuld des Schiffers gleichsam als "zufällige" Contre- bande. Sie darf nicht confiscirt werden, weil keine Schuld dazu berechtigt, aber ihre Verwendung zu Gunsten des Feindes darf gehindert werden, weil das Bedürfniß der Kriegsführung es erfordert. Das gilt z. B. auch von der Zu- fuhr von Brennkohlen in einen Seehafen, wo die feindliche Kriegsflotte vor Anker liegt. Ist dieselbe beabsichtigt zur Ausrüstung der Flotte, so wird sie mit Recht weggenommen, ist sie nicht beabsichtigt, aber würde derselbe Effekt erreicht, wenn man sie ungehindert ihre Bestimmung erreichen ließe, so ist eine wirksame Be- schlagnahme, gegen Entschädigung der Eigenthümer, wohl gerecht- fertigt.
2. Die Gerechtigkeit erfordert, daß hier das friedliche Handelsrecht und das unvermeidliche Kriegsrecht mit einander ausgeglichen werden. Der Handel hat nur den Gewinn, nicht den Sieg einer Kriegspartei vor Augen. Den Kaufleuten ist es gleichgültig, wozu ihre Waaren verwendet werden; ihnen liegt nur daran, daß sie zu möglichst günstigen Preisen je nach Umständen verkauft oder gekauft werden. Insofern werden viele Verträge der Art nicht zur Kriegshülfe gemacht, und nur wenn die Waare ihrer Natur nach ausschließlich für den Krieg bestimmt ist (§ 804) wird diese Einrede der Kaufleute nicht weiter zu beachten, son- dern unbedenklich auf unzweifelhafte Contrebande zu schließen sein. Bei den Waaren ancipitis usus hat jene Einrede der friedlichen Absicht einen guten Sinn. Die Kriegsmacht aber muß umgekehrt dafür sorgen, daß nicht die feindliche Macht eine Verstärkung erhalte, gleichviel ob die Absicht derer, welche die Ver- stärkung zuführen, friedlich oder feindlich sei. Vgl. Dana Anm. zu WheatonInt. L. § 501 und die englische Geheimerathsverordnung vom 18. Febr. 1854 bei PhillimoreIII. § 266.
807.
Es ist wider die gute Sitte, die Zufuhr von Lebensmitteln als Kriegscontrebande zu behandeln, wenn gleich dieselbe zur Ernährung des feindlichen Heeres dient. Aber die Kriegsgewalt ist berechtigt, einen bela-
Recht der Neutralität.
Fall die Zufuhr dann thatſächlich gehemmt werden, wenn aus den Um- ſtänden die Verwendung zur Kriegsführung als eine nahe und ernſte Gefahr erſcheint.
1. Die Wegnahme der Kriegscontrebande rechtfertigt ſich als Kriegsrecht nur dann gegen Neutrale, wenn dieſe Kriegshülfe gewähren, d. h. eine feindliche Handlung begehen, nicht aber, wenn dieſe nur ein friedliches Han- delsgeſchäft vollziehn. Aber die Gefahr der Verwendung für die feindliche Kriegs- führung und daher für die Verſtärkung des Feindes kann ſo groß und dringend ſein, daß die kriegführende Macht veranlaßt iſt, ſolchen Verkehr in Kriegs- zeiten zu verhindern. Die Waare erſcheint dann zwar ohne Schuld ihres Eigenthümers und ohne Schuld des Schiffers gleichſam als „zufällige“ Contre- bande. Sie darf nicht confiscirt werden, weil keine Schuld dazu berechtigt, aber ihre Verwendung zu Gunſten des Feindes darf gehindert werden, weil das Bedürfniß der Kriegsführung es erfordert. Das gilt z. B. auch von der Zu- fuhr von Brennkohlen in einen Seehafen, wo die feindliche Kriegsflotte vor Anker liegt. Iſt dieſelbe beabſichtigt zur Ausrüſtung der Flotte, ſo wird ſie mit Recht weggenommen, iſt ſie nicht beabſichtigt, aber würde derſelbe Effekt erreicht, wenn man ſie ungehindert ihre Beſtimmung erreichen ließe, ſo iſt eine wirkſame Be- ſchlagnahme, gegen Entſchädigung der Eigenthümer, wohl gerecht- fertigt.
2. Die Gerechtigkeit erfordert, daß hier das friedliche Handelsrecht und das unvermeidliche Kriegsrecht mit einander ausgeglichen werden. Der Handel hat nur den Gewinn, nicht den Sieg einer Kriegspartei vor Augen. Den Kaufleuten iſt es gleichgültig, wozu ihre Waaren verwendet werden; ihnen liegt nur daran, daß ſie zu möglichſt günſtigen Preiſen je nach Umſtänden verkauft oder gekauft werden. Inſofern werden viele Verträge der Art nicht zur Kriegshülfe gemacht, und nur wenn die Waare ihrer Natur nach ausſchließlich für den Krieg beſtimmt iſt (§ 804) wird dieſe Einrede der Kaufleute nicht weiter zu beachten, ſon- dern unbedenklich auf unzweifelhafte Contrebande zu ſchließen ſein. Bei den Waaren ancipitis usus hat jene Einrede der friedlichen Abſicht einen guten Sinn. Die Kriegsmacht aber muß umgekehrt dafür ſorgen, daß nicht die feindliche Macht eine Verſtärkung erhalte, gleichviel ob die Abſicht derer, welche die Ver- ſtärkung zuführen, friedlich oder feindlich ſei. Vgl. Dana Anm. zu WheatonInt. L. § 501 und die engliſche Geheimerathsverordnung vom 18. Febr. 1854 bei PhillimoreIII. § 266.
807.
Es iſt wider die gute Sitte, die Zufuhr von Lebensmitteln als Kriegscontrebande zu behandeln, wenn gleich dieſelbe zur Ernährung des feindlichen Heeres dient. Aber die Kriegsgewalt iſt berechtigt, einen bela-
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Recht der Neutralität.
Fall die Zufuhr dann thatſächlich gehemmt werden, wenn aus den Um-
ſtänden die Verwendung zur Kriegsführung als eine nahe und ernſte
Gefahr erſcheint.
1. Die Wegnahme der Kriegscontrebande rechtfertigt ſich als
Kriegsrecht nur dann gegen Neutrale, wenn dieſe Kriegshülfe gewähren, d. h. eine
feindliche Handlung begehen, nicht aber, wenn dieſe nur ein friedliches Han-
delsgeſchäft vollziehn. Aber die Gefahr der Verwendung für die feindliche Kriegs-
führung und daher für die Verſtärkung des Feindes kann ſo groß und dringend
ſein, daß die kriegführende Macht veranlaßt iſt, ſolchen Verkehr in Kriegs-
zeiten zu verhindern. Die Waare erſcheint dann zwar ohne Schuld ihres
Eigenthümers und ohne Schuld des Schiffers gleichſam als „zufällige“ Contre-
bande. Sie darf nicht confiscirt werden, weil keine Schuld dazu berechtigt,
aber ihre Verwendung zu Gunſten des Feindes darf gehindert werden, weil
das Bedürfniß der Kriegsführung es erfordert. Das gilt z. B. auch von der Zu-
fuhr von Brennkohlen in einen Seehafen, wo die feindliche Kriegsflotte vor Anker
liegt. Iſt dieſelbe beabſichtigt zur Ausrüſtung der Flotte, ſo wird ſie mit Recht
weggenommen, iſt ſie nicht beabſichtigt, aber würde derſelbe Effekt erreicht, wenn
man ſie ungehindert ihre Beſtimmung erreichen ließe, ſo iſt eine wirkſame Be-
ſchlagnahme, gegen Entſchädigung der Eigenthümer, wohl gerecht-
fertigt.
2. Die Gerechtigkeit erfordert, daß hier das friedliche Handelsrecht und
das unvermeidliche Kriegsrecht mit einander ausgeglichen werden.
Der Handel hat nur den Gewinn, nicht den Sieg einer Kriegspartei vor Augen.
Den Kaufleuten iſt es gleichgültig, wozu ihre Waaren verwendet werden; ihnen
liegt nur daran, daß ſie zu möglichſt günſtigen Preiſen je nach Umſtänden verkauft
oder gekauft werden. Inſofern werden viele Verträge der Art nicht zur Kriegshülfe
gemacht, und nur wenn die Waare ihrer Natur nach ausſchließlich für den Krieg
beſtimmt iſt (§ 804) wird dieſe Einrede der Kaufleute nicht weiter zu beachten, ſon-
dern unbedenklich auf unzweifelhafte Contrebande zu ſchließen ſein. Bei
den Waaren ancipitis usus hat jene Einrede der friedlichen Abſicht einen guten
Sinn. Die Kriegsmacht aber muß umgekehrt dafür ſorgen, daß nicht die feindliche
Macht eine Verſtärkung erhalte, gleichviel ob die Abſicht derer, welche die Ver-
ſtärkung zuführen, friedlich oder feindlich ſei. Vgl. Dana Anm. zu
Wheaton Int. L. § 501 und die engliſche Geheimerathsverordnung
vom 18. Febr. 1854 bei Phillimore III. § 266.
807.
Es iſt wider die gute Sitte, die Zufuhr von Lebensmitteln als
Kriegscontrebande zu behandeln, wenn gleich dieſelbe zur Ernährung des
feindlichen Heeres dient. Aber die Kriegsgewalt iſt berechtigt, einen bela-
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/459>, abgerufen am 23.11.2024.
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