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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Recht der Neutralität.
775.

Ebenso darf der neutrale Stat den nothleidenden Kriegsschiffen in
seinen Häfen Aufnahme und Schutz gewähren.

Auch das ist Asyl und Ausübung menschlicher (nicht kriegerischer) Bei-
hülfe
, die immer erlaubt, weil Menschenpflicht ist.

776.

Der neutrale Stat hat aber dafür zu sorgen, daß diese Handlung
der Menschlichkeit nicht von den feindlichen Truppen mißbraucht werde,
um den Krieg von dem neutralen Gebiet aus zu erneuern oder fortzu-
setzen. Die flüchtigen Truppen und Kriegsschiffe sind daher in der Regel
zu entwaffnen und erstere je nach Umständen von der Grenze zu entfernen
und zu interniren.

Würden sich die flüchtigen Truppen auf dem neutralen Boden wieder sammeln,
und dann neuerdings vielleicht an einer günstigeren Stelle auf das Kriegsfeld ziehen
und den Kampf da wieder aufnehmen, so würden sie das neutrale Gebiet für ihre
Kriegsführung ausbeuten
, was der neutrale Stat nicht dulden darf. Er
gewährt den Verfolgten Schutz, aber er begünstigt nicht die Kriegsführung einer
Partei. Deßhalb die Regel der Entwaffnung und in manchen Fällen, besonders
wo die Anwesenheit der Truppen in der Nähe der Kriegsgrenze gefährlich ist, die
Internirung der Truppen in das Innere des Landes. Es ist das nicht Kriegs-
gefangenschaft, welche Friedensstaten nicht üben, sondern nur eine Maßregel der
politischen Policei.

777.

Der neutrale Stat darf sein Gebiet nicht hergeben zum Stützpunkt
für kriegerische Unternehmen eines der Feinde, nicht für Waffenplätze,
Schiffsstationen, Magazine für Kriegsvorräthe u. dgl., auch nicht zur Aus-
übung der Prisengerichtsbarkeit, er darf nicht dulden, daß auf seinem
Gebiete der Kampf fortgesetzt, noch daß da Beute gemacht werde. Die
Verfolgung geschlagener Truppen hört auf, wo das neutrale Gebiet
beginnt.

Die Gewährung des Gebiets zum Behuf kriegerischer Operationen wäre offenbar
Kriegshülfe. Am meisten bestritten ist es, ob der neutrale Stat nicht gestatten

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Recht der Neutralität.
775.

Ebenſo darf der neutrale Stat den nothleidenden Kriegsſchiffen in
ſeinen Häfen Aufnahme und Schutz gewähren.

Auch das iſt Aſyl und Ausübung menſchlicher (nicht kriegeriſcher) Bei-
hülfe
, die immer erlaubt, weil Menſchenpflicht iſt.

776.

Der neutrale Stat hat aber dafür zu ſorgen, daß dieſe Handlung
der Menſchlichkeit nicht von den feindlichen Truppen mißbraucht werde,
um den Krieg von dem neutralen Gebiet aus zu erneuern oder fortzu-
ſetzen. Die flüchtigen Truppen und Kriegsſchiffe ſind daher in der Regel
zu entwaffnen und erſtere je nach Umſtänden von der Grenze zu entfernen
und zu interniren.

Würden ſich die flüchtigen Truppen auf dem neutralen Boden wieder ſammeln,
und dann neuerdings vielleicht an einer günſtigeren Stelle auf das Kriegsfeld ziehen
und den Kampf da wieder aufnehmen, ſo würden ſie das neutrale Gebiet für ihre
Kriegsführung ausbeuten
, was der neutrale Stat nicht dulden darf. Er
gewährt den Verfolgten Schutz, aber er begünſtigt nicht die Kriegsführung einer
Partei. Deßhalb die Regel der Entwaffnung und in manchen Fällen, beſonders
wo die Anweſenheit der Truppen in der Nähe der Kriegsgrenze gefährlich iſt, die
Internirung der Truppen in das Innere des Landes. Es iſt das nicht Kriegs-
gefangenſchaft, welche Friedensſtaten nicht üben, ſondern nur eine Maßregel der
politiſchen Policei.

777.

Der neutrale Stat darf ſein Gebiet nicht hergeben zum Stützpunkt
für kriegeriſche Unternehmen eines der Feinde, nicht für Waffenplätze,
Schiffsſtationen, Magazine für Kriegsvorräthe u. dgl., auch nicht zur Aus-
übung der Priſengerichtsbarkeit, er darf nicht dulden, daß auf ſeinem
Gebiete der Kampf fortgeſetzt, noch daß da Beute gemacht werde. Die
Verfolgung geſchlagener Truppen hört auf, wo das neutrale Gebiet
beginnt.

Die Gewährung des Gebiets zum Behuf kriegeriſcher Operationen wäre offenbar
Kriegshülfe. Am meiſten beſtritten iſt es, ob der neutrale Stat nicht geſtatten

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[419/0441] Recht der Neutralität. 775. Ebenſo darf der neutrale Stat den nothleidenden Kriegsſchiffen in ſeinen Häfen Aufnahme und Schutz gewähren. Auch das iſt Aſyl und Ausübung menſchlicher (nicht kriegeriſcher) Bei- hülfe, die immer erlaubt, weil Menſchenpflicht iſt. 776. Der neutrale Stat hat aber dafür zu ſorgen, daß dieſe Handlung der Menſchlichkeit nicht von den feindlichen Truppen mißbraucht werde, um den Krieg von dem neutralen Gebiet aus zu erneuern oder fortzu- ſetzen. Die flüchtigen Truppen und Kriegsſchiffe ſind daher in der Regel zu entwaffnen und erſtere je nach Umſtänden von der Grenze zu entfernen und zu interniren. Würden ſich die flüchtigen Truppen auf dem neutralen Boden wieder ſammeln, und dann neuerdings vielleicht an einer günſtigeren Stelle auf das Kriegsfeld ziehen und den Kampf da wieder aufnehmen, ſo würden ſie das neutrale Gebiet für ihre Kriegsführung ausbeuten, was der neutrale Stat nicht dulden darf. Er gewährt den Verfolgten Schutz, aber er begünſtigt nicht die Kriegsführung einer Partei. Deßhalb die Regel der Entwaffnung und in manchen Fällen, beſonders wo die Anweſenheit der Truppen in der Nähe der Kriegsgrenze gefährlich iſt, die Internirung der Truppen in das Innere des Landes. Es iſt das nicht Kriegs- gefangenſchaft, welche Friedensſtaten nicht üben, ſondern nur eine Maßregel der politiſchen Policei. 777. Der neutrale Stat darf ſein Gebiet nicht hergeben zum Stützpunkt für kriegeriſche Unternehmen eines der Feinde, nicht für Waffenplätze, Schiffsſtationen, Magazine für Kriegsvorräthe u. dgl., auch nicht zur Aus- übung der Priſengerichtsbarkeit, er darf nicht dulden, daß auf ſeinem Gebiete der Kampf fortgeſetzt, noch daß da Beute gemacht werde. Die Verfolgung geſchlagener Truppen hört auf, wo das neutrale Gebiet beginnt. Die Gewährung des Gebiets zum Behuf kriegeriſcher Operationen wäre offenbar Kriegshülfe. Am meiſten beſtritten iſt es, ob der neutrale Stat nicht geſtatten 27*

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/441>, abgerufen am 22.11.2024.