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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Das Kriegsrecht.
dem Feinde erhaltene Vertrauen nicht zu mißbrauchen. Insbesondere gilt
das von den Cartelverträgen, welche zwischen den Befehlshabern feindlicher
Truppen über Pässe und Couriere, über den Post- und Telegraphen-
verkehr, über das Begräbniß der Todten, über die Bezeichnung und Be-
handlung der Parlamentärs, über die Behandlung oder Auswechselung
oder den Loskauf von Kriegsgefangenen verabredet werden.

Die Rechtsgültigkeit und völkerrechtliche Verbindlichkeit der im Kriege abge-
schlossenen Verträge ist eine der wichtigsten Beschränkungen der verderblichen Wildheit
des Kriegs. Ohne dieselbe würden die kriegerischen Leidenschaften zügellos walten
und der Krieg sich nicht in einen gesicherten Friedenszustand verwandeln können.
Das Princip: "Etiam hosti fides servanda" ist schon im Alterthum
anerkannt worden. Vgl. oben zu § 550. Das Kanonische Recht hat dasselbe
ebenfalls der Christenheit im Mittelalter eingeschärft. Dec. Grat. II. Causa 23.
Qu. 1. c.
3 (Augustinus): "Fides enim quando promittitur, etiam hosti ser-
vanda est, contra quem bellum geritur, quanto magis amico, pro quo pregna-
tur? Pacem habere debet voluntas, bellum necessitas, ut liberet Deus a neces-
sitate et conservet in pace. Non enim pax quaeritur, ut bellum excitetur,
sed bellum geritur, ut pax acquiratur"
.

Der Inhalt solcher Cartelverträge ist so mannigfaltig, als die Bedürf-
nisse der kriegführenden Parteien Befriedigung verlangen und Anerkennung des
Gegners erwarten.

680.

Die Cartelschiffe genießen auf dem Hin- und Rückweg den Schutz
des Völkerrechts. Indessen ist ihre Mannschaft verpflichtet, sich inzwischen
aller Handlungen der Feindseligkeit zu enthalten und auch keinen durch
das Kriegsrecht untersagten Verkehr zu treiben.

Die Cartelschiffe machen sich selber zunächst als solche kenntlich, können
aber nur insofern auf Achtung rechnen, als sie bona fide die vertragsmäßige
Unterhandlung einleiten oder die Uebereinkunft ausführen. Vgl. Phillimore III.
§ 112.

681.

Die Parlamentäre d. h. die Personen, welche im Auftrag einer
Kriegspartei bei den Truppen der andern erscheinen zum Behuf der Unter-
handlung mit dem Befehlshaber derselben über Kriegsverträge, werden

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Das Kriegsrecht.
dem Feinde erhaltene Vertrauen nicht zu mißbrauchen. Insbeſondere gilt
das von den Cartelverträgen, welche zwiſchen den Befehlshabern feindlicher
Truppen über Päſſe und Couriere, über den Poſt- und Telegraphen-
verkehr, über das Begräbniß der Todten, über die Bezeichnung und Be-
handlung der Parlamentärs, über die Behandlung oder Auswechſelung
oder den Loskauf von Kriegsgefangenen verabredet werden.

Die Rechtsgültigkeit und völkerrechtliche Verbindlichkeit der im Kriege abge-
ſchloſſenen Verträge iſt eine der wichtigſten Beſchränkungen der verderblichen Wildheit
des Kriegs. Ohne dieſelbe würden die kriegeriſchen Leidenſchaften zügellos walten
und der Krieg ſich nicht in einen geſicherten Friedenszuſtand verwandeln können.
Das Princip: „Etiam hosti fides servanda“ iſt ſchon im Alterthum
anerkannt worden. Vgl. oben zu § 550. Das Kanoniſche Recht hat dasſelbe
ebenfalls der Chriſtenheit im Mittelalter eingeſchärft. Dec. Grat. II. Causa 23.
Qu. 1. c.
3 (Auguſtinus): „Fides enim quando promittitur, etiam hosti ser-
vanda est, contra quem bellum geritur, quanto magis amico, pro quo pregna-
tur? Pacem habere debet voluntas, bellum necessitas, ut liberet Deus a neces-
sitate et conservet in pace. Non enim pax quaeritur, ut bellum excitetur,
sed bellum geritur, ut pax acquiratur“
.

Der Inhalt ſolcher Cartelverträge iſt ſo mannigfaltig, als die Bedürf-
niſſe der kriegführenden Parteien Befriedigung verlangen und Anerkennung des
Gegners erwarten.

680.

Die Cartelſchiffe genießen auf dem Hin- und Rückweg den Schutz
des Völkerrechts. Indeſſen iſt ihre Mannſchaft verpflichtet, ſich inzwiſchen
aller Handlungen der Feindſeligkeit zu enthalten und auch keinen durch
das Kriegsrecht unterſagten Verkehr zu treiben.

Die Cartelſchiffe machen ſich ſelber zunächſt als ſolche kenntlich, können
aber nur inſofern auf Achtung rechnen, als ſie bona fide die vertragsmäßige
Unterhandlung einleiten oder die Uebereinkunft ausführen. Vgl. Phillimore III.
§ 112.

681.

Die Parlamentäre d. h. die Perſonen, welche im Auftrag einer
Kriegspartei bei den Truppen der andern erſcheinen zum Behuf der Unter-
handlung mit dem Befehlshaber derſelben über Kriegsverträge, werden

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[371/0393] Das Kriegsrecht. dem Feinde erhaltene Vertrauen nicht zu mißbrauchen. Insbeſondere gilt das von den Cartelverträgen, welche zwiſchen den Befehlshabern feindlicher Truppen über Päſſe und Couriere, über den Poſt- und Telegraphen- verkehr, über das Begräbniß der Todten, über die Bezeichnung und Be- handlung der Parlamentärs, über die Behandlung oder Auswechſelung oder den Loskauf von Kriegsgefangenen verabredet werden. Die Rechtsgültigkeit und völkerrechtliche Verbindlichkeit der im Kriege abge- ſchloſſenen Verträge iſt eine der wichtigſten Beſchränkungen der verderblichen Wildheit des Kriegs. Ohne dieſelbe würden die kriegeriſchen Leidenſchaften zügellos walten und der Krieg ſich nicht in einen geſicherten Friedenszuſtand verwandeln können. Das Princip: „Etiam hosti fides servanda“ iſt ſchon im Alterthum anerkannt worden. Vgl. oben zu § 550. Das Kanoniſche Recht hat dasſelbe ebenfalls der Chriſtenheit im Mittelalter eingeſchärft. Dec. Grat. II. Causa 23. Qu. 1. c. 3 (Auguſtinus): „Fides enim quando promittitur, etiam hosti ser- vanda est, contra quem bellum geritur, quanto magis amico, pro quo pregna- tur? Pacem habere debet voluntas, bellum necessitas, ut liberet Deus a neces- sitate et conservet in pace. Non enim pax quaeritur, ut bellum excitetur, sed bellum geritur, ut pax acquiratur“. Der Inhalt ſolcher Cartelverträge iſt ſo mannigfaltig, als die Bedürf- niſſe der kriegführenden Parteien Befriedigung verlangen und Anerkennung des Gegners erwarten. 680. Die Cartelſchiffe genießen auf dem Hin- und Rückweg den Schutz des Völkerrechts. Indeſſen iſt ihre Mannſchaft verpflichtet, ſich inzwiſchen aller Handlungen der Feindſeligkeit zu enthalten und auch keinen durch das Kriegsrecht unterſagten Verkehr zu treiben. Die Cartelſchiffe machen ſich ſelber zunächſt als ſolche kenntlich, können aber nur inſofern auf Achtung rechnen, als ſie bona fide die vertragsmäßige Unterhandlung einleiten oder die Uebereinkunft ausführen. Vgl. Phillimore III. § 112. 681. Die Parlamentäre d. h. die Perſonen, welche im Auftrag einer Kriegspartei bei den Truppen der andern erſcheinen zum Behuf der Unter- handlung mit dem Befehlshaber derſelben über Kriegsverträge, werden 24*

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/393>, abgerufen am 21.11.2024.