welche bei der feindlichen Regierung beglaubigt sind, hört von Rechtswegen für das besetzte Gebiet auf.
Indessen pflegt die besetzende Kriegsgewalt im Interesse des völker- rechtlichen Verkehrs die neutralen Gesanten in diesem Gebiete ebenso zu schützen und ihnen thatsächliche Wirksamkeit zu gestatten, wie wenn dieselben vorübergehend bei ihr beglaubigt wären.
Wird die Residenzstadt vom Feinde eingenommen, so verlassen oft die Gesanten auch der neutralen Staten den Ort ihrer bisherigen Wirksamkeit und fol- gen zuweilen dem Hofe nach, der sich zurückzieht. Da sie bei dem weichenden Souverän accreditirt sind, so stehen sie zunächst nur mit ihm in einem völkerrecht- lichen Verhältniß. Es ist aber möglich, daß sie den Befehl erhalten, an ihrem bis- herigen Wohnsitz auszuharren, wenn gleich derselbe in feindliche Gewalt gerathen ist. Da sie bei der besetzenden Kriegsgewalt nicht beglaubigt sind, so können sie auch nicht ferner hier den diplomatischen Verkehr fortsetzen. Indessen liegt es ge- wöhnlich im Interesse der feindlichen Kriegsgewalt, welche erobernd vorgeht, möglichst freundliche Beziehungen auch zu den anwesenden Gesanten der neutralen Staten zu erhalten; daher wird dieselbe selten gegen die Fortsetzung ihres Aufenthalts und selbst ihrer Thätigkeit Schwierigkeit machen und auch die Privilegien der Gesanten einst- weilen unbestritten fortwirken lassen. Würde aber der Verdacht entstehen, daß das Bleiben eines Gesanten dazu mißbraucht würde, um der besetzenden Kriegsgewalt Verlegenheiten zu bereiten, so wäre diese nicht gehindert, den bei ihr nicht beglaubigten Gesanten ohne Verzug wegzuweisen.
556.
Auch die fremden Consuln, welche von der feindlichen Regierung ermächtigt worden sind, im Lande thätig zu sein, werden von der erobern- den Kriegsgewalt in ihrer Wirksamkeit möglichst wenig belästigt, und so behandelt, als ob sie von der letztern inzwischen ermächtigt wären.
Vgl. zu § 537. Man nimmt an, das Exequatur wirke fort, ganz ebenso wie die Ernennung der Aemter, bis die feindliche Kriegsgewalt diese ruhige Fortdauer der ursprünglichen Vollmacht durch eine entgegengesetzte Erklärung abbricht. Weil die Consuln wesentlich für den internationalen Privatverkehr und nicht für den völkerrechtlichen Verkehr der Staten ermächtigt sind, so läßt sich diese Fortdauer der Consularthätigkeit noch unbedenklicher gewähren, als die des Gesanten- verkehrs.
Das Kriegsrecht.
welche bei der feindlichen Regierung beglaubigt ſind, hört von Rechtswegen für das beſetzte Gebiet auf.
Indeſſen pflegt die beſetzende Kriegsgewalt im Intereſſe des völker- rechtlichen Verkehrs die neutralen Geſanten in dieſem Gebiete ebenſo zu ſchützen und ihnen thatſächliche Wirkſamkeit zu geſtatten, wie wenn dieſelben vorübergehend bei ihr beglaubigt wären.
Wird die Reſidenzſtadt vom Feinde eingenommen, ſo verlaſſen oft die Geſanten auch der neutralen Staten den Ort ihrer bisherigen Wirkſamkeit und fol- gen zuweilen dem Hofe nach, der ſich zurückzieht. Da ſie bei dem weichenden Souverän accreditirt ſind, ſo ſtehen ſie zunächſt nur mit ihm in einem völkerrecht- lichen Verhältniß. Es iſt aber möglich, daß ſie den Befehl erhalten, an ihrem bis- herigen Wohnſitz auszuharren, wenn gleich derſelbe in feindliche Gewalt gerathen iſt. Da ſie bei der beſetzenden Kriegsgewalt nicht beglaubigt ſind, ſo können ſie auch nicht ferner hier den diplomatiſchen Verkehr fortſetzen. Indeſſen liegt es ge- wöhnlich im Intereſſe der feindlichen Kriegsgewalt, welche erobernd vorgeht, möglichſt freundliche Beziehungen auch zu den anweſenden Geſanten der neutralen Staten zu erhalten; daher wird dieſelbe ſelten gegen die Fortſetzung ihres Aufenthalts und ſelbſt ihrer Thätigkeit Schwierigkeit machen und auch die Privilegien der Geſanten einſt- weilen unbeſtritten fortwirken laſſen. Würde aber der Verdacht entſtehen, daß das Bleiben eines Geſanten dazu mißbraucht würde, um der beſetzenden Kriegsgewalt Verlegenheiten zu bereiten, ſo wäre dieſe nicht gehindert, den bei ihr nicht beglaubigten Geſanten ohne Verzug wegzuweiſen.
556.
Auch die fremden Conſuln, welche von der feindlichen Regierung ermächtigt worden ſind, im Lande thätig zu ſein, werden von der erobern- den Kriegsgewalt in ihrer Wirkſamkeit möglichſt wenig beläſtigt, und ſo behandelt, als ob ſie von der letztern inzwiſchen ermächtigt wären.
Vgl. zu § 537. Man nimmt an, das Exequatur wirke fort, ganz ebenſo wie die Ernennung der Aemter, bis die feindliche Kriegsgewalt dieſe ruhige Fortdauer der urſprünglichen Vollmacht durch eine entgegengeſetzte Erklärung abbricht. Weil die Conſuln weſentlich für den internationalen Privatverkehr und nicht für den völkerrechtlichen Verkehr der Staten ermächtigt ſind, ſo läßt ſich dieſe Fortdauer der Conſularthätigkeit noch unbedenklicher gewähren, als die des Geſanten- verkehrs.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0333"n="311"/><fwplace="top"type="header">Das Kriegsrecht.</fw><lb/>
welche bei der feindlichen Regierung beglaubigt ſind, hört von Rechtswegen<lb/>
für das beſetzte Gebiet auf.</p><lb/><p>Indeſſen pflegt die beſetzende Kriegsgewalt im Intereſſe des völker-<lb/>
rechtlichen Verkehrs die neutralen Geſanten in dieſem Gebiete ebenſo zu<lb/>ſchützen und ihnen thatſächliche Wirkſamkeit zu geſtatten, wie wenn dieſelben<lb/>
vorübergehend bei ihr beglaubigt wären.</p><lb/><p>Wird die <hirendition="#g">Reſidenzſtadt</hi> vom Feinde eingenommen, ſo verlaſſen oft die<lb/>
Geſanten auch der neutralen Staten den Ort ihrer bisherigen Wirkſamkeit und fol-<lb/>
gen zuweilen dem Hofe nach, der ſich zurückzieht. Da ſie bei dem <hirendition="#g">weichenden<lb/>
Souverän</hi> accreditirt ſind, ſo ſtehen ſie zunächſt nur mit ihm in einem völkerrecht-<lb/>
lichen Verhältniß. Es iſt aber möglich, daß ſie den Befehl erhalten, an ihrem bis-<lb/>
herigen Wohnſitz auszuharren, wenn gleich derſelbe in feindliche Gewalt gerathen iſt.<lb/>
Da ſie bei der beſetzenden Kriegsgewalt <hirendition="#g">nicht beglaubigt</hi>ſind, ſo können ſie<lb/>
auch nicht ferner hier den diplomatiſchen Verkehr fortſetzen. Indeſſen liegt es ge-<lb/>
wöhnlich im Intereſſe der feindlichen Kriegsgewalt, welche erobernd vorgeht, möglichſt<lb/>
freundliche Beziehungen auch zu den anweſenden Geſanten der neutralen Staten zu<lb/>
erhalten; daher wird dieſelbe ſelten gegen die Fortſetzung ihres Aufenthalts und ſelbſt<lb/>
ihrer Thätigkeit Schwierigkeit machen und auch die Privilegien der Geſanten einſt-<lb/>
weilen unbeſtritten fortwirken laſſen. Würde aber der Verdacht entſtehen, daß das<lb/>
Bleiben eines Geſanten dazu mißbraucht würde, um der beſetzenden Kriegsgewalt<lb/>
Verlegenheiten zu bereiten, ſo wäre dieſe nicht gehindert, den bei ihr nicht beglaubigten<lb/>
Geſanten ohne Verzug wegzuweiſen.</p></div><lb/><divn="4"><head>556.</head><lb/><p>Auch die fremden Conſuln, welche von der feindlichen Regierung<lb/>
ermächtigt worden ſind, im Lande thätig zu ſein, werden von der erobern-<lb/>
den Kriegsgewalt in ihrer Wirkſamkeit möglichſt wenig beläſtigt, und ſo<lb/>
behandelt, als ob ſie von der letztern inzwiſchen ermächtigt wären.</p><lb/><p>Vgl. zu § 537. Man nimmt an, das <hirendition="#g">Exequatur wirke fort</hi>, ganz<lb/>
ebenſo wie die Ernennung der Aemter, bis die feindliche Kriegsgewalt dieſe ruhige<lb/>
Fortdauer der urſprünglichen Vollmacht durch eine entgegengeſetzte Erklärung abbricht.<lb/>
Weil die Conſuln weſentlich für den <hirendition="#g">internationalen Privatverkehr</hi> und<lb/>
nicht für den völkerrechtlichen Verkehr der Staten ermächtigt ſind, ſo läßt ſich dieſe<lb/>
Fortdauer der Conſularthätigkeit noch unbedenklicher gewähren, als die des Geſanten-<lb/>
verkehrs.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[311/0333]
Das Kriegsrecht.
welche bei der feindlichen Regierung beglaubigt ſind, hört von Rechtswegen
für das beſetzte Gebiet auf.
Indeſſen pflegt die beſetzende Kriegsgewalt im Intereſſe des völker-
rechtlichen Verkehrs die neutralen Geſanten in dieſem Gebiete ebenſo zu
ſchützen und ihnen thatſächliche Wirkſamkeit zu geſtatten, wie wenn dieſelben
vorübergehend bei ihr beglaubigt wären.
Wird die Reſidenzſtadt vom Feinde eingenommen, ſo verlaſſen oft die
Geſanten auch der neutralen Staten den Ort ihrer bisherigen Wirkſamkeit und fol-
gen zuweilen dem Hofe nach, der ſich zurückzieht. Da ſie bei dem weichenden
Souverän accreditirt ſind, ſo ſtehen ſie zunächſt nur mit ihm in einem völkerrecht-
lichen Verhältniß. Es iſt aber möglich, daß ſie den Befehl erhalten, an ihrem bis-
herigen Wohnſitz auszuharren, wenn gleich derſelbe in feindliche Gewalt gerathen iſt.
Da ſie bei der beſetzenden Kriegsgewalt nicht beglaubigt ſind, ſo können ſie
auch nicht ferner hier den diplomatiſchen Verkehr fortſetzen. Indeſſen liegt es ge-
wöhnlich im Intereſſe der feindlichen Kriegsgewalt, welche erobernd vorgeht, möglichſt
freundliche Beziehungen auch zu den anweſenden Geſanten der neutralen Staten zu
erhalten; daher wird dieſelbe ſelten gegen die Fortſetzung ihres Aufenthalts und ſelbſt
ihrer Thätigkeit Schwierigkeit machen und auch die Privilegien der Geſanten einſt-
weilen unbeſtritten fortwirken laſſen. Würde aber der Verdacht entſtehen, daß das
Bleiben eines Geſanten dazu mißbraucht würde, um der beſetzenden Kriegsgewalt
Verlegenheiten zu bereiten, ſo wäre dieſe nicht gehindert, den bei ihr nicht beglaubigten
Geſanten ohne Verzug wegzuweiſen.
556.
Auch die fremden Conſuln, welche von der feindlichen Regierung
ermächtigt worden ſind, im Lande thätig zu ſein, werden von der erobern-
den Kriegsgewalt in ihrer Wirkſamkeit möglichſt wenig beläſtigt, und ſo
behandelt, als ob ſie von der letztern inzwiſchen ermächtigt wären.
Vgl. zu § 537. Man nimmt an, das Exequatur wirke fort, ganz
ebenſo wie die Ernennung der Aemter, bis die feindliche Kriegsgewalt dieſe ruhige
Fortdauer der urſprünglichen Vollmacht durch eine entgegengeſetzte Erklärung abbricht.
Weil die Conſuln weſentlich für den internationalen Privatverkehr und
nicht für den völkerrechtlichen Verkehr der Staten ermächtigt ſind, ſo läßt ſich dieſe
Fortdauer der Conſularthätigkeit noch unbedenklicher gewähren, als die des Geſanten-
verkehrs.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/333>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.