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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Verträge.
a) Verträge zwischen souveränen Personen oder Dynastien unter sich
oder mit fremden Staten über persönliche oder dynastische An-
sprüche auf Landesregierung oder Thronfolge;
b) Verträge des States mit fremden Privatpersonen über öffentliche
Rechtsverhältnisse, wenn dieselben ausnahmsweise unter den Schutz
des Völkerrechts gestellt sind;
c) Verträge des States mit der Kirche über stats- und kirchenrecht-
liche Verhältnisse, insbesondere die Concordate der Staten mit
dem päpstlichen Stuhl.

1. Zu a. Hieher gehören z. B. Verträge eines States mit einem ent-
thronten fremden Fürsten
über Wiedereinsetzung desselben in die Herrschaft,
Verträge zum Schutz einer bestimmten Dynastie in dem Besitz des Throns, oder
mit einem auf Herrschaft verzichtenden Fürsten, oder Erbverträge
zwischen zwei Linien einer Dynastie oder zwei Dynastien, wenn dieselben verschie-
denen Staten angehören. Ein dynastisches Hausgesetz oder eine dynastische Erbver-
brüderung innerhalb desselben States hat nur eine statsrechtliche, keine völker-
rechtliche Bedeutung.

2. Zu b. Z. B. Die Verträge der deutschen Staten mit der Familie Thurn
und Taxis
über das Postregal, so lange dieselben unter den Schutz des deutschen
Bundes gestellt waren. Abgesehen von solchem Schutz, der über die Hoheit und
Macht eines States hinaus wirkt, haben solche Verträge nur einen privatrecht-
lichen
, höchstens einen statsrechtlichen Charakter.

3. c. Die kirchlichen Concordate zwischen einzelnen Staten und dem
römischen Papstthum als Haupt und Repräsentanten der römisch-katholischen
Kirche sind keine völkerrechtlichen Verträge im eigentlichen Sinn, weil der Papst nicht
als Landesfürst, sondern als Kirchenhaupt dieselben eingeht, also nur auf der
einen Seite ein Stat Vertragsperson ist, auf der andern die Kirche. Aber die Ana-
logie der völkerrechtlichen Verträge kommt insofern zur Anwendung, als zwei wesent-
lich selbständige Mächte als öffentliche Personen mit einander über
öffentlich-rechtliche Dinge sich vereinbaren. Der völkerrechtliche Schutz ist bei diesen
Verträgen ein unvollständiger, weil wohl der contrahirende Stat die Macht hat,
zum Schutz seines Rechts die völkerrechtlichen Mittel, nöthigenfalls die Gewalt, zu
gebrauchen, die Kirche dagegen diese Mittel nicht besitzt und statt derselben andere
der religiösen Autorität benutzen kann, welche nicht durch das Völkerrecht geordnet
werden. Sie bilden demnach eine eigenthümliche Gattung für sich, auf welche
die Grundsätze der völkerrechtlichen Verträge nur mit Vorsicht überzutragen sind.

Zunächst sind auch diese Concordate als rechtsverbindlich zu betrachten,
sowohl für den Stat als für die Kirche. Aber diese Verbindlichkeit bleibt beschränkt,
mehr noch sogar als die Verbindlichkeit der eigentlichen Statenverträge, weil hier
neben den politischen auch die religiösen Rücksichten in Betracht kommen. Von den
Vertheidigern des kirchlichen Standpunktes wird hier der Kirche das Recht vindicirt,

Völkerrechtliche Verträge.
a) Verträge zwiſchen ſouveränen Perſonen oder Dynaſtien unter ſich
oder mit fremden Staten über perſönliche oder dynaſtiſche An-
ſprüche auf Landesregierung oder Thronfolge;
b) Verträge des States mit fremden Privatperſonen über öffentliche
Rechtsverhältniſſe, wenn dieſelben ausnahmsweiſe unter den Schutz
des Völkerrechts geſtellt ſind;
c) Verträge des States mit der Kirche über ſtats- und kirchenrecht-
liche Verhältniſſe, insbeſondere die Concordate der Staten mit
dem päpſtlichen Stuhl.

1. Zu a. Hieher gehören z. B. Verträge eines States mit einem ent-
thronten fremden Fürſten
über Wiedereinſetzung desſelben in die Herrſchaft,
Verträge zum Schutz einer beſtimmten Dynaſtie in dem Beſitz des Throns, oder
mit einem auf Herrſchaft verzichtenden Fürſten, oder Erbverträge
zwiſchen zwei Linien einer Dynaſtie oder zwei Dynaſtien, wenn dieſelben verſchie-
denen Staten angehören. Ein dynaſtiſches Hausgeſetz oder eine dynaſtiſche Erbver-
brüderung innerhalb desſelben States hat nur eine ſtatsrechtliche, keine völker-
rechtliche Bedeutung.

2. Zu b. Z. B. Die Verträge der deutſchen Staten mit der Familie Thurn
und Taxis
über das Poſtregal, ſo lange dieſelben unter den Schutz des deutſchen
Bundes geſtellt waren. Abgeſehen von ſolchem Schutz, der über die Hoheit und
Macht eines States hinaus wirkt, haben ſolche Verträge nur einen privatrecht-
lichen
, höchſtens einen ſtatsrechtlichen Charakter.

3. c. Die kirchlichen Concordate zwiſchen einzelnen Staten und dem
römiſchen Papſtthum als Haupt und Repräſentanten der römiſch-katholiſchen
Kirche ſind keine völkerrechtlichen Verträge im eigentlichen Sinn, weil der Papſt nicht
als Landesfürſt, ſondern als Kirchenhaupt dieſelben eingeht, alſo nur auf der
einen Seite ein Stat Vertragsperſon iſt, auf der andern die Kirche. Aber die Ana-
logie der völkerrechtlichen Verträge kommt inſofern zur Anwendung, als zwei weſent-
lich ſelbſtändige Mächte als öffentliche Perſonen mit einander über
öffentlich-rechtliche Dinge ſich vereinbaren. Der völkerrechtliche Schutz iſt bei dieſen
Verträgen ein unvollſtändiger, weil wohl der contrahirende Stat die Macht hat,
zum Schutz ſeines Rechts die völkerrechtlichen Mittel, nöthigenfalls die Gewalt, zu
gebrauchen, die Kirche dagegen dieſe Mittel nicht beſitzt und ſtatt derſelben andere
der religiöſen Autorität benutzen kann, welche nicht durch das Völkerrecht geordnet
werden. Sie bilden demnach eine eigenthümliche Gattung für ſich, auf welche
die Grundſätze der völkerrechtlichen Verträge nur mit Vorſicht überzutragen ſind.

Zunächſt ſind auch dieſe Concordate als rechtsverbindlich zu betrachten,
ſowohl für den Stat als für die Kirche. Aber dieſe Verbindlichkeit bleibt beſchränkt,
mehr noch ſogar als die Verbindlichkeit der eigentlichen Statenverträge, weil hier
neben den politiſchen auch die religiöſen Rückſichten in Betracht kommen. Von den
Vertheidigern des kirchlichen Standpunktes wird hier der Kirche das Recht vindicirt,

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[249/0271] Völkerrechtliche Verträge. a) Verträge zwiſchen ſouveränen Perſonen oder Dynaſtien unter ſich oder mit fremden Staten über perſönliche oder dynaſtiſche An- ſprüche auf Landesregierung oder Thronfolge; b) Verträge des States mit fremden Privatperſonen über öffentliche Rechtsverhältniſſe, wenn dieſelben ausnahmsweiſe unter den Schutz des Völkerrechts geſtellt ſind; c) Verträge des States mit der Kirche über ſtats- und kirchenrecht- liche Verhältniſſe, insbeſondere die Concordate der Staten mit dem päpſtlichen Stuhl. 1. Zu a. Hieher gehören z. B. Verträge eines States mit einem ent- thronten fremden Fürſten über Wiedereinſetzung desſelben in die Herrſchaft, Verträge zum Schutz einer beſtimmten Dynaſtie in dem Beſitz des Throns, oder mit einem auf Herrſchaft verzichtenden Fürſten, oder Erbverträge zwiſchen zwei Linien einer Dynaſtie oder zwei Dynaſtien, wenn dieſelben verſchie- denen Staten angehören. Ein dynaſtiſches Hausgeſetz oder eine dynaſtiſche Erbver- brüderung innerhalb desſelben States hat nur eine ſtatsrechtliche, keine völker- rechtliche Bedeutung. 2. Zu b. Z. B. Die Verträge der deutſchen Staten mit der Familie Thurn und Taxis über das Poſtregal, ſo lange dieſelben unter den Schutz des deutſchen Bundes geſtellt waren. Abgeſehen von ſolchem Schutz, der über die Hoheit und Macht eines States hinaus wirkt, haben ſolche Verträge nur einen privatrecht- lichen, höchſtens einen ſtatsrechtlichen Charakter. 3. c. Die kirchlichen Concordate zwiſchen einzelnen Staten und dem römiſchen Papſtthum als Haupt und Repräſentanten der römiſch-katholiſchen Kirche ſind keine völkerrechtlichen Verträge im eigentlichen Sinn, weil der Papſt nicht als Landesfürſt, ſondern als Kirchenhaupt dieſelben eingeht, alſo nur auf der einen Seite ein Stat Vertragsperſon iſt, auf der andern die Kirche. Aber die Ana- logie der völkerrechtlichen Verträge kommt inſofern zur Anwendung, als zwei weſent- lich ſelbſtändige Mächte als öffentliche Perſonen mit einander über öffentlich-rechtliche Dinge ſich vereinbaren. Der völkerrechtliche Schutz iſt bei dieſen Verträgen ein unvollſtändiger, weil wohl der contrahirende Stat die Macht hat, zum Schutz ſeines Rechts die völkerrechtlichen Mittel, nöthigenfalls die Gewalt, zu gebrauchen, die Kirche dagegen dieſe Mittel nicht beſitzt und ſtatt derſelben andere der religiöſen Autorität benutzen kann, welche nicht durch das Völkerrecht geordnet werden. Sie bilden demnach eine eigenthümliche Gattung für ſich, auf welche die Grundſätze der völkerrechtlichen Verträge nur mit Vorſicht überzutragen ſind. Zunächſt ſind auch dieſe Concordate als rechtsverbindlich zu betrachten, ſowohl für den Stat als für die Kirche. Aber dieſe Verbindlichkeit bleibt beſchränkt, mehr noch ſogar als die Verbindlichkeit der eigentlichen Statenverträge, weil hier neben den politiſchen auch die religiöſen Rückſichten in Betracht kommen. Von den Vertheidigern des kirchlichen Standpunktes wird hier der Kirche das Recht vindicirt,

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/271>, abgerufen am 23.11.2024.