Ebenso wenig kann der Gesante sich auf die Freiheit seiner Equipage berufen, um Flüchtlingen durchzuhelfen, welche er in seinen Wagen auf- genommen hat.
Wenn in einem solchen Fall die einheimische Gerichts- oder Policeigewalt den Wagen anhält und den Flüchtigen verhaftet, so ist das keine Verletzung des Völker- rechts. Ein Beispiel aus Rom führt Vattel an (IV. 119), indem ein französischer Gesanter vergeblich versuchte, verfolgte Neapolitaner vor den päpstlichen Wachen zu retten.
202.
Der Gesante darf sein Hotel nicht zu feindlichen Handlungen gegen den Stat mißbrauchen lassen, bei welchem er beglaubigt ist. Verletzt er diese Pflicht, so schützt ihn auch die Exterritorialität nicht vor denjenigen Maßregeln, welche die Selbsterhaltung und Sicherung des besendeten Sta- tes erfordern.
Er darf also insbesondere keine Versammlungen von Verschwornen daselbst gestatten, keine Waffenmagazine da einrichten, zur Unterstützung eines Aufstandes u. s. f. Als der schwedische Gesante in London an einer Verschwörung gegen den König von England Theil nahm, ließ dieser den Gesanten verhaften und seine Papiere in Be- schlag nehmen. Dieses Verfahren wurde von den englischen Statssecretären der Diplomatie gegenüber, die anfangs Bedenken aussprach, gerechtfertigt. Martens Causes Celebres I. 75. Vgl. auch VattelIV. 101.
203.
Der Gesante hat das Recht der freien Religionsübung in dem Gesantschaftshotel, zunächst für sich, seine Familie, sein Gefolge und seine Dienerschaft.
Dieses Privilegium des Gesanten hat seinen Werth großentheils verloren, seitdem die Cultusfreiheit als allgemeines Recht die frühere Unduldsam- keit in den meisten civilisirten Staten endlich verdrängt hat. Aber es ist heute noch von Bedeutung in den Staten, welche in dieser Hinsicht hinter dem Fortschritte der Zeit zurückgeblieben sind.
204.
Den Gesanten der oberen Classen wird allgemein ein sogenanntes Capellenrecht zugestanden, d. h. das Recht, in weiterem Sinne innerhalb der exterritorialen Wohnung für den Gottesdienst zu sorgen.
Drittes Buch.
201.
Ebenſo wenig kann der Geſante ſich auf die Freiheit ſeiner Equipage berufen, um Flüchtlingen durchzuhelfen, welche er in ſeinen Wagen auf- genommen hat.
Wenn in einem ſolchen Fall die einheimiſche Gerichts- oder Policeigewalt den Wagen anhält und den Flüchtigen verhaftet, ſo iſt das keine Verletzung des Völker- rechts. Ein Beiſpiel aus Rom führt Vattel an (IV. 119), indem ein franzöſiſcher Geſanter vergeblich verſuchte, verfolgte Neapolitaner vor den päpſtlichen Wachen zu retten.
202.
Der Geſante darf ſein Hotel nicht zu feindlichen Handlungen gegen den Stat mißbrauchen laſſen, bei welchem er beglaubigt iſt. Verletzt er dieſe Pflicht, ſo ſchützt ihn auch die Exterritorialität nicht vor denjenigen Maßregeln, welche die Selbſterhaltung und Sicherung des beſendeten Sta- tes erfordern.
Er darf alſo insbeſondere keine Verſammlungen von Verſchwornen daſelbſt geſtatten, keine Waffenmagazine da einrichten, zur Unterſtützung eines Aufſtandes u. ſ. f. Als der ſchwediſche Geſante in London an einer Verſchwörung gegen den König von England Theil nahm, ließ dieſer den Geſanten verhaften und ſeine Papiere in Be- ſchlag nehmen. Dieſes Verfahren wurde von den engliſchen Statsſecretären der Diplomatie gegenüber, die anfangs Bedenken ausſprach, gerechtfertigt. Martens Causes Célèbres I. 75. Vgl. auch VattelIV. 101.
203.
Der Geſante hat das Recht der freien Religionsübung in dem Geſantſchaftshotel, zunächſt für ſich, ſeine Familie, ſein Gefolge und ſeine Dienerſchaft.
Dieſes Privilegium des Geſanten hat ſeinen Werth großentheils verloren, ſeitdem die Cultusfreiheit als allgemeines Recht die frühere Unduldſam- keit in den meiſten civiliſirten Staten endlich verdrängt hat. Aber es iſt heute noch von Bedeutung in den Staten, welche in dieſer Hinſicht hinter dem Fortſchritte der Zeit zurückgeblieben ſind.
204.
Den Geſanten der oberen Claſſen wird allgemein ein ſogenanntes Capellenrecht zugeſtanden, d. h. das Recht, in weiterem Sinne innerhalb der exterritorialen Wohnung für den Gottesdienſt zu ſorgen.
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Drittes Buch.
201.
Ebenſo wenig kann der Geſante ſich auf die Freiheit ſeiner Equipage
berufen, um Flüchtlingen durchzuhelfen, welche er in ſeinen Wagen auf-
genommen hat.
Wenn in einem ſolchen Fall die einheimiſche Gerichts- oder Policeigewalt den
Wagen anhält und den Flüchtigen verhaftet, ſo iſt das keine Verletzung des Völker-
rechts. Ein Beiſpiel aus Rom führt Vattel an (IV. 119), indem ein franzöſiſcher
Geſanter vergeblich verſuchte, verfolgte Neapolitaner vor den päpſtlichen Wachen zu
retten.
202.
Der Geſante darf ſein Hotel nicht zu feindlichen Handlungen gegen
den Stat mißbrauchen laſſen, bei welchem er beglaubigt iſt. Verletzt er
dieſe Pflicht, ſo ſchützt ihn auch die Exterritorialität nicht vor denjenigen
Maßregeln, welche die Selbſterhaltung und Sicherung des beſendeten Sta-
tes erfordern.
Er darf alſo insbeſondere keine Verſammlungen von Verſchwornen daſelbſt
geſtatten, keine Waffenmagazine da einrichten, zur Unterſtützung eines Aufſtandes u. ſ. f.
Als der ſchwediſche Geſante in London an einer Verſchwörung gegen den König von
England Theil nahm, ließ dieſer den Geſanten verhaften und ſeine Papiere in Be-
ſchlag nehmen. Dieſes Verfahren wurde von den engliſchen Statsſecretären der
Diplomatie gegenüber, die anfangs Bedenken ausſprach, gerechtfertigt. Martens
Causes Célèbres I. 75. Vgl. auch Vattel IV. 101.
203.
Der Geſante hat das Recht der freien Religionsübung in dem
Geſantſchaftshotel, zunächſt für ſich, ſeine Familie, ſein Gefolge und ſeine
Dienerſchaft.
Dieſes Privilegium des Geſanten hat ſeinen Werth großentheils verloren,
ſeitdem die Cultusfreiheit als allgemeines Recht die frühere Unduldſam-
keit in den meiſten civiliſirten Staten endlich verdrängt hat. Aber es iſt heute noch
von Bedeutung in den Staten, welche in dieſer Hinſicht hinter dem Fortſchritte der
Zeit zurückgeblieben ſind.
204.
Den Geſanten der oberen Claſſen wird allgemein ein ſogenanntes
Capellenrecht zugeſtanden, d. h. das Recht, in weiterem Sinne innerhalb
der exterritorialen Wohnung für den Gottesdienſt zu ſorgen.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/160>, abgerufen am 23.11.2024.
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