Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Völkerrechtliche Organe. sich nicht behaupten oder in Bälde seine einstweilen erschütterte Herrschaft wiederherstellen könne und ob der neue Träger der Statsgewalt sich in der neu eingenom- menen Stellung befestigen werde. In dieser Zwischenzeit kann es einer außerhalb dieser Parteikämpfe stehenden Regierung nicht verargt werden, wenn sie auch im Zweifel ist, wen sie als wahren Repräsentanten des betreffenden Stats zu betrachten habe. Im Zweifel hat sie sich aber einer verbindlichen Verhandlung mit dem einen und dem andern zu enthalten, denn es können nicht zugleich zwei verschiedene Re- gierungen und daher zwei Vertreter Eines States bestehn. 122. Die Frage der Anerkennung einer auswärtigen Regierung wird in Es ist das eine Folge der Repräsentativgewalt, welche in den modernen Sta- Die völkerrechtlichen Beziehungen der verschiedenen Staten zu einander wür- 123. Die völkerrechtliche Persönlichkeit eines States erleidet keine Aende- Da nicht einmal die vollständige Wandlung der Statsverfassung die Fort- 124. Das wirkliche Statshaupt ist berechtigt, auch die völkerrechtlich dem Völkerrechtliche Organe. ſich nicht behaupten oder in Bälde ſeine einſtweilen erſchütterte Herrſchaft wiederherſtellen könne und ob der neue Träger der Statsgewalt ſich in der neu eingenom- menen Stellung befeſtigen werde. In dieſer Zwiſchenzeit kann es einer außerhalb dieſer Parteikämpfe ſtehenden Regierung nicht verargt werden, wenn ſie auch im Zweifel iſt, wen ſie als wahren Repräſentanten des betreffenden Stats zu betrachten habe. Im Zweifel hat ſie ſich aber einer verbindlichen Verhandlung mit dem einen und dem andern zu enthalten, denn es können nicht zugleich zwei verſchiedene Re- gierungen und daher zwei Vertreter Eines States beſtehn. 122. Die Frage der Anerkennung einer auswärtigen Regierung wird in Es iſt das eine Folge der Repräſentativgewalt, welche in den modernen Sta- Die völkerrechtlichen Beziehungen der verſchiedenen Staten zu einander wür- 123. Die völkerrechtliche Perſönlichkeit eines States erleidet keine Aende- Da nicht einmal die vollſtändige Wandlung der Statsverfaſſung die Fort- 124. Das wirkliche Statshaupt iſt berechtigt, auch die völkerrechtlich dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0133" n="111"/><fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/> ſich nicht behaupten oder in Bälde ſeine einſtweilen erſchütterte Herrſchaft wieder<lb/> herſtellen könne und ob der neue Träger der Statsgewalt ſich in der neu eingenom-<lb/> menen Stellung befeſtigen werde. 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Völkerrechtliche Organe.
ſich nicht behaupten oder in Bälde ſeine einſtweilen erſchütterte Herrſchaft wieder
herſtellen könne und ob der neue Träger der Statsgewalt ſich in der neu eingenom-
menen Stellung befeſtigen werde. In dieſer Zwiſchenzeit kann es einer außerhalb
dieſer Parteikämpfe ſtehenden Regierung nicht verargt werden, wenn ſie auch im
Zweifel iſt, wen ſie als wahren Repräſentanten des betreffenden Stats zu betrachten
habe. Im Zweifel hat ſie ſich aber einer verbindlichen Verhandlung mit dem einen
und dem andern zu enthalten, denn es können nicht zugleich zwei verſchiedene Re-
gierungen und daher zwei Vertreter Eines States beſtehn.
122.
Die Frage der Anerkennung einer auswärtigen Regierung wird in
den modernen Staten durchweg von den inländiſchen Regierungen ent-
ſchieden; und es haben ſich dann die Landesgerichte auch in internationalen
Proceſſen nach dieſem Entſcheide zu richten.
Es iſt das eine Folge der Repräſentativgewalt, welche in den modernen Sta-
ten von Europa und Amerika faſt überall ganz den Regierungen anvertraut iſt. Wo
aber eine Verfaſſung, wie die ſchweizeriſche Bundesverfaſſung (Art. 74. 4) dieſe
Anerkennung fremder Staten und Regierungen dem Geſetzgebenden Körper vorbehält,
da iſt natürlich nur dieſer und nicht die Regierung competent. Die Competenz der
ſtatlichen Organe wird durch das Statsrecht, nicht durch das Völkerrecht geregelt.
Die völkerrechtlichen Beziehungen der verſchiedenen Staten zu einander wür-
den übrigens verwirrt, wenn es den einzelnen Gerichten zuſtände, im Gegenſatze zu
dem Entſcheide der Statsregierung eine fremde Regierung ſei es nicht als zu Recht
beſtehend ſei es als berechtigt zu erklären. Phillimore (II. 23) führt manche
Urtheile der Engliſchen und Nordamerikaniſchen Gerichte an, welche dieſe Regel
beſtätigen.
123.
Die völkerrechtliche Perſönlichkeit eines States erleidet keine Aende-
rung, wenn gleich die Regierung desſelben einen Wechſel — und auch
dann nicht, wenn ſie einen gewaltſamen Wechſel — erfährt, vorausgeſetzt
nur, daß Volk und Land in ihrer Individualität fortbeſtehen.
Da nicht einmal die vollſtändige Wandlung der Statsverfaſſung die Fort-
dauer der Statsperſon verhindert (vgl. oben § 41. 42), ſo kann der Wechſel in der
Perſon und dem Syſtem der Regierung noch weniger eine ſo erſchütternde Wirkung
haben.
124.
Das wirkliche Statshaupt iſt berechtigt, auch die völkerrechtlich dem
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