mehr bedarf, oder wenn er im Alter oder aus Kränklichkeit verhindert wird, das Amt zu versehen, Anspruch auf einen Ruhegehalt (Pension).
In Folge dieses Systems wird der deutsche Beamten- körper von dem Selbstgefühl einer gesicherten und geach- teten Lebensstellung erfüllt und gehoben. Es hat sich in ihm das Bewusztsein der Zusammengehörigkeit entwickelt. Er bildet einen wirklichen Berufsstand und hat im Stat auch die Bedeutung einer politischen Macht, mit der man rechnen musz, die weder das Statshaupt noch die Volksver- tretung geringschätzen dürfen, deren Mitwirkung für beide unentbehrlich ist und welche beide theils ergänzt, theils be- schränkt.
4. Das englische System ist von Grund aus verschieden. Einen so durchgebildeten und gefestigten Beamtenkörper gibt es nicht. An der Stelle der deutschen Berufsbeamten sorgen unbesoldete Ehrenämter der englischen Aristokratie für Poli- cei, Verwaltung und Rechtspflege in den Grafschaften. Die englischen Minister gehen nicht aus dem Beamtenstande her- vor, sondern aus den parlamentarischen Parteien. Eine grosze Zahl von öffentlichen Aemtern wird durch den Einflusz der Parteien besetzt, ohne Rücksicht auf Vorbildung, aber mit Rücksicht auf die Empfehlung einfluszreicher Mitglieder des Parlaments (Patronage).
Indessen macht sich auch in England das Bedürfnisz mehr als früher geltend nach Vorbildung und Prüfung des Candi- daten. Für die höheren Richterstellen wird schon seit langem juristische Bildung gefordert, freilich nicht Universitätsbildung, sondern nur Theilnahme an den Körperschaften (Inns) der Londner Juristen, Anwaltspraxis und Anwaltssitten. Neuerlich werden auch eine Anzahl technischer Aemter an Prüfungen gebunden; und es werden dadurch unfähige Personen zurück- gewiesen und der Einflusz der Parteien und der Patrone ver- mindert. Bei Ministerwechseln werden doch nur etwa 60 Stellen
Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter.
mehr bedarf, oder wenn er im Alter oder aus Kränklichkeit verhindert wird, das Amt zu versehen, Anspruch auf einen Ruhegehalt (Pension).
In Folge dieses Systems wird der deutsche Beamten- körper von dem Selbstgefühl einer gesicherten und geach- teten Lebensstellung erfüllt und gehoben. Es hat sich in ihm das Bewusztsein der Zusammengehörigkeit entwickelt. Er bildet einen wirklichen Berufsstand und hat im Stat auch die Bedeutung einer politischen Macht, mit der man rechnen musz, die weder das Statshaupt noch die Volksver- tretung geringschätzen dürfen, deren Mitwirkung für beide unentbehrlich ist und welche beide theils ergänzt, theils be- schränkt.
4. Das englische System ist von Grund aus verschieden. Einen so durchgebildeten und gefestigten Beamtenkörper gibt es nicht. An der Stelle der deutschen Berufsbeamten sorgen unbesoldete Ehrenämter der englischen Aristokratie für Poli- cei, Verwaltung und Rechtspflege in den Grafschaften. Die englischen Minister gehen nicht aus dem Beamtenstande her- vor, sondern aus den parlamentarischen Parteien. Eine grosze Zahl von öffentlichen Aemtern wird durch den Einflusz der Parteien besetzt, ohne Rücksicht auf Vorbildung, aber mit Rücksicht auf die Empfehlung einfluszreicher Mitglieder des Parlaments (Patronage).
Indessen macht sich auch in England das Bedürfnisz mehr als früher geltend nach Vorbildung und Prüfung des Candi- daten. Für die höheren Richterstellen wird schon seit langem juristische Bildung gefordert, freilich nicht Universitätsbildung, sondern nur Theilnahme an den Körperschaften (Inns) der Londner Juristen, Anwaltspraxis und Anwaltssitten. Neuerlich werden auch eine Anzahl technischer Aemter an Prüfungen gebunden; und es werden dadurch unfähige Personen zurück- gewiesen und der Einflusz der Parteien und der Patrone ver- mindert. Bei Ministerwechseln werden doch nur etwa 60 Stellen
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Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter.
mehr bedarf, oder wenn er im Alter oder aus Kränklichkeit
verhindert wird, das Amt zu versehen, Anspruch auf einen
Ruhegehalt (Pension).
In Folge dieses Systems wird der deutsche Beamten-
körper von dem Selbstgefühl einer gesicherten und geach-
teten Lebensstellung erfüllt und gehoben. Es hat sich in
ihm das Bewusztsein der Zusammengehörigkeit entwickelt. Er
bildet einen wirklichen Berufsstand und hat im Stat auch
die Bedeutung einer politischen Macht, mit der man
rechnen musz, die weder das Statshaupt noch die Volksver-
tretung geringschätzen dürfen, deren Mitwirkung für beide
unentbehrlich ist und welche beide theils ergänzt, theils be-
schränkt.
4. Das englische System ist von Grund aus verschieden.
Einen so durchgebildeten und gefestigten Beamtenkörper gibt
es nicht. An der Stelle der deutschen Berufsbeamten sorgen
unbesoldete Ehrenämter der englischen Aristokratie für Poli-
cei, Verwaltung und Rechtspflege in den Grafschaften. Die
englischen Minister gehen nicht aus dem Beamtenstande her-
vor, sondern aus den parlamentarischen Parteien. Eine grosze
Zahl von öffentlichen Aemtern wird durch den Einflusz der
Parteien besetzt, ohne Rücksicht auf Vorbildung, aber mit
Rücksicht auf die Empfehlung einfluszreicher Mitglieder des
Parlaments (Patronage).
Indessen macht sich auch in England das Bedürfnisz mehr
als früher geltend nach Vorbildung und Prüfung des Candi-
daten. Für die höheren Richterstellen wird schon seit langem
juristische Bildung gefordert, freilich nicht Universitätsbildung,
sondern nur Theilnahme an den Körperschaften (Inns) der
Londner Juristen, Anwaltspraxis und Anwaltssitten. Neuerlich
werden auch eine Anzahl technischer Aemter an Prüfungen
gebunden; und es werden dadurch unfähige Personen zurück-
gewiesen und der Einflusz der Parteien und der Patrone ver-
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/629>, abgerufen am 25.11.2024.
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