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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
tung der Republik in Nordamerika ausgebildet worden. Es
ist merkwürdig, dasz die beiden Hauptformen des modernen
States ihre Einführung in die Weltgeschichte dem politischen
Genie angelsächsischer Völker verdanken.

Verschiedene Ursachen wirkten zusammen, um in Amerika
eine neue demokratische Verfassung zu begründen und aus-
zubilden. Nur theilweise rechnen wir hieher die weite Aus-
dehnung
eines Gebietes, das nur allmählig durch harte
Arbeit für die menschliche Cultur gewonnen werden konnte.
In der früheren Geschichte hatten sich weite Räume der De-
mokratie nicht günstig erwiesen. Die unmittelbare Demo-
kratie war nur auf kleinem Gebiete möglich, wo sich die
freien Männer leicht zur Volksversammlung einfinden konnten,
in engen Gebirgsthälern oder in Städten. Weite Länder wur-
den dagegen von groszen monarchischen Reichen colonisirt
und die Colonisten blieben in strenger Unterwürfigkeit. Auch
in dem südlichen Amerika wurden neue Ansiedlungen be-
gründet und grosze Strecken Landes von einer dünnen Be-
völkerung urbar gemacht und doch bildete sich dort noch
lange Zeit keine Demokratie aus. Die Hauptursache liegt
nicht in dem Boden, sondern in dem Charakter der Men-
schen; aber immerhin konnten diese sich auf dem weiten
Boden mit voller Freiheit bequem ausbreiten und der harte
Kampf mit der Natur weckte die schlummernde Thatkraft und
die männliche Entschlossenheit der Pflanzer, sich selber zu
helfen.

Den Sinn für Selbstverwaltung, für Freiheit, für
Gesetzlichkeit brachten die angelsächsischen Colonisten aus
ihrem Heimatlande mit. In der neuen Welt fühlten sie sich
überdem frei von dem Drucke feudaler und aristokratischer
Institutionen und Sitten. Von Anfang an trat die Gleich-
heit
der Ansiedler hervor. Die Puritaner, welche sich in
Neu-England niederlieszen, waren meistens Leute aus den
mittleren Classen der Bevölkerung. Ihr religiöser Glaube war

Sechstes Buch. Die Statsformen.
tung der Republik in Nordamerika ausgebildet worden. Es
ist merkwürdig, dasz die beiden Hauptformen des modernen
States ihre Einführung in die Weltgeschichte dem politischen
Genie angelsächsischer Völker verdanken.

Verschiedene Ursachen wirkten zusammen, um in Amerika
eine neue demokratische Verfassung zu begründen und aus-
zubilden. Nur theilweise rechnen wir hieher die weite Aus-
dehnung
eines Gebietes, das nur allmählig durch harte
Arbeit für die menschliche Cultur gewonnen werden konnte.
In der früheren Geschichte hatten sich weite Räume der De-
mokratie nicht günstig erwiesen. Die unmittelbare Demo-
kratie war nur auf kleinem Gebiete möglich, wo sich die
freien Männer leicht zur Volksversammlung einfinden konnten,
in engen Gebirgsthälern oder in Städten. Weite Länder wur-
den dagegen von groszen monarchischen Reichen colonisirt
und die Colonisten blieben in strenger Unterwürfigkeit. Auch
in dem südlichen Amerika wurden neue Ansiedlungen be-
gründet und grosze Strecken Landes von einer dünnen Be-
völkerung urbar gemacht und doch bildete sich dort noch
lange Zeit keine Demokratie aus. Die Hauptursache liegt
nicht in dem Boden, sondern in dem Charakter der Men-
schen; aber immerhin konnten diese sich auf dem weiten
Boden mit voller Freiheit bequem ausbreiten und der harte
Kampf mit der Natur weckte die schlummernde Thatkraft und
die männliche Entschlossenheit der Pflanzer, sich selber zu
helfen.

Den Sinn für Selbstverwaltung, für Freiheit, für
Gesetzlichkeit brachten die angelsächsischen Colonisten aus
ihrem Heimatlande mit. In der neuen Welt fühlten sie sich
überdem frei von dem Drucke feudaler und aristokratischer
Institutionen und Sitten. Von Anfang an trat die Gleich-
heit
der Ansiedler hervor. Die Puritaner, welche sich in
Neu-England niederlieszen, waren meistens Leute aus den
mittleren Classen der Bevölkerung. Ihr religiöser Glaube war

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[538/0556] Sechstes Buch. Die Statsformen. tung der Republik in Nordamerika ausgebildet worden. Es ist merkwürdig, dasz die beiden Hauptformen des modernen States ihre Einführung in die Weltgeschichte dem politischen Genie angelsächsischer Völker verdanken. Verschiedene Ursachen wirkten zusammen, um in Amerika eine neue demokratische Verfassung zu begründen und aus- zubilden. Nur theilweise rechnen wir hieher die weite Aus- dehnung eines Gebietes, das nur allmählig durch harte Arbeit für die menschliche Cultur gewonnen werden konnte. In der früheren Geschichte hatten sich weite Räume der De- mokratie nicht günstig erwiesen. Die unmittelbare Demo- kratie war nur auf kleinem Gebiete möglich, wo sich die freien Männer leicht zur Volksversammlung einfinden konnten, in engen Gebirgsthälern oder in Städten. Weite Länder wur- den dagegen von groszen monarchischen Reichen colonisirt und die Colonisten blieben in strenger Unterwürfigkeit. Auch in dem südlichen Amerika wurden neue Ansiedlungen be- gründet und grosze Strecken Landes von einer dünnen Be- völkerung urbar gemacht und doch bildete sich dort noch lange Zeit keine Demokratie aus. Die Hauptursache liegt nicht in dem Boden, sondern in dem Charakter der Men- schen; aber immerhin konnten diese sich auf dem weiten Boden mit voller Freiheit bequem ausbreiten und der harte Kampf mit der Natur weckte die schlummernde Thatkraft und die männliche Entschlossenheit der Pflanzer, sich selber zu helfen. Den Sinn für Selbstverwaltung, für Freiheit, für Gesetzlichkeit brachten die angelsächsischen Colonisten aus ihrem Heimatlande mit. In der neuen Welt fühlten sie sich überdem frei von dem Drucke feudaler und aristokratischer Institutionen und Sitten. Von Anfang an trat die Gleich- heit der Ansiedler hervor. Die Puritaner, welche sich in Neu-England niederlieszen, waren meistens Leute aus den mittleren Classen der Bevölkerung. Ihr religiöser Glaube war

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/556>, abgerufen am 22.11.2024.