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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
der Regel, der Form nach immer entscheidenden Antheil.
Ihm steht die Initiative und die Sanction der Gesetze
zu, und in seinem Namen werden sie verkündet.

Wird dieser Grundsatz in einer constitutionellen Mon-
archie verneint, so wird auf diesem Gebiete das monarchische
Princip durch die Einwirkung republikanischer Ideen in Wahr-
heit beeinträchtigt; denn dann ist die oberste Statsmacht nicht
mehr bei dem Monarchen, sondern bei den -- für sich allein
betrachtet -- offenbar republikanischen Kammern, und er ist,
soweit die Gesetzgebung reicht, der Unterthan der Kammern.

Die Rechte der Kammern können folglich nach dem
System der Monarchie nur concurrirende, nicht aus-
schlieszliche
sein.

3. Alle Statsregierung ist in dem Monarchen con-
centrirt
, steht ihm zu selbständigem Rechte zu, und
wird in seinem Namen ausgeübt.

In der constitutionellen Monarchie dürfen die Minister
oder andere Regierungsbeamtete nicht in ihrem Namen re-
gieren
; aber auch der Fürst kann nicht ohne die Mit-
wirkung
der Minister, sondern nur im Einverständnisz
mit ihnen regieren. Alle ihre Gewalt erscheint als ein Aus-
flusz der königlichen Gewalt, ihr Regierungsrecht wird aus
der Fülle der königlichen Macht abgeleitet, und zwar nicht
im Sinne der mittelalterlichen Lehensmonarchie, so dasz ihnen
diese abgeleiteten Rechte für sich zu ihrem eigenen Rechte
und eigener Nutzung verliehen wären, sondern so dasz die
organische Einheit des States gewahrt bleibt. Auch im
Verhältnisz zu den Ministern hat der König Initiative und
Sanction; die erstere können und sollen auch die Minister
üben als leitende Statsmänner, diese steht dem König allein,
den Ministern nur das Recht der freien Zustimmung zu den
Befehlen des Königs zu. 8


8 L. Stein, Verwaltungslehre I. S. 86 f.
unterscheidet ein per-
sönliches
Vollziehungsrecht des Statshaupts von der Regierungs-

Sechstes Buch. Die Statsformen.
der Regel, der Form nach immer entscheidenden Antheil.
Ihm steht die Initiative und die Sanction der Gesetze
zu, und in seinem Namen werden sie verkündet.

Wird dieser Grundsatz in einer constitutionellen Mon-
archie verneint, so wird auf diesem Gebiete das monarchische
Princip durch die Einwirkung republikanischer Ideen in Wahr-
heit beeinträchtigt; denn dann ist die oberste Statsmacht nicht
mehr bei dem Monarchen, sondern bei den — für sich allein
betrachtet — offenbar republikanischen Kammern, und er ist,
soweit die Gesetzgebung reicht, der Unterthan der Kammern.

Die Rechte der Kammern können folglich nach dem
System der Monarchie nur concurrirende, nicht aus-
schlieszliche
sein.

3. Alle Statsregierung ist in dem Monarchen con-
centrirt
, steht ihm zu selbständigem Rechte zu, und
wird in seinem Namen ausgeübt.

In der constitutionellen Monarchie dürfen die Minister
oder andere Regierungsbeamtete nicht in ihrem Namen re-
gieren
; aber auch der Fürst kann nicht ohne die Mit-
wirkung
der Minister, sondern nur im Einverständnisz
mit ihnen regieren. Alle ihre Gewalt erscheint als ein Aus-
flusz der königlichen Gewalt, ihr Regierungsrecht wird aus
der Fülle der königlichen Macht abgeleitet, und zwar nicht
im Sinne der mittelalterlichen Lehensmonarchie, so dasz ihnen
diese abgeleiteten Rechte für sich zu ihrem eigenen Rechte
und eigener Nutzung verliehen wären, sondern so dasz die
organische Einheit des States gewahrt bleibt. Auch im
Verhältnisz zu den Ministern hat der König Initiative und
Sanction; die erstere können und sollen auch die Minister
üben als leitende Statsmänner, diese steht dem König allein,
den Ministern nur das Recht der freien Zustimmung zu den
Befehlen des Königs zu. 8


8 L. Stein, Verwaltungslehre I. S. 86 f.
unterscheidet ein per-
sönliches
Vollziehungsrecht des Statshaupts von der Regierungs-
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[498/0516] Sechstes Buch. Die Statsformen. der Regel, der Form nach immer entscheidenden Antheil. Ihm steht die Initiative und die Sanction der Gesetze zu, und in seinem Namen werden sie verkündet. Wird dieser Grundsatz in einer constitutionellen Mon- archie verneint, so wird auf diesem Gebiete das monarchische Princip durch die Einwirkung republikanischer Ideen in Wahr- heit beeinträchtigt; denn dann ist die oberste Statsmacht nicht mehr bei dem Monarchen, sondern bei den — für sich allein betrachtet — offenbar republikanischen Kammern, und er ist, soweit die Gesetzgebung reicht, der Unterthan der Kammern. Die Rechte der Kammern können folglich nach dem System der Monarchie nur concurrirende, nicht aus- schlieszliche sein. 3. Alle Statsregierung ist in dem Monarchen con- centrirt, steht ihm zu selbständigem Rechte zu, und wird in seinem Namen ausgeübt. In der constitutionellen Monarchie dürfen die Minister oder andere Regierungsbeamtete nicht in ihrem Namen re- gieren; aber auch der Fürst kann nicht ohne die Mit- wirkung der Minister, sondern nur im Einverständnisz mit ihnen regieren. Alle ihre Gewalt erscheint als ein Aus- flusz der königlichen Gewalt, ihr Regierungsrecht wird aus der Fülle der königlichen Macht abgeleitet, und zwar nicht im Sinne der mittelalterlichen Lehensmonarchie, so dasz ihnen diese abgeleiteten Rechte für sich zu ihrem eigenen Rechte und eigener Nutzung verliehen wären, sondern so dasz die organische Einheit des States gewahrt bleibt. Auch im Verhältnisz zu den Ministern hat der König Initiative und Sanction; die erstere können und sollen auch die Minister üben als leitende Statsmänner, diese steht dem König allein, den Ministern nur das Recht der freien Zustimmung zu den Befehlen des Königs zu. 8 8 L. Stein, Verwaltungslehre I. S. 86 f. unterscheidet ein per- sönliches Vollziehungsrecht des Statshaupts von der Regierungs-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/516>, abgerufen am 24.11.2024.