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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Fünfz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 2. Falsche Vorst. etc.
der Name des Rechtes nachfolgt. Als die Ausübung des
Grundeigenthums im Mittelalter dauernd auf die Vasallen und
die hofhörigen Bauern übergegangen war, wurde auch das
Eigenthum selbst anfänglich als nutzbares Eigenthum von
diesen erworben, und der formelle Schein und Name des
Obereigenthums ging im Verfolg der Zeit für den vormaligen
Herrn unabwendbar verloren. Als die karolingischen Haus-
meyer die königliche Macht der Merowinger erworben hatten,
blieb auch der Name des Königthums nicht bei diesen. Ist
einmal die wirkliche Regierungsmacht von dem Könige abge-
löst und den Ministern zu Recht übergeben, so ist es eine
republikanische Behörde, welcher das Regiment in
Wahrheit zukommt, und das Königthum ist zur leeren Form
geworden. 4 Das blosze Symbol an der Spitze des States, statt
einer lebendigen und thatkräftigen Individualität, könnte
höchstens als Ideokratie, nicht als Monarchie gelten.

4. Es ist daher auch ein absurder Satz, dasz es in der
constitutionellen Monarchie "gleichgültig" sei, wer König sei,
ob eine ausgezeichnete Persönlichkeit oder eine unbedeutende,
ob ein verständiger oder ein beschränkter Kopf, ein edler
Charakter oder ein Bösewicht. Die constitutionell-monarchische
Statsform hat die Tendenz, dafür zu sorgen, dasz der König
zwar so wenig Uebels als möglich thun, aber dasz er auch
so viel Gutes thun könne als möglich. Nur in diesem Sinne
beschränkt sie ihn. Sie weisz, dasz er ein Mensch ist, und
dasz Uebermacht selbst die Bessern verdirbt. Aber sie will
ihn nicht zur Puppe machen in der Hand der Minister. Sie
will nicht in ihm, der die oberste und herrlichste Stellung

4 Unter jener Voraussetzung hatte die radical-demokratische Partei
zu Frankfurt im Jahr 1848 Recht gehabt, in ihrem Programm das "con-
stitutionelle Königthum" als eine "Sinecure," als einen
"abgetragenen
Hut" zu erklären, nur bestimmt: "einen Premierminister zu
ernennen"
(der dann regelmäszig auch aufgedrungen würde), und "für die Erzeu-
gung eines Nachfolgers" zu sorgen.

Fünfz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 2. Falsche Vorst. etc.
der Name des Rechtes nachfolgt. Als die Ausübung des
Grundeigenthums im Mittelalter dauernd auf die Vasallen und
die hofhörigen Bauern übergegangen war, wurde auch das
Eigenthum selbst anfänglich als nutzbares Eigenthum von
diesen erworben, und der formelle Schein und Name des
Obereigenthums ging im Verfolg der Zeit für den vormaligen
Herrn unabwendbar verloren. Als die karolingischen Haus-
meyer die königliche Macht der Merowinger erworben hatten,
blieb auch der Name des Königthums nicht bei diesen. Ist
einmal die wirkliche Regierungsmacht von dem Könige abge-
löst und den Ministern zu Recht übergeben, so ist es eine
republikanische Behörde, welcher das Regiment in
Wahrheit zukommt, und das Königthum ist zur leeren Form
geworden. 4 Das blosze Symbol an der Spitze des States, statt
einer lebendigen und thatkräftigen Individualität, könnte
höchstens als Ideokratie, nicht als Monarchie gelten.

4. Es ist daher auch ein absurder Satz, dasz es in der
constitutionellen Monarchie „gleichgültig“ sei, wer König sei,
ob eine ausgezeichnete Persönlichkeit oder eine unbedeutende,
ob ein verständiger oder ein beschränkter Kopf, ein edler
Charakter oder ein Bösewicht. Die constitutionell-monarchische
Statsform hat die Tendenz, dafür zu sorgen, dasz der König
zwar so wenig Uebels als möglich thun, aber dasz er auch
so viel Gutes thun könne als möglich. Nur in diesem Sinne
beschränkt sie ihn. Sie weisz, dasz er ein Mensch ist, und
dasz Uebermacht selbst die Bessern verdirbt. Aber sie will
ihn nicht zur Puppe machen in der Hand der Minister. Sie
will nicht in ihm, der die oberste und herrlichste Stellung

4 Unter jener Voraussetzung hatte die radical-demokratische Partei
zu Frankfurt im Jahr 1848 Recht gehabt, in ihrem Programm das „con-
stitutionelle Königthum“ als eine „Sinecure,“ als einen
„abgetragenen
Hut“ zu erklären, nur bestimmt: „einen Premierminister zu
ernennen“
(der dann regelmäszig auch aufgedrungen würde), und „für die Erzeu-
gung eines Nachfolgers“ zu sorgen.
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[489/0507] Fünfz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 2. Falsche Vorst. etc. der Name des Rechtes nachfolgt. Als die Ausübung des Grundeigenthums im Mittelalter dauernd auf die Vasallen und die hofhörigen Bauern übergegangen war, wurde auch das Eigenthum selbst anfänglich als nutzbares Eigenthum von diesen erworben, und der formelle Schein und Name des Obereigenthums ging im Verfolg der Zeit für den vormaligen Herrn unabwendbar verloren. Als die karolingischen Haus- meyer die königliche Macht der Merowinger erworben hatten, blieb auch der Name des Königthums nicht bei diesen. Ist einmal die wirkliche Regierungsmacht von dem Könige abge- löst und den Ministern zu Recht übergeben, so ist es eine republikanische Behörde, welcher das Regiment in Wahrheit zukommt, und das Königthum ist zur leeren Form geworden. 4 Das blosze Symbol an der Spitze des States, statt einer lebendigen und thatkräftigen Individualität, könnte höchstens als Ideokratie, nicht als Monarchie gelten. 4. Es ist daher auch ein absurder Satz, dasz es in der constitutionellen Monarchie „gleichgültig“ sei, wer König sei, ob eine ausgezeichnete Persönlichkeit oder eine unbedeutende, ob ein verständiger oder ein beschränkter Kopf, ein edler Charakter oder ein Bösewicht. Die constitutionell-monarchische Statsform hat die Tendenz, dafür zu sorgen, dasz der König zwar so wenig Uebels als möglich thun, aber dasz er auch so viel Gutes thun könne als möglich. Nur in diesem Sinne beschränkt sie ihn. Sie weisz, dasz er ein Mensch ist, und dasz Uebermacht selbst die Bessern verdirbt. Aber sie will ihn nicht zur Puppe machen in der Hand der Minister. Sie will nicht in ihm, der die oberste und herrlichste Stellung 4 Unter jener Voraussetzung hatte die radical-demokratische Partei zu Frankfurt im Jahr 1848 Recht gehabt, in ihrem Programm das „con- stitutionelle Königthum“ als eine „Sinecure,“ als einen „abgetragenen Hut“ zu erklären, nur bestimmt: „einen Premierminister zu ernennen“ (der dann regelmäszig auch aufgedrungen würde), und „für die Erzeu- gung eines Nachfolgers“ zu sorgen.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/507>, abgerufen am 24.11.2024.