da nur eine ermäszigende und vermittelnde Bedeutung. Die continentalen Verfassungskämpfe sind Strebungen dieser mäch- tigen Elemente, das richtige Verhältnisz zu einander und zum Ganzen zu finden. Die ausschlieszliche Geltung des einen und die völlige Unterdrückung des andern wurde oft versucht, aber immer wieder erhob sich das entgegengesetzte Element von momentanem Fall. Die constitutionelle Monarchie des Continents strebt offenbar eine organische Gestaltung an, welche allen Theilen des Gesammtkörpers ihr Recht gebe, der Monarchie die Fülle der Macht und Hoheit, den aristokrati- schen Elementen Würde und Autorität, dem Demos Frieden und Freiheit.
Ueberall auf dem Continent, vorzüglich aber in Frank- reich und in Deutschland ist die Monarchie nicht blosz der äuszern Form nach, sondern der ganzen Anlage des Ver- fassungskörpers nach die active Hauptmacht. Sie wird nur dann gehemmt durch die unberechenbare, aber in der Regel ruhende Macht der öffentlichen Meinung, wenn sie in Wider- spruch tritt mit den Instincten der Nation und mit der Strö- mung der Weltgeschichte. In Harmonie mit denselben aber ist sie viel stärker als die Aristokratie, welche entweder wie in Deutschland ihr gegen gewisse Vortheile zu dienen bereit ist, oder wie in Frankreich in Ohnmacht murrt, und selbst als die Vertretung des ganzen übrigen Volks, welche nur die Regierung controliren, aber nicht selber regieren will. In Frankreich aber stützte sich die bourbonische Monarchie mehr auf die Zustimmung der reichen Bürgerclassen, die Napoleo- nische mehr auf die groszen Volksmassen, in den deutschen Länderstaten stützt sie sich mehr theils auf die Statsmittel des Beamtenthums, welches hinwieder die Monarchie am mei- sten beschränkt, theils auf die Armee, in dem deutschen Reich auf die Unterstützung der groszen Volksclassen und die Mit- wirkung der Landesregierungen. Zu einer befriedigenden Organisation des Demos ist es aber noch nirgends gekommen,
Sechstes Buch. Die Statsformen.
da nur eine ermäszigende und vermittelnde Bedeutung. Die continentalen Verfassungskämpfe sind Strebungen dieser mäch- tigen Elemente, das richtige Verhältnisz zu einander und zum Ganzen zu finden. Die ausschlieszliche Geltung des einen und die völlige Unterdrückung des andern wurde oft versucht, aber immer wieder erhob sich das entgegengesetzte Element von momentanem Fall. Die constitutionelle Monarchie des Continents strebt offenbar eine organische Gestaltung an, welche allen Theilen des Gesammtkörpers ihr Recht gebe, der Monarchie die Fülle der Macht und Hoheit, den aristokrati- schen Elementen Würde und Autorität, dem Demos Frieden und Freiheit.
Ueberall auf dem Continent, vorzüglich aber in Frank- reich und in Deutschland ist die Monarchie nicht blosz der äuszern Form nach, sondern der ganzen Anlage des Ver- fassungskörpers nach die active Hauptmacht. Sie wird nur dann gehemmt durch die unberechenbare, aber in der Regel ruhende Macht der öffentlichen Meinung, wenn sie in Wider- spruch tritt mit den Instincten der Nation und mit der Strö- mung der Weltgeschichte. In Harmonie mit denselben aber ist sie viel stärker als die Aristokratie, welche entweder wie in Deutschland ihr gegen gewisse Vortheile zu dienen bereit ist, oder wie in Frankreich in Ohnmacht murrt, und selbst als die Vertretung des ganzen übrigen Volks, welche nur die Regierung controliren, aber nicht selber regieren will. In Frankreich aber stützte sich die bourbonische Monarchie mehr auf die Zustimmung der reichen Bürgerclassen, die Napoleo- nische mehr auf die groszen Volksmassen, in den deutschen Länderstaten stützt sie sich mehr theils auf die Statsmittel des Beamtenthums, welches hinwieder die Monarchie am mei- sten beschränkt, theils auf die Armee, in dem deutschen Reich auf die Unterstützung der groszen Volksclassen und die Mit- wirkung der Landesregierungen. Zu einer befriedigenden Organisation des Demos ist es aber noch nirgends gekommen,
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Sechstes Buch. Die Statsformen.
da nur eine ermäszigende und vermittelnde Bedeutung. Die
continentalen Verfassungskämpfe sind Strebungen dieser mäch-
tigen Elemente, das richtige Verhältnisz zu einander und zum
Ganzen zu finden. Die ausschlieszliche Geltung des einen
und die völlige Unterdrückung des andern wurde oft versucht,
aber immer wieder erhob sich das entgegengesetzte Element
von momentanem Fall. Die constitutionelle Monarchie des
Continents strebt offenbar eine organische Gestaltung an,
welche allen Theilen des Gesammtkörpers ihr Recht gebe, der
Monarchie die Fülle der Macht und Hoheit, den aristokrati-
schen Elementen Würde und Autorität, dem Demos Frieden
und Freiheit.
Ueberall auf dem Continent, vorzüglich aber in Frank-
reich und in Deutschland ist die Monarchie nicht blosz
der äuszern Form nach, sondern der ganzen Anlage des Ver-
fassungskörpers nach die active Hauptmacht. Sie wird nur
dann gehemmt durch die unberechenbare, aber in der Regel
ruhende Macht der öffentlichen Meinung, wenn sie in Wider-
spruch tritt mit den Instincten der Nation und mit der Strö-
mung der Weltgeschichte. In Harmonie mit denselben aber
ist sie viel stärker als die Aristokratie, welche entweder wie
in Deutschland ihr gegen gewisse Vortheile zu dienen bereit
ist, oder wie in Frankreich in Ohnmacht murrt, und selbst
als die Vertretung des ganzen übrigen Volks, welche nur die
Regierung controliren, aber nicht selber regieren will. In
Frankreich aber stützte sich die bourbonische Monarchie mehr
auf die Zustimmung der reichen Bürgerclassen, die Napoleo-
nische mehr auf die groszen Volksmassen, in den deutschen
Länderstaten stützt sie sich mehr theils auf die Statsmittel
des Beamtenthums, welches hinwieder die Monarchie am mei-
sten beschränkt, theils auf die Armee, in dem deutschen Reich
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/502>, abgerufen am 24.11.2024.
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