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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
tige constitutionelle Monarchie vor: a) durch die energische
Durchführung des Princips, dasz Königsrecht Statspflicht sei,
b) durch seine Gesetzgebung über das öffentliche Recht
(Preuszisches Landrecht), c) durch die strenge Gewöhnung aller
Statsbeamten an statliche Pflichtübung.

Die französische Revolution lenkte eher von dem Wege
ab, auf den der grosze König gewiesen hatte, indem sie die
deutschen Fürsten mit Furcht und Hasz erfüllte und in den
Völkern zu radicaler Uebertreibung reizte.

3. Die Verfassungen, welche in der Rheinbundsperiode
zu Stande kamen, hauptsächlich auf den Antrieb des Protec-
tors des Rheinbundes, Napoleon's I., konnten insofern als
eine Uebergangsstufe zu der constitutionellen Monarchie die-
nen, als sie mit den Resten der alten Landstände aufräum-
ten, in Einer Urkunde die Grundgesetze zusammen faszten
und eine Art von Repräsentation -- freilich eine kümmerliche
und ohnmächtige -- des Grundbesitzes, der Industrie und der
höheren Bildung versprachen.

4. Als der grosze Befreiungskampf, zu dem sich die Na-
tion opfermuthig erhoben hatte, die Fremdherrschaft brach,
war ein günstiger Moment da, um die moderne Statsordnung
in nationalem und freiem Geiste durchzuführen. Die wenigen
groszen Statsmänner, die Deutschland hatte, Stein, Hum-
boldt
, anfangs auch Hardenberg wollten es. Der König
Friedrich Wilhelm III. von Preuszen hatte seine Geneigt-
heit dazu öffentlich ausgesprochen. Aber durchweg war die
absolutistische Gesinnung der deutschen Dynastien, der vor-
nehmen Kreise der Gesellschaft, des Beamtenthums so über-
mächtig, die antirevolutionäre Stimmung so misztrauisch gegen
alle modernen Ideen, und so befangen in romantischen Phan-
tasien, und die politische Bildung des Volkes so unreif, dasz
in dem deutschen Bunde und in den souveränen (groszen
mittleren und kleinen) Monarchien, die sich in die Be-
herrschung der deutschen Nation getheilt hatten, ein nur

Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc.
tige constitutionelle Monarchie vor: a) durch die energische
Durchführung des Princips, dasz Königsrecht Statspflicht sei,
b) durch seine Gesetzgebung über das öffentliche Recht
(Preuszisches Landrecht), c) durch die strenge Gewöhnung aller
Statsbeamten an statliche Pflichtübung.

Die französische Revolution lenkte eher von dem Wege
ab, auf den der grosze König gewiesen hatte, indem sie die
deutschen Fürsten mit Furcht und Hasz erfüllte und in den
Völkern zu radicaler Uebertreibung reizte.

3. Die Verfassungen, welche in der Rheinbundsperiode
zu Stande kamen, hauptsächlich auf den Antrieb des Protec-
tors des Rheinbundes, Napoleon's I., konnten insofern als
eine Uebergangsstufe zu der constitutionellen Monarchie die-
nen, als sie mit den Resten der alten Landstände aufräum-
ten, in Einer Urkunde die Grundgesetze zusammen faszten
und eine Art von Repräsentation — freilich eine kümmerliche
und ohnmächtige — des Grundbesitzes, der Industrie und der
höheren Bildung versprachen.

4. Als der grosze Befreiungskampf, zu dem sich die Na-
tion opfermuthig erhoben hatte, die Fremdherrschaft brach,
war ein günstiger Moment da, um die moderne Statsordnung
in nationalem und freiem Geiste durchzuführen. Die wenigen
groszen Statsmänner, die Deutschland hatte, Stein, Hum-
boldt
, anfangs auch Hardenberg wollten es. Der König
Friedrich Wilhelm III. von Preuszen hatte seine Geneigt-
heit dazu öffentlich ausgesprochen. Aber durchweg war die
absolutistische Gesinnung der deutschen Dynastien, der vor-
nehmen Kreise der Gesellschaft, des Beamtenthums so über-
mächtig, die antirevolutionäre Stimmung so misztrauisch gegen
alle modernen Ideen, und so befangen in romantischen Phan-
tasien, und die politische Bildung des Volkes so unreif, dasz
in dem deutschen Bunde und in den souveränen (groszen
mittleren und kleinen) Monarchien, die sich in die Be-
herrschung der deutschen Nation getheilt hatten, ein nur

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[473/0491] Vierz. Cap. II. Mon. Statsformen. G. Const. Monarchie. 1. Entstehung etc. tige constitutionelle Monarchie vor: a) durch die energische Durchführung des Princips, dasz Königsrecht Statspflicht sei, b) durch seine Gesetzgebung über das öffentliche Recht (Preuszisches Landrecht), c) durch die strenge Gewöhnung aller Statsbeamten an statliche Pflichtübung. Die französische Revolution lenkte eher von dem Wege ab, auf den der grosze König gewiesen hatte, indem sie die deutschen Fürsten mit Furcht und Hasz erfüllte und in den Völkern zu radicaler Uebertreibung reizte. 3. Die Verfassungen, welche in der Rheinbundsperiode zu Stande kamen, hauptsächlich auf den Antrieb des Protec- tors des Rheinbundes, Napoleon's I., konnten insofern als eine Uebergangsstufe zu der constitutionellen Monarchie die- nen, als sie mit den Resten der alten Landstände aufräum- ten, in Einer Urkunde die Grundgesetze zusammen faszten und eine Art von Repräsentation — freilich eine kümmerliche und ohnmächtige — des Grundbesitzes, der Industrie und der höheren Bildung versprachen. 4. Als der grosze Befreiungskampf, zu dem sich die Na- tion opfermuthig erhoben hatte, die Fremdherrschaft brach, war ein günstiger Moment da, um die moderne Statsordnung in nationalem und freiem Geiste durchzuführen. Die wenigen groszen Statsmänner, die Deutschland hatte, Stein, Hum- boldt, anfangs auch Hardenberg wollten es. Der König Friedrich Wilhelm III. von Preuszen hatte seine Geneigt- heit dazu öffentlich ausgesprochen. Aber durchweg war die absolutistische Gesinnung der deutschen Dynastien, der vor- nehmen Kreise der Gesellschaft, des Beamtenthums so über- mächtig, die antirevolutionäre Stimmung so misztrauisch gegen alle modernen Ideen, und so befangen in romantischen Phan- tasien, und die politische Bildung des Volkes so unreif, dasz in dem deutschen Bunde und in den souveränen (groszen mittleren und kleinen) Monarchien, die sich in die Be- herrschung der deutschen Nation getheilt hatten, ein nur

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/491>, abgerufen am 24.11.2024.