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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
baldis diese Statsform als die für Italien zur Zeit noth-
wendige anzuerkennen.

6. Den Uebergang von den romanischen zu den germa-
nischen Staten bildet Belgien, dessen Verfassung vom Jahr
1831 wieder der französischen von 1830 nachgebildet ist, in
einzelnen wichtigen Beziehungen aber der bürgerlich-demo-
kratischen Anschauung näher steht als diese. Dahin gehört
der Satz, dasz "alle Gewalten von dem Volke ausgehen"
(Art. 25), wobei freilich zu beachten ist, dasz Belgien keine
monarchische Dynastie mehr hatte, sondern eine solche erst
berufen muszte, die Verneinung jedes Ständeunterschiedes
(Art. 6), das ausgedehntere Stimmrecht für die Kammern u. s. f.
Das Zweikammersystem ist zwar beibehalten, die erste Kammer
aber oder "der Senat" wird auf Zeit gewählt, und zwar
von den nämlichen Wählern, welche die Deputirten bestellen
(der Entwurf hatte noch dem König die Ernennung der Se-
natoren vorbehalten), und nur die Erfordernisse des Alters
und Reichthums für die Senatoren werden höher angesetzt.
Das Land hat inzwischen, von einem statsmännischen Könige,
Leopold von Koburg, weise regiert, die Erschütterung der
europäischen Revolution von 1848 nur wenig verspürt und
seine Wohlfahrt hat seither glücklich zugenommen, obwohl
auch in Belgien der Kampf der ultramontanen und liberalen
Partei leidenschaftlich fortgeführt wird. 21

IV. Germanische Staten auszer Deutschland.

1. Eine eigenthümliche Entwicklung hat das constitutio-
nelle System in dem scandinavischen Norden erfahren. Zu-
nächst in Schweden, dessen Reichstag seit dem XVI. Jahr-
hundert aus vier Ständen zusammengesetzt war, welche vier
gesonderte Stimmen hatten, nämlich: die Ritterschaft und
der Adel, die Geistlichkeit, die Bürgerschaft und die
Bauerschaft. Oefter hatten sich die Könige auf die beiden

21 Lehrreich ist die Geschichte der Gründung der constitutionellen
Monarchie in Belgien von Theodor Juste. 1850. 2 Bde.

Sechstes Buch. Die Statsformen.
baldis diese Statsform als die für Italien zur Zeit noth-
wendige anzuerkennen.

6. Den Uebergang von den romanischen zu den germa-
nischen Staten bildet Belgien, dessen Verfassung vom Jahr
1831 wieder der französischen von 1830 nachgebildet ist, in
einzelnen wichtigen Beziehungen aber der bürgerlich-demo-
kratischen Anschauung näher steht als diese. Dahin gehört
der Satz, dasz „alle Gewalten von dem Volke ausgehen“
(Art. 25), wobei freilich zu beachten ist, dasz Belgien keine
monarchische Dynastie mehr hatte, sondern eine solche erst
berufen muszte, die Verneinung jedes Ständeunterschiedes
(Art. 6), das ausgedehntere Stimmrecht für die Kammern u. s. f.
Das Zweikammersystem ist zwar beibehalten, die erste Kammer
aber oder „der Senat“ wird auf Zeit gewählt, und zwar
von den nämlichen Wählern, welche die Deputirten bestellen
(der Entwurf hatte noch dem König die Ernennung der Se-
natoren vorbehalten), und nur die Erfordernisse des Alters
und Reichthums für die Senatoren werden höher angesetzt.
Das Land hat inzwischen, von einem statsmännischen Könige,
Leopold von Koburg, weise regiert, die Erschütterung der
europäischen Revolution von 1848 nur wenig verspürt und
seine Wohlfahrt hat seither glücklich zugenommen, obwohl
auch in Belgien der Kampf der ultramontanen und liberalen
Partei leidenschaftlich fortgeführt wird. 21

IV. Germanische Staten auszer Deutschland.

1. Eine eigenthümliche Entwicklung hat das constitutio-
nelle System in dem scandinavischen Norden erfahren. Zu-
nächst in Schweden, dessen Reichstag seit dem XVI. Jahr-
hundert aus vier Ständen zusammengesetzt war, welche vier
gesonderte Stimmen hatten, nämlich: die Ritterschaft und
der Adel, die Geistlichkeit, die Bürgerschaft und die
Bauerschaft. Oefter hatten sich die Könige auf die beiden

21 Lehrreich ist die Geschichte der Gründung der constitutionellen
Monarchie in Belgien von Theodor Juste. 1850. 2 Bde.
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[468/0486] Sechstes Buch. Die Statsformen. baldis diese Statsform als die für Italien zur Zeit noth- wendige anzuerkennen. 6. Den Uebergang von den romanischen zu den germa- nischen Staten bildet Belgien, dessen Verfassung vom Jahr 1831 wieder der französischen von 1830 nachgebildet ist, in einzelnen wichtigen Beziehungen aber der bürgerlich-demo- kratischen Anschauung näher steht als diese. Dahin gehört der Satz, dasz „alle Gewalten von dem Volke ausgehen“ (Art. 25), wobei freilich zu beachten ist, dasz Belgien keine monarchische Dynastie mehr hatte, sondern eine solche erst berufen muszte, die Verneinung jedes Ständeunterschiedes (Art. 6), das ausgedehntere Stimmrecht für die Kammern u. s. f. Das Zweikammersystem ist zwar beibehalten, die erste Kammer aber oder „der Senat“ wird auf Zeit gewählt, und zwar von den nämlichen Wählern, welche die Deputirten bestellen (der Entwurf hatte noch dem König die Ernennung der Se- natoren vorbehalten), und nur die Erfordernisse des Alters und Reichthums für die Senatoren werden höher angesetzt. Das Land hat inzwischen, von einem statsmännischen Könige, Leopold von Koburg, weise regiert, die Erschütterung der europäischen Revolution von 1848 nur wenig verspürt und seine Wohlfahrt hat seither glücklich zugenommen, obwohl auch in Belgien der Kampf der ultramontanen und liberalen Partei leidenschaftlich fortgeführt wird. 21 IV. Germanische Staten auszer Deutschland. 1. Eine eigenthümliche Entwicklung hat das constitutio- nelle System in dem scandinavischen Norden erfahren. Zu- nächst in Schweden, dessen Reichstag seit dem XVI. Jahr- hundert aus vier Ständen zusammengesetzt war, welche vier gesonderte Stimmen hatten, nämlich: die Ritterschaft und der Adel, die Geistlichkeit, die Bürgerschaft und die Bauerschaft. Oefter hatten sich die Könige auf die beiden 21 Lehrreich ist die Geschichte der Gründung der constitutionellen Monarchie in Belgien von Theodor Juste. 1850. 2 Bde.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/486>, abgerufen am 24.11.2024.