wärtigen Privaten zu machen und ihnen schwere Lasten auf- zubürden. Es kommt auch wohl vor, dasz die Bedürfnisse der Privatwohlfahrt von dem State auszergewöhnliche Hülfe und Unterstützung fordern, welche diesen mit groszen Schul- den belasten.
Es kommt also darauf an, näher zu prüfen, unter wel- chen Voraussetzungen der Stat ein Mittel ist für die Privaten, und unter welchen Bedingungen und bis zu welchen Grenzen der Selbstzweck des States Unterordnung der Privaten zu for- dern berechtigt ist.
Zweites Capitel. Falsche Bestimmung des Statszwecks.
1. In der Praxis mehr noch als in der Theorie ist oft als der eigentliche Selbstzweck die Herrschaft der Obrig- keit, insbesondere der Fürsten über die Unterthanen ver- kündet worden.
Wäre die Herrschaft der Zweck des States, so würde die Consequenz dieses Gedankens zu einer möglichst absoluten und zu einer möglichst allgemeinen Herrschaft führen, als dem eigentlichen Statsideal, d. h. die absolute Universal- monarchie oder vielmehr die Universaldespotie wäre das letzte Ziel des statlichen Strebens. Damit aber wären die Freiheit der Völker und die Entfaltung der in der Mensch- heit ruhenden Kräfte unvereinbar.
Der ganze Gedanke hat seinen Grund nicht in der ge- meinsamen Menschennatur, nicht in der natürlichen Anlage und Begabung der Menschen zum Stat. Seine Wurzel findet er nur in der Herrschsucht und in der eiteln und anmaszenden Selbstüberhebung der Führer.
Schon Aristoteles (Politik III. 5) hat diese falsche
Fünftes Buch. Der Statszweck.
wärtigen Privaten zu machen und ihnen schwere Lasten auf- zubürden. Es kommt auch wohl vor, dasz die Bedürfnisse der Privatwohlfahrt von dem State auszergewöhnliche Hülfe und Unterstützung fordern, welche diesen mit groszen Schul- den belasten.
Es kommt also darauf an, näher zu prüfen, unter wel- chen Voraussetzungen der Stat ein Mittel ist für die Privaten, und unter welchen Bedingungen und bis zu welchen Grenzen der Selbstzweck des States Unterordnung der Privaten zu for- dern berechtigt ist.
Zweites Capitel. Falsche Bestimmung des Statszwecks.
1. In der Praxis mehr noch als in der Theorie ist oft als der eigentliche Selbstzweck die Herrschaft der Obrig- keit, insbesondere der Fürsten über die Unterthanen ver- kündet worden.
Wäre die Herrschaft der Zweck des States, so würde die Consequenz dieses Gedankens zu einer möglichst absoluten und zu einer möglichst allgemeinen Herrschaft führen, als dem eigentlichen Statsideal, d. h. die absolute Universal- monarchie oder vielmehr die Universaldespotie wäre das letzte Ziel des statlichen Strebens. Damit aber wären die Freiheit der Völker und die Entfaltung der in der Mensch- heit ruhenden Kräfte unvereinbar.
Der ganze Gedanke hat seinen Grund nicht in der ge- meinsamen Menschennatur, nicht in der natürlichen Anlage und Begabung der Menschen zum Stat. Seine Wurzel findet er nur in der Herrschsucht und in der eiteln und anmaszenden Selbstüberhebung der Führer.
Schon Aristoteles (Politik III. 5) hat diese falsche
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Fünftes Buch. Der Statszweck.
wärtigen Privaten zu machen und ihnen schwere Lasten auf-
zubürden. Es kommt auch wohl vor, dasz die Bedürfnisse
der Privatwohlfahrt von dem State auszergewöhnliche Hülfe
und Unterstützung fordern, welche diesen mit groszen Schul-
den belasten.
Es kommt also darauf an, näher zu prüfen, unter wel-
chen Voraussetzungen der Stat ein Mittel ist für die Privaten,
und unter welchen Bedingungen und bis zu welchen Grenzen
der Selbstzweck des States Unterordnung der Privaten zu for-
dern berechtigt ist.
Zweites Capitel.
Falsche Bestimmung des Statszwecks.
1. In der Praxis mehr noch als in der Theorie ist oft
als der eigentliche Selbstzweck die Herrschaft der Obrig-
keit, insbesondere der Fürsten über die Unterthanen ver-
kündet worden.
Wäre die Herrschaft der Zweck des States, so würde die
Consequenz dieses Gedankens zu einer möglichst absoluten
und zu einer möglichst allgemeinen Herrschaft führen, als
dem eigentlichen Statsideal, d. h. die absolute Universal-
monarchie oder vielmehr die Universaldespotie wäre
das letzte Ziel des statlichen Strebens. Damit aber wären
die Freiheit der Völker und die Entfaltung der in der Mensch-
heit ruhenden Kräfte unvereinbar.
Der ganze Gedanke hat seinen Grund nicht in der ge-
meinsamen Menschennatur, nicht in der natürlichen Anlage
und Begabung der Menschen zum Stat. Seine Wurzel findet
er nur in der Herrschsucht und in der eiteln und anmaszenden
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/368>, abgerufen am 04.05.2024.
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