Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
ebenso die Herzoge, Grafen, welche von dem Könige mit ihren Aemtern beliehen wurden und die Bischöfe und Aebte huldigten noch immer in derselben Weise der göttlichen Gnade.
Zuweilen wird nun aber der Gnade Gottes die Gnade des Kaisers: "Dei et Imperiali gratia" von den weltlichen Groszen, und die Gnade des Papstes von den geistlichen Fürsten "Dei et apostolicae sedis gratia" hinzugefügt.
Allmählich aber bekommt die ausschlieszliche Berufung auf die Gnade Gottes die Nebenbedeutung der Unmittelbarkeit der obrig- keitlichen Gewalt, im Gegensatze zu einer übergeordneten Lehensherr- schaft. Der Ausdruck entsprach überhaupt der Neigung des Mittelalters, alle Gewalt von Gott abzuleiten.
c) Nach der Kirchenreform fingen die Lutherischen Theologen an, den Satz von Paulus: "Alle Obrigkeit von Gott" als ein christliches Dogma nachdrücklich zu verkünden, und die Träger der Statsgewalt als Gesalbte und Stellvertreter Gottes zu erklären. Luther selber war darin viel freier. Wir erinnern uns, dasz er einst an König Heinrich VIII. von England schrieb: "Ich Martin Luther von Gottes Gnaden ecclesiastes an Heinrich, von Gottes Ungnaden König von England." Die buchstaben- gläubigen Theologen bedachten auch nicht, dasz der Apostel Paulus jenen Satz, ganz im Gegensatze zu den theokratisch gesinnten Juden- christen, welche den heidnischen Kaiser verachteten, mit Absicht auf den römischen Kaiser Nero bezog, der seine Gewalt nach dem römischen Statsrecht von dem römischen Volke empfangen hatte. Sie übersahen, dasz der Apostel Petrus ganz dasselbe wollte, wenn er den Christen "Gehorsam gegen die menschliche Ordnung" empfahl. Sie berühmten sich, vorzugsweise die Vertreter des göttlichen Rechts der weltlichen Fürsten zu sein.
d) Entschiedener noch versuchten es König Ludwig XIV. von Frank- reich und Jakob II. von England, aus dem Gottesgnadenthum der Könige ein neues Statsdogma zu machen und dadurch der angestrebten absoluten Gewalt der Könige eine höhere Sanction zu verleihen. Das Königsrecht sollte nun, im Gegensatz zu allen andern menschlichen Rechten des Eigenthums, der Familie, der Parlamente, ein specifisch göttliches d. h. absolutes sein. Es sollte über die Sphäre der menschlichen Rechtsordnung erhoben werden. Indessen widersetzten sich die französischen Stände der gesetzlichen Sanction der behaupteten Göttlichkeit der Könige und heftiger noch widersprach das englische Parlament. In England wurde das theo- kratisirende Princip durch die Revolution von 1688, in Frankreich durch die Revolution von 1789 definitiv verworfen.
e) Am entschiedensten sprachen sich dagegen die Männer der deut- schen Wissenschaft Puffendorf und Thomasius aus, vor allen aber Friedrich der Grosze, der darin das Grundgebrechen der europäischen Statszustände erkannte.
Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
ebenso die Herzoge, Grafen, welche von dem Könige mit ihren Aemtern beliehen wurden und die Bischöfe und Aebte huldigten noch immer in derselben Weise der göttlichen Gnade.
Zuweilen wird nun aber der Gnade Gottes die Gnade des Kaisers: „Dei et Imperiali gratia“ von den weltlichen Groszen, und die Gnade des Papstes von den geistlichen Fürsten „Dei et apostolicae sedis gratia“ hinzugefügt.
Allmählich aber bekommt die ausschlieszliche Berufung auf die Gnade Gottes die Nebenbedeutung der Unmittelbarkeit der obrig- keitlichen Gewalt, im Gegensatze zu einer übergeordneten Lehensherr- schaft. Der Ausdruck entsprach überhaupt der Neigung des Mittelalters, alle Gewalt von Gott abzuleiten.
c) Nach der Kirchenreform fingen die Lutherischen Theologen an, den Satz von Paulus: „Alle Obrigkeit von Gott“ als ein christliches Dogma nachdrücklich zu verkünden, und die Träger der Statsgewalt als Gesalbte und Stellvertreter Gottes zu erklären. Luther selber war darin viel freier. Wir erinnern uns, dasz er einst an König Heinrich VIII. von England schrieb: „Ich Martin Luther von Gottes Gnaden ecclesiastes an Heinrich, von Gottes Ungnaden König von England.“ Die buchstaben- gläubigen Theologen bedachten auch nicht, dasz der Apostel Paulus jenen Satz, ganz im Gegensatze zu den theokratisch gesinnten Juden- christen, welche den heidnischen Kaiser verachteten, mit Absicht auf den römischen Kaiser Nero bezog, der seine Gewalt nach dem römischen Statsrecht von dem römischen Volke empfangen hatte. Sie übersahen, dasz der Apostel Petrus ganz dasselbe wollte, wenn er den Christen „Gehorsam gegen die menschliche Ordnung“ empfahl. Sie berühmten sich, vorzugsweise die Vertreter des göttlichen Rechts der weltlichen Fürsten zu sein.
d) Entschiedener noch versuchten es König Ludwig XIV. von Frank- reich und Jakob II. von England, aus dem Gottesgnadenthum der Könige ein neues Statsdogma zu machen und dadurch der angestrebten absoluten Gewalt der Könige eine höhere Sanction zu verleihen. Das Königsrecht sollte nun, im Gegensatz zu allen andern menschlichen Rechten des Eigenthums, der Familie, der Parlamente, ein specifisch göttliches d. h. absolutes sein. Es sollte über die Sphäre der menschlichen Rechtsordnung erhoben werden. Indessen widersetzten sich die französischen Stände der gesetzlichen Sanction der behaupteten Göttlichkeit der Könige und heftiger noch widersprach das englische Parlament. In England wurde das theo- kratisirende Princip durch die Revolution von 1688, in Frankreich durch die Revolution von 1789 definitiv verworfen.
e) Am entschiedensten sprachen sich dagegen die Männer der deut- schen Wissenschaft Puffendorf und Thomasius aus, vor allen aber Friedrich der Grosze, der darin das Grundgebrechen der europäischen Statszustände erkannte.
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Viertes Buch. Von der Entstehung und dem Untergang des States.
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immer in derselben Weise der göttlichen Gnade.
Zuweilen wird nun aber der Gnade Gottes die Gnade des Kaisers:
„Dei et Imperiali gratia“ von den weltlichen Groszen, und die Gnade des
Papstes von den geistlichen Fürsten „Dei et apostolicae sedis gratia“
hinzugefügt.
Allmählich aber bekommt die ausschlieszliche Berufung auf die
Gnade Gottes die Nebenbedeutung der Unmittelbarkeit der obrig-
keitlichen Gewalt, im Gegensatze zu einer übergeordneten Lehensherr-
schaft. Der Ausdruck entsprach überhaupt der Neigung des Mittelalters,
alle Gewalt von Gott abzuleiten.
c) Nach der Kirchenreform fingen die Lutherischen Theologen
an, den Satz von Paulus: „Alle Obrigkeit von Gott“ als ein christliches
Dogma nachdrücklich zu verkünden, und die Träger der Statsgewalt als
Gesalbte und Stellvertreter Gottes zu erklären. Luther selber war darin
viel freier. Wir erinnern uns, dasz er einst an König Heinrich VIII. von
England schrieb: „Ich Martin Luther von Gottes Gnaden ecclesiastes an
Heinrich, von Gottes Ungnaden König von England.“ Die buchstaben-
gläubigen Theologen bedachten auch nicht, dasz der Apostel Paulus
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den römischen Kaiser Nero bezog, der seine Gewalt nach dem römischen
Statsrecht von dem römischen Volke empfangen hatte. Sie übersahen,
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„Gehorsam gegen die menschliche Ordnung“ empfahl. Sie berühmten
sich, vorzugsweise die Vertreter des göttlichen Rechts der weltlichen
Fürsten zu sein.
d) Entschiedener noch versuchten es König Ludwig XIV. von Frank-
reich und Jakob II. von England, aus dem Gottesgnadenthum der Könige
ein neues Statsdogma zu machen und dadurch der angestrebten absoluten
Gewalt der Könige eine höhere Sanction zu verleihen. Das Königsrecht
sollte nun, im Gegensatz zu allen andern menschlichen Rechten des
Eigenthums, der Familie, der Parlamente, ein specifisch göttliches d. h.
absolutes sein. Es sollte über die Sphäre der menschlichen Rechtsordnung
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gesetzlichen Sanction der behaupteten Göttlichkeit der Könige und heftiger
noch widersprach das englische Parlament. In England wurde das theo-
kratisirende Princip durch die Revolution von 1688, in Frankreich durch
die Revolution von 1789 definitiv verworfen.
e) Am entschiedensten sprachen sich dagegen die Männer der deut-
schen Wissenschaft Puffendorf und Thomasius aus, vor allen aber
Friedrich der Grosze, der darin das Grundgebrechen der europäischen
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/350>, abgerufen am 25.11.2024.
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