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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
Fürstenthümer und Republiken zerfallen. Die Einigung des
römischen Reiches bestand eher in dem Ideal als in der
Wirklichkeit. Früher in England, seit der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts auf dem Continent bilden sich allmählich
gröszere Staten aus, und noch sind wir nicht an den Abschlusz
dieser Bewegung gelangt.

Die Zahl der mittelalterlichen Staten ist geradezu un-
übersehbar. Fast jede Herrschaft, eine Menge von Städten
und von Klöstern und sogar von Dörfern versuchten es mit
Glück ein selbständiges, statenähnliches Dasein zu gewinnen.
Gegenwärtig sind nur einige wenige kleinste Gemeinwesen
der Art übrig geblieben und haben nur eine geringe Aus-
sicht auf Fortbestand. Der Mangel an Straszen und Posten,
die Dürftigkeit der Bewegungsmittel, die particuläre Rechts-
bildung, die unentwickelte Polizei, die Lehensverfassung mit
ihrer beschränkten Dienstpflicht und ihren schwachen Kriegs-
mitteln, der geringe Geldverkehr, die Trennung der Stände,
die dynastische und privatrechtliche Grundanschauung, die
Verdunkelung des nationalen Bewusztseins, der germanische
Trieb der körperschaftlichen Gliederung und eigenwilliger
Freiheit waren früher einer Auflösung der alt-römischen
Statsgemeinschaft in zahllose kleine Gemeinwesen günstig.
Dagegen wird das moderne Verlangen nach gröszerer Staten-
bildung fortwährend gefördert und gestärkt durch die Ver-
vollkommnung und Ausbreitung der neuen Verkehrsmittel,
durch Kunststraszen und Eisenbahnen, Posten, Dampfschiff-
fahrt und Telegraphen, durch den lebhaften Aufschwung der
Industrie und des Handels, durch die gewaltigen Kriegs- und
die mächtigen Geldmittel, durch die ganze moderne Cultur
und durch das erwachte National- und Statsbewusztsein und
eine rationellere Gesetzgebung.

Der moderne Stat bedarf in der That einer breiteren
Grundlage, als der eines bloszen Gemeinde- und Gerichts-
bezirks. Wie der Stand und der Stamm sich der Nation und

Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
Fürstenthümer und Republiken zerfallen. Die Einigung des
römischen Reiches bestand eher in dem Ideal als in der
Wirklichkeit. Früher in England, seit der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts auf dem Continent bilden sich allmählich
gröszere Staten aus, und noch sind wir nicht an den Abschlusz
dieser Bewegung gelangt.

Die Zahl der mittelalterlichen Staten ist geradezu un-
übersehbar. Fast jede Herrschaft, eine Menge von Städten
und von Klöstern und sogar von Dörfern versuchten es mit
Glück ein selbständiges, statenähnliches Dasein zu gewinnen.
Gegenwärtig sind nur einige wenige kleinste Gemeinwesen
der Art übrig geblieben und haben nur eine geringe Aus-
sicht auf Fortbestand. Der Mangel an Straszen und Posten,
die Dürftigkeit der Bewegungsmittel, die particuläre Rechts-
bildung, die unentwickelte Polizei, die Lehensverfassung mit
ihrer beschränkten Dienstpflicht und ihren schwachen Kriegs-
mitteln, der geringe Geldverkehr, die Trennung der Stände,
die dynastische und privatrechtliche Grundanschauung, die
Verdunkelung des nationalen Bewusztseins, der germanische
Trieb der körperschaftlichen Gliederung und eigenwilliger
Freiheit waren früher einer Auflösung der alt-römischen
Statsgemeinschaft in zahllose kleine Gemeinwesen günstig.
Dagegen wird das moderne Verlangen nach gröszerer Staten-
bildung fortwährend gefördert und gestärkt durch die Ver-
vollkommnung und Ausbreitung der neuen Verkehrsmittel,
durch Kunststraszen und Eisenbahnen, Posten, Dampfschiff-
fahrt und Telegraphen, durch den lebhaften Aufschwung der
Industrie und des Handels, durch die gewaltigen Kriegs- und
die mächtigen Geldmittel, durch die ganze moderne Cultur
und durch das erwachte National- und Statsbewusztsein und
eine rationellere Gesetzgebung.

Der moderne Stat bedarf in der That einer breiteren
Grundlage, als der eines bloszen Gemeinde- und Gerichts-
bezirks. Wie der Stand und der Stamm sich der Nation und

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[272/0290] Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land. Fürstenthümer und Republiken zerfallen. Die Einigung des römischen Reiches bestand eher in dem Ideal als in der Wirklichkeit. Früher in England, seit der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts auf dem Continent bilden sich allmählich gröszere Staten aus, und noch sind wir nicht an den Abschlusz dieser Bewegung gelangt. Die Zahl der mittelalterlichen Staten ist geradezu un- übersehbar. Fast jede Herrschaft, eine Menge von Städten und von Klöstern und sogar von Dörfern versuchten es mit Glück ein selbständiges, statenähnliches Dasein zu gewinnen. Gegenwärtig sind nur einige wenige kleinste Gemeinwesen der Art übrig geblieben und haben nur eine geringe Aus- sicht auf Fortbestand. Der Mangel an Straszen und Posten, die Dürftigkeit der Bewegungsmittel, die particuläre Rechts- bildung, die unentwickelte Polizei, die Lehensverfassung mit ihrer beschränkten Dienstpflicht und ihren schwachen Kriegs- mitteln, der geringe Geldverkehr, die Trennung der Stände, die dynastische und privatrechtliche Grundanschauung, die Verdunkelung des nationalen Bewusztseins, der germanische Trieb der körperschaftlichen Gliederung und eigenwilliger Freiheit waren früher einer Auflösung der alt-römischen Statsgemeinschaft in zahllose kleine Gemeinwesen günstig. Dagegen wird das moderne Verlangen nach gröszerer Staten- bildung fortwährend gefördert und gestärkt durch die Ver- vollkommnung und Ausbreitung der neuen Verkehrsmittel, durch Kunststraszen und Eisenbahnen, Posten, Dampfschiff- fahrt und Telegraphen, durch den lebhaften Aufschwung der Industrie und des Handels, durch die gewaltigen Kriegs- und die mächtigen Geldmittel, durch die ganze moderne Cultur und durch das erwachte National- und Statsbewusztsein und eine rationellere Gesetzgebung. Der moderne Stat bedarf in der That einer breiteren Grundlage, als der eines bloszen Gemeinde- und Gerichts- bezirks. Wie der Stand und der Stamm sich der Nation und

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/290>, abgerufen am 25.11.2024.