Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
4. Ein gewisses Masz von Selbständigkeit der äuszeren Existenz des Statsangehörigen. Die Art, diese Selbständig- keit zu bestimmen, ist freilich sehr verschieden in den ver- schiedenen Staten.
Im Geiste des ältern germanischen Rechts wird dieselbe vorzüglich in dem Grundbesitze oder der Haushäblich- keit ("wer einen eigenen Rauch führt"), im Sinne des neuern germanischen Rechts mehr in der selbständigen Betreibung irgend eines Berufes auf eigene Rechnung und in der Auf- nahme in den Verband der activen Gemeindebürger erkannt. Die erstere Auffassung hat sich zum Theil bis auf die neueste Zeit in England8 und in einzelnen nordame- rikanischen Staten erhalten, die letztere ist in die neueren Statsverfassungen deutscher Staten übergegangen. 9 Es bleiben somit diejenigen Personen ausgeschlossen, welche als Bediente oder Knechte sich einer Herrschaft verdungen haben, öfter auch die Fabrikarbeiter, wenigstens der unteren Classen, und die gröszere Zahl der Handwerksgesellen.
Dagegen haben andere Staten in neuerer Zeit, dem Rufe nach dem allgemeinen Stimmrecht folgend, dieses Erfordernisz entweder in laxerem Sinne behandelt oder ganz aufgegeben. Dahin gehören die neueren Schweizerverfassungen seit 1830, die Verfassung der französischen Republik von 1848 und des französischen Kaiserreichs, und die Verfassung des norddeutschen Bundes von 1867, nunmehr des deut-
8 Auch die Reformacte von 1867 beruht noch in den Städten auf dem "household suffrage" mit Berücksichtigung der Armensteuer. Vgl. Bd. II. Bd. 2. Cap. 6.
9 Nach der bayerischen Verfassung von 1818 wird zum Stats- bürgerrecht auszer dem Indigenat "Ansässigkeit im Königreiche, ent- weder durch den Besitz besteuerter Gründe, Renten oder Rechte, oder durch Ausübung besteuerter Gewerbe, oder durch den Eintritt in ein öffentliches Amt" erfordert. Die österr. Verf. von 1848 §. 43 und die preuszische A. 70 erkennen die Selbständigkeit in dem Gemeinde- verband.
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
4. Ein gewisses Masz von Selbständigkeit der äuszeren Existenz des Statsangehörigen. Die Art, diese Selbständig- keit zu bestimmen, ist freilich sehr verschieden in den ver- schiedenen Staten.
Im Geiste des ältern germanischen Rechts wird dieselbe vorzüglich in dem Grundbesitze oder der Haushäblich- keit („wer einen eigenen Rauch führt“), im Sinne des neuern germanischen Rechts mehr in der selbständigen Betreibung irgend eines Berufes auf eigene Rechnung und in der Auf- nahme in den Verband der activen Gemeindebürger erkannt. Die erstere Auffassung hat sich zum Theil bis auf die neueste Zeit in England8 und in einzelnen nordame- rikanischen Staten erhalten, die letztere ist in die neueren Statsverfassungen deutscher Staten übergegangen. 9 Es bleiben somit diejenigen Personen ausgeschlossen, welche als Bediente oder Knechte sich einer Herrschaft verdungen haben, öfter auch die Fabrikarbeiter, wenigstens der unteren Classen, und die gröszere Zahl der Handwerksgesellen.
Dagegen haben andere Staten in neuerer Zeit, dem Rufe nach dem allgemeinen Stimmrecht folgend, dieses Erfordernisz entweder in laxerem Sinne behandelt oder ganz aufgegeben. Dahin gehören die neueren Schweizerverfassungen seit 1830, die Verfassung der französischen Republik von 1848 und des französischen Kaiserreichs, und die Verfassung des norddeutschen Bundes von 1867, nunmehr des deut-
8 Auch die Reformacte von 1867 beruht noch in den Städten auf dem „household suffrage“ mit Berücksichtigung der Armensteuer. Vgl. Bd. II. Bd. 2. Cap. 6.
9 Nach der bayerischen Verfassung von 1818 wird zum Stats- bürgerrecht auszer dem Indigenat „Ansässigkeit im Königreiche, ent- weder durch den Besitz besteuerter Gründe, Renten oder Rechte, oder durch Ausübung besteuerter Gewerbe, oder durch den Eintritt in ein öffentliches Amt“ erfordert. Die österr. Verf. von 1848 §. 43 und die preuszische A. 70 erkennen die Selbständigkeit in dem Gemeinde- verband.
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
4. Ein gewisses Masz von Selbständigkeit der äuszeren
Existenz des Statsangehörigen. Die Art, diese Selbständig-
keit zu bestimmen, ist freilich sehr verschieden in den ver-
schiedenen Staten.
Im Geiste des ältern germanischen Rechts wird dieselbe
vorzüglich in dem Grundbesitze oder der Haushäblich-
keit („wer einen eigenen Rauch führt“), im Sinne des neuern
germanischen Rechts mehr in der selbständigen Betreibung
irgend eines Berufes auf eigene Rechnung und in der Auf-
nahme in den Verband der activen Gemeindebürger
erkannt. Die erstere Auffassung hat sich zum Theil bis auf
die neueste Zeit in England 8 und in einzelnen nordame-
rikanischen Staten erhalten, die letztere ist in die neueren
Statsverfassungen deutscher Staten übergegangen. 9 Es
bleiben somit diejenigen Personen ausgeschlossen, welche als
Bediente oder Knechte sich einer Herrschaft verdungen haben,
öfter auch die Fabrikarbeiter, wenigstens der unteren Classen,
und die gröszere Zahl der Handwerksgesellen.
Dagegen haben andere Staten in neuerer Zeit, dem Rufe
nach dem allgemeinen Stimmrecht folgend, dieses Erfordernisz
entweder in laxerem Sinne behandelt oder ganz aufgegeben.
Dahin gehören die neueren Schweizerverfassungen seit 1830,
die Verfassung der französischen Republik von 1848 und
des französischen Kaiserreichs, und die Verfassung des
norddeutschen Bundes von 1867, nunmehr des deut-
8 Auch die Reformacte von 1867 beruht noch in den Städten auf dem
„household suffrage“ mit Berücksichtigung der Armensteuer. Vgl. Bd. II.
Bd. 2. Cap. 6.
9 Nach der bayerischen Verfassung von 1818 wird zum Stats-
bürgerrecht auszer dem Indigenat „Ansässigkeit im Königreiche, ent-
weder durch den Besitz besteuerter Gründe, Renten oder Rechte, oder
durch Ausübung besteuerter Gewerbe, oder durch den Eintritt in ein
öffentliches Amt“ erfordert. Die österr. Verf. von 1848 §. 43 und die
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/266>, abgerufen am 16.07.2024.
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