Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Frauen ebenso ihr Vermögen verwalten können, wie die Männer, die Geschlechtsvormundschaft abgeschafft und beide Geschlechter einander gleich gestellt. Im öffentlichen Rechte dagegen bestehe der Gegensatz fort. Man fordere von den Frauen, dasz sie ebenso dem State ihre Steuer bezahlen wie die Männer und bestreite ihnen das Recht, gleich den Män- nern Steuern zu bewilligen und die Rechnung zu prüfen. Es sei daher ein Unrecht, den Frauen eine Fähigkeit abzu- sprechen, die man im Privatverkehr anerkannt habe, und eine Gleichstellung im öffentlichen Leben zu verhindern, die im Privatleben bestehe und sich wohlthätig erweise.
c) Es sei überdem eine arge Inconsequenz in der bis- herigen Rechtsbildung, dasz viele Völker, welche allen Frauen jedes politische Recht versagen, ausnahmsweise das höchste politische Recht der Regierungsgewalt an ihre Königinnen überlassen und sich als Unterthanen einer Frau bekennen.
Freilich war den Griechen und den Römern auch diese Ausnahme durchaus fremd. Als der weibische Kaiser Helio- gabalus seine Mutter in den Senat eingeführt und dadurch die römische Sitte und Denkart schwer verletzt hatte, wurde nach seiner und ihrer Ermordung ein Senatusconsult be- schlossen, dasz dessen Haupt den unterirdischen Göttern ge- weiht sei, welches je es wieder wagen sollte, eine Frau in den Senat zu bringen. Auch die meisten germanischen Völ- ker gehorchten nur Männern als ihren Königen.
Aber schon Aristoteles (Pol. III. 6, 16) berichtet uns, dasz viele fremde Staten unter Frauenherrschaft stehen, und Tacitus (Agricola, 16) erwähnt es als eine Eigenthümlichkeit der Britten, dasz sie auch dem weiblichen Geschlechte Herr- schaft verstatten. Von den Longobarden wissen wir, dasz die Folge in das Königthum öfter durch erbberechtigte Frauen vermittelt worden ist. In dem spätern europäischen Stats- recht ist häufig den Frauen ein Recht auf den Thron eröff- net worden, und wir haben in den letzten Jahrhunderten
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Frauen ebenso ihr Vermögen verwalten können, wie die Männer, die Geschlechtsvormundschaft abgeschafft und beide Geschlechter einander gleich gestellt. Im öffentlichen Rechte dagegen bestehe der Gegensatz fort. Man fordere von den Frauen, dasz sie ebenso dem State ihre Steuer bezahlen wie die Männer und bestreite ihnen das Recht, gleich den Män- nern Steuern zu bewilligen und die Rechnung zu prüfen. Es sei daher ein Unrecht, den Frauen eine Fähigkeit abzu- sprechen, die man im Privatverkehr anerkannt habe, und eine Gleichstellung im öffentlichen Leben zu verhindern, die im Privatleben bestehe und sich wohlthätig erweise.
c) Es sei überdem eine arge Inconsequenz in der bis- herigen Rechtsbildung, dasz viele Völker, welche allen Frauen jedes politische Recht versagen, ausnahmsweise das höchste politische Recht der Regierungsgewalt an ihre Königinnen überlassen und sich als Unterthanen einer Frau bekennen.
Freilich war den Griechen und den Römern auch diese Ausnahme durchaus fremd. Als der weibische Kaiser Helio- gabalus seine Mutter in den Senat eingeführt und dadurch die römische Sitte und Denkart schwer verletzt hatte, wurde nach seiner und ihrer Ermordung ein Senatusconsult be- schlossen, dasz dessen Haupt den unterirdischen Göttern ge- weiht sei, welches je es wieder wagen sollte, eine Frau in den Senat zu bringen. Auch die meisten germanischen Völ- ker gehorchten nur Männern als ihren Königen.
Aber schon Aristoteles (Pol. III. 6, 16) berichtet uns, dasz viele fremde Staten unter Frauenherrschaft stehen, und Tacitus (Agricola, 16) erwähnt es als eine Eigenthümlichkeit der Britten, dasz sie auch dem weiblichen Geschlechte Herr- schaft verstatten. Von den Longobarden wissen wir, dasz die Folge in das Königthum öfter durch erbberechtigte Frauen vermittelt worden ist. In dem spätern europäischen Stats- recht ist häufig den Frauen ein Recht auf den Thron eröff- net worden, und wir haben in den letzten Jahrhunderten
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Frauen ebenso ihr Vermögen verwalten können, wie die
Männer, die Geschlechtsvormundschaft abgeschafft und beide
Geschlechter einander gleich gestellt. Im öffentlichen Rechte
dagegen bestehe der Gegensatz fort. Man fordere von den
Frauen, dasz sie ebenso dem State ihre Steuer bezahlen wie
die Männer und bestreite ihnen das Recht, gleich den Män-
nern Steuern zu bewilligen und die Rechnung zu prüfen.
Es sei daher ein Unrecht, den Frauen eine Fähigkeit abzu-
sprechen, die man im Privatverkehr anerkannt habe, und
eine Gleichstellung im öffentlichen Leben zu verhindern, die
im Privatleben bestehe und sich wohlthätig erweise.
c) Es sei überdem eine arge Inconsequenz in der bis-
herigen Rechtsbildung, dasz viele Völker, welche allen Frauen
jedes politische Recht versagen, ausnahmsweise das höchste
politische Recht der Regierungsgewalt an ihre Königinnen
überlassen und sich als Unterthanen einer Frau bekennen.
Freilich war den Griechen und den Römern auch diese
Ausnahme durchaus fremd. Als der weibische Kaiser Helio-
gabalus seine Mutter in den Senat eingeführt und dadurch
die römische Sitte und Denkart schwer verletzt hatte, wurde
nach seiner und ihrer Ermordung ein Senatusconsult be-
schlossen, dasz dessen Haupt den unterirdischen Göttern ge-
weiht sei, welches je es wieder wagen sollte, eine Frau in
den Senat zu bringen. Auch die meisten germanischen Völ-
ker gehorchten nur Männern als ihren Königen.
Aber schon Aristoteles (Pol. III. 6, 16) berichtet uns,
dasz viele fremde Staten unter Frauenherrschaft stehen, und
Tacitus (Agricola, 16) erwähnt es als eine Eigenthümlichkeit
der Britten, dasz sie auch dem weiblichen Geschlechte Herr-
schaft verstatten. Von den Longobarden wissen wir, dasz die
Folge in das Königthum öfter durch erbberechtigte Frauen
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/248>, abgerufen am 23.11.2024.
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