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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Miszhandlung wird heftiger und häufiger, als sie im Alter-
thum gewesen war. Die bittere Ironie, mit welcher Montes-
quieu (Esprit des Lois XV. 5.) die übermüthige Verachtung
der Schwarzen von Seite ihrer weiszen Herrn geiszelt, wenn
er sagt: "Man kann sich nicht vorstellen, dasz Gott, der doch
ein höchst weises Wesen ist, eine Seele und vorzüglich eine
gute Seele in einen ganz schwarzen Körper versetzt habe" --
diese Ironie schlägt nicht in den Wind.

Die amerikanische Sclaverei war daher auch viel härter
als je die europäische Eigenschaft gewesen war. Die Schonung
und Sorge, welche den farbigen Sclaven von ihren Herren that-
sächlich zu Theil ward, hatte keinen andern Charakter als
die wirthschaftliche Schonung und Pflege, welche der Bauer
seinem Ackervieh zuwendet. Die moralische und rechtliche
Erniedrigung, die sich in der Bestreitung jeder Menschenwürde,
in der Miszachtung der Ehe und der Familie, in dem Mangel
der religiösen und sittlichen Erziehung, in der Verweigerung
jedes Rechtsschutzes überhaupt, und in dem ungehemmten
Handel mit Sclaven und nicht selten in empörender Grausam-
keit zeigte, drückte dieselben ganz auf die Stufe der Haus-
thiere herab und verletzte so die göttliche und menschliche
Ordnung aufs tiefste.

Es war ein Unglück für Amerika, dasz der Antrag Jeffer-
sons
, der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776, welche
auch die Freiheit als ein unveräuszerliches Menschenrecht
verkündigt, die Beschwerde über die Zulassung und Begün-
stigung der Negersclaverei von Seite der königlichen Regie-
rung beizufügen, in der Minderheit geblieben war. Die an-
fängliche Absicht, allmählich und stufenweise die Sclaverei
zu beseitigen, fand eine weniger nachhaltige Unterstützung als
das Streben der Sclavenhalter, ihren Besitz zu schützen und
zu erweitern. Kaum konnte das Gleichgewicht der sclaven-
freien Staten mit den sclavenhaltenden in der Bundesregierung
behauptet werden. Seit einem Jahrhundert war die Masse der

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Miszhandlung wird heftiger und häufiger, als sie im Alter-
thum gewesen war. Die bittere Ironie, mit welcher Montes-
quieu (Esprit des Lois XV. 5.) die übermüthige Verachtung
der Schwarzen von Seite ihrer weiszen Herrn geiszelt, wenn
er sagt: „Man kann sich nicht vorstellen, dasz Gott, der doch
ein höchst weises Wesen ist, eine Seele und vorzüglich eine
gute Seele in einen ganz schwarzen Körper versetzt habe“ —
diese Ironie schlägt nicht in den Wind.

Die amerikanische Sclaverei war daher auch viel härter
als je die europäische Eigenschaft gewesen war. Die Schonung
und Sorge, welche den farbigen Sclaven von ihren Herren that-
sächlich zu Theil ward, hatte keinen andern Charakter als
die wirthschaftliche Schonung und Pflege, welche der Bauer
seinem Ackervieh zuwendet. Die moralische und rechtliche
Erniedrigung, die sich in der Bestreitung jeder Menschenwürde,
in der Miszachtung der Ehe und der Familie, in dem Mangel
der religiösen und sittlichen Erziehung, in der Verweigerung
jedes Rechtsschutzes überhaupt, und in dem ungehemmten
Handel mit Sclaven und nicht selten in empörender Grausam-
keit zeigte, drückte dieselben ganz auf die Stufe der Haus-
thiere herab und verletzte so die göttliche und menschliche
Ordnung aufs tiefste.

Es war ein Unglück für Amerika, dasz der Antrag Jeffer-
sons
, der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776, welche
auch die Freiheit als ein unveräuszerliches Menschenrecht
verkündigt, die Beschwerde über die Zulassung und Begün-
stigung der Negersclaverei von Seite der königlichen Regie-
rung beizufügen, in der Minderheit geblieben war. Die an-
fängliche Absicht, allmählich und stufenweise die Sclaverei
zu beseitigen, fand eine weniger nachhaltige Unterstützung als
das Streben der Sclavenhalter, ihren Besitz zu schützen und
zu erweitern. Kaum konnte das Gleichgewicht der sclaven-
freien Staten mit den sclavenhaltenden in der Bundesregierung
behauptet werden. Seit einem Jahrhundert war die Masse der

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[196/0214] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. Miszhandlung wird heftiger und häufiger, als sie im Alter- thum gewesen war. Die bittere Ironie, mit welcher Montes- quieu (Esprit des Lois XV. 5.) die übermüthige Verachtung der Schwarzen von Seite ihrer weiszen Herrn geiszelt, wenn er sagt: „Man kann sich nicht vorstellen, dasz Gott, der doch ein höchst weises Wesen ist, eine Seele und vorzüglich eine gute Seele in einen ganz schwarzen Körper versetzt habe“ — diese Ironie schlägt nicht in den Wind. Die amerikanische Sclaverei war daher auch viel härter als je die europäische Eigenschaft gewesen war. Die Schonung und Sorge, welche den farbigen Sclaven von ihren Herren that- sächlich zu Theil ward, hatte keinen andern Charakter als die wirthschaftliche Schonung und Pflege, welche der Bauer seinem Ackervieh zuwendet. Die moralische und rechtliche Erniedrigung, die sich in der Bestreitung jeder Menschenwürde, in der Miszachtung der Ehe und der Familie, in dem Mangel der religiösen und sittlichen Erziehung, in der Verweigerung jedes Rechtsschutzes überhaupt, und in dem ungehemmten Handel mit Sclaven und nicht selten in empörender Grausam- keit zeigte, drückte dieselben ganz auf die Stufe der Haus- thiere herab und verletzte so die göttliche und menschliche Ordnung aufs tiefste. Es war ein Unglück für Amerika, dasz der Antrag Jeffer- sons, der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776, welche auch die Freiheit als ein unveräuszerliches Menschenrecht verkündigt, die Beschwerde über die Zulassung und Begün- stigung der Negersclaverei von Seite der königlichen Regie- rung beizufügen, in der Minderheit geblieben war. Die an- fängliche Absicht, allmählich und stufenweise die Sclaverei zu beseitigen, fand eine weniger nachhaltige Unterstützung als das Streben der Sclavenhalter, ihren Besitz zu schützen und zu erweitern. Kaum konnte das Gleichgewicht der sclaven- freien Staten mit den sclavenhaltenden in der Bundesregierung behauptet werden. Seit einem Jahrhundert war die Masse der

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/214>, abgerufen am 27.11.2024.