Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. sönlicher und politischer Freiheit gelangten, so erreichten siedoch, freilich langsamen Schrittes, in der Regel eine zwar mit mancherlei Lasten beschwerte und politisch zurückgesetzte, aber durch festen Rechtsschutz gesicherte und in ihrem In- halt immerhin erweiterte persönliche Freiheit. Mit den ur- sprünglich freien Bauern wurden sie zu einem gleichberech- tigten Berufsstande. Im Einzelnen sind die Verhältnisse äuszerst mannichfaltig, Der nämliche Geist des Mittelalters, welcher die Hoheits- 2 Ordonn. I. 583: " Comme selonc le droit
naistre franc et par aucuns usages -- moult de personnes de nostre commun peuple soient encheües en lieu de servitudes: -- Nous conside- rants que Nostre Royaume est dit et nomme le Royaume de Francs, et voullant que la chose en verite soit accordant au nom -- ordenons, que generaument par tout nostre Royaume de tant comme il peut appartenir a nous -- telles servitudes soient ramenees a franchises -- a bonnes et convenables conditions -- de tant comme il peut toucher nous." Vgl. Schäffner, franz. R. G. I. 523. Schon vorher hatte der Graf von Va- lois, Bruder des Königs Philips des Schönen, die Hörigen seiner Graf- schaft im Namen der natürlichen Menschenfreiheit für frei erklärt. Laurent a. a. O. VI. 662. Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. sönlicher und politischer Freiheit gelangten, so erreichten siedoch, freilich langsamen Schrittes, in der Regel eine zwar mit mancherlei Lasten beschwerte und politisch zurückgesetzte, aber durch festen Rechtsschutz gesicherte und in ihrem In- halt immerhin erweiterte persönliche Freiheit. Mit den ur- sprünglich freien Bauern wurden sie zu einem gleichberech- tigten Berufsstande. Im Einzelnen sind die Verhältnisse äuszerst mannichfaltig, Der nämliche Geist des Mittelalters, welcher die Hoheits- 2 Ordonn. I. 583: „ Comme selonc le droit
naistre franc et par aucuns usages — moult de personnes de nostre commun peuple soient encheües en lieu de servitudes: — Nous conside- rants que Nostre Royaume est dit et nommé le Royaume de Francs, et voullant que la chose en vérité soit accordant au nom — ordenons, que generaument par tout nostre Royaume de tant comme il peut appartenir à nous — telles servitudes soient ramenées à franchises — à bonnes et convenables conditions — de tant comme il peut toucher nous.“ Vgl. Schäffner, franz. R. G. I. 523. Schon vorher hatte der Graf von Va- lois, Bruder des Königs Philips des Schönen, die Hörigen seiner Graf- schaft im Namen der natürlichen Menschenfreiheit für frei erklärt. Laurent a. a. O. VI. 662. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0206" n="188"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/> sönlicher und politischer Freiheit gelangten, so erreichten sie<lb/> doch, freilich langsamen Schrittes, in der Regel eine zwar<lb/> mit mancherlei Lasten beschwerte und politisch zurückgesetzte,<lb/> aber durch festen Rechtsschutz gesicherte und in ihrem In-<lb/> halt immerhin erweiterte persönliche Freiheit. Mit den ur-<lb/> sprünglich freien Bauern wurden sie zu einem gleichberech-<lb/> tigten Berufsstande.</p><lb/> <p>Im Einzelnen sind die Verhältnisse äuszerst mannichfaltig,<lb/> und auch die Uebergangsstufen aus der Eigenschaft zur Frei-<lb/> heit zahlreich. Wie die Aufhebung der Sclaverei zu groszem<lb/> Theile den Einwirkungen der Kirche zu verdanken ist, so ist<lb/> auch die Erhebung der hörigen Leute von jeher voraus durch<lb/> die Kirche begünstigt worden. In der That, wo Kirchen und<lb/> Klöster Grundherrlichkeit besaszen, gingen sie meistens voran<lb/> in Ertheilung bestimmter Rechte und Gewährung wichtiger<lb/> Freiheiten für ihre Hörigen, und zuerst wurden die <hi rendition="#g">Gottes-<lb/> hausleute</hi> den freien Bauern angenähert. Dann folgten auch<lb/> die Könige dem Beispiele. Schon die Karolinger handelten<lb/> in dieser Richtung zu Gunsten der Fiscalinen, und Ludwig<lb/> der Heilige <note place="foot" n="2"><hi rendition="#i">Ordonn</hi>. I. 583: „ Comme selonc le droit<lb/> naistre <hi rendition="#i">franc</hi> et par aucuns usages — moult de personnes de nostre<lb/> commun peuple soient encheües en lieu de servitudes: — Nous conside-<lb/> rants que Nostre Royaume est dit et nommé le Royaume de Francs, et<lb/> voullant que la chose en vérité soit accordant au nom —<lb/> ordenons, que<lb/> generaument par tout nostre Royaume de tant comme il peut appartenir<lb/> à nous — telles servitudes soient ramenées à franchises — à bonnes et<lb/> convenables conditions — de tant comme il peut toucher nous.“ Vgl.<lb/><hi rendition="#g">Schäffner</hi>, franz. R. G. I. 523. Schon vorher hatte der Graf von Va-<lb/> lois, Bruder des Königs Philips des Schönen, die Hörigen seiner Graf-<lb/> schaft im Namen der natürlichen Menschenfreiheit für frei erklärt.<lb/><hi rendition="#i">Laurent</hi> a. a. O. VI. 662.</note> erklärte, als er den Serfs auf den königlichen<lb/> Domänen die Freiheit schenkte (1315), seinen Beruf als König<lb/> des „Frankenreiches“ zu erfüllen.</p><lb/> <p>Der nämliche Geist des Mittelalters, welcher die Hoheits-<lb/> rechte zu Gunsten der groszen Barone als erbliche Lehen an<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0206]
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
sönlicher und politischer Freiheit gelangten, so erreichten sie
doch, freilich langsamen Schrittes, in der Regel eine zwar
mit mancherlei Lasten beschwerte und politisch zurückgesetzte,
aber durch festen Rechtsschutz gesicherte und in ihrem In-
halt immerhin erweiterte persönliche Freiheit. Mit den ur-
sprünglich freien Bauern wurden sie zu einem gleichberech-
tigten Berufsstande.
Im Einzelnen sind die Verhältnisse äuszerst mannichfaltig,
und auch die Uebergangsstufen aus der Eigenschaft zur Frei-
heit zahlreich. Wie die Aufhebung der Sclaverei zu groszem
Theile den Einwirkungen der Kirche zu verdanken ist, so ist
auch die Erhebung der hörigen Leute von jeher voraus durch
die Kirche begünstigt worden. In der That, wo Kirchen und
Klöster Grundherrlichkeit besaszen, gingen sie meistens voran
in Ertheilung bestimmter Rechte und Gewährung wichtiger
Freiheiten für ihre Hörigen, und zuerst wurden die Gottes-
hausleute den freien Bauern angenähert. Dann folgten auch
die Könige dem Beispiele. Schon die Karolinger handelten
in dieser Richtung zu Gunsten der Fiscalinen, und Ludwig
der Heilige 2 erklärte, als er den Serfs auf den königlichen
Domänen die Freiheit schenkte (1315), seinen Beruf als König
des „Frankenreiches“ zu erfüllen.
Der nämliche Geist des Mittelalters, welcher die Hoheits-
rechte zu Gunsten der groszen Barone als erbliche Lehen an
2 Ordonn. I. 583: „ Comme selonc le droit
naistre franc et par aucuns usages — moult de personnes de nostre
commun peuple soient encheües en lieu de servitudes: — Nous conside-
rants que Nostre Royaume est dit et nommé le Royaume de Francs, et
voullant que la chose en vérité soit accordant au nom —
ordenons, que
generaument par tout nostre Royaume de tant comme il peut appartenir
à nous — telles servitudes soient ramenées à franchises — à bonnes et
convenables conditions — de tant comme il peut toucher nous.“ Vgl.
Schäffner, franz. R. G. I. 523. Schon vorher hatte der Graf von Va-
lois, Bruder des Königs Philips des Schönen, die Hörigen seiner Graf-
schaft im Namen der natürlichen Menschenfreiheit für frei erklärt.
Laurent a. a. O. VI. 662.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |