Weichbild der Städte und nur unter dem Schutze des Stadt- rechts und der Stadtverfassung zu freiem Wachsthum gelangen.
Das Mittelalter war überhaupt der gemeinen Volksfreiheit nicht günstig. Es begünstigte durchweg die hierarchischen, dynastischen und aristokratischen Classen. Fast überall in Europa erlagen die freien Grundeigenthümer des Landes der um sich greifenden Herrschaft des Lehensadels und der Vogtei- herren. Die Gesetzgebung Karls des Groszen vermochte, ob- wohl sie, von einem starken Könige gehandhabt, die schlimm- sten Bedrückungen hemmte, doch den Fortgang des Uebels nicht aufzuhalten. Ein sehr groszer Theil der bäuerlichen Bevölkerung in der fränkischen Monarchie, welcher durch freie Geburt den echten germanischen Volksstämmen ange- hörte, gerieth, weil er auf königlichen oder Kirchengütern, oder in den Grundherrschaften des Adels sich niederliesz und Boden bebaute, der nicht in seinem Eigenthum war, oder weil er sein Eigenthum aus frommen Motiven oder auch aus Noth an die Kirchen und Klöster vergabt, und nur als Zins- gut zurück empfangen hatte, in die Hofhörigkeit, kam so den auch persönlich hörigen Bauern näher und büszte man- cherlei politische Freiheitsrechte ein. Und später konnten auch die kleinern Güter, welche im Eigenthum ihrer freien Bebauer geblieben waren, sich doch der Vogteigerichtsbarkeit und der Lasten nicht erwehren, welche die herrschende Ari- stokratie denselben auferlegte. Die veränderte Organisation der Heere, erst auf den Ritter- und Lehensdienst basirt, später auf Soldtruppen, hatte zur Folge, dasz auch die freien Bauern die Kriegstüchtigkeit und Kriegerehre verloren. Sie wurden mit Steuern in den mannichfaltigsten Formen und aus man- cherlei Vorwänden oft willkürlich belegt; und auch in den Gerichten, mehr aber noch in den politischen Körperschaften des Landes verloren sie den Besitz und die Stimme, welche die alt-germanische Verfassung ihnen gewährt hatte. Auch die freien Grundeigenthümer wurden als Vogteileute nach
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 12
Vierzehntes Capitel. 3. Der Bürgerstand.
Weichbild der Städte und nur unter dem Schutze des Stadt- rechts und der Stadtverfassung zu freiem Wachsthum gelangen.
Das Mittelalter war überhaupt der gemeinen Volksfreiheit nicht günstig. Es begünstigte durchweg die hierarchischen, dynastischen und aristokratischen Classen. Fast überall in Europa erlagen die freien Grundeigenthümer des Landes der um sich greifenden Herrschaft des Lehensadels und der Vogtei- herren. Die Gesetzgebung Karls des Groszen vermochte, ob- wohl sie, von einem starken Könige gehandhabt, die schlimm- sten Bedrückungen hemmte, doch den Fortgang des Uebels nicht aufzuhalten. Ein sehr groszer Theil der bäuerlichen Bevölkerung in der fränkischen Monarchie, welcher durch freie Geburt den echten germanischen Volksstämmen ange- hörte, gerieth, weil er auf königlichen oder Kirchengütern, oder in den Grundherrschaften des Adels sich niederliesz und Boden bebaute, der nicht in seinem Eigenthum war, oder weil er sein Eigenthum aus frommen Motiven oder auch aus Noth an die Kirchen und Klöster vergabt, und nur als Zins- gut zurück empfangen hatte, in die Hofhörigkeit, kam so den auch persönlich hörigen Bauern näher und büszte man- cherlei politische Freiheitsrechte ein. Und später konnten auch die kleinern Güter, welche im Eigenthum ihrer freien Bebauer geblieben waren, sich doch der Vogteigerichtsbarkeit und der Lasten nicht erwehren, welche die herrschende Ari- stokratie denselben auferlegte. Die veränderte Organisation der Heere, erst auf den Ritter- und Lehensdienst basirt, später auf Soldtruppen, hatte zur Folge, dasz auch die freien Bauern die Kriegstüchtigkeit und Kriegerehre verloren. Sie wurden mit Steuern in den mannichfaltigsten Formen und aus man- cherlei Vorwänden oft willkürlich belegt; und auch in den Gerichten, mehr aber noch in den politischen Körperschaften des Landes verloren sie den Besitz und die Stimme, welche die alt-germanische Verfassung ihnen gewährt hatte. Auch die freien Grundeigenthümer wurden als Vogteileute nach
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 12
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Vierzehntes Capitel. 3. Der Bürgerstand.
Weichbild der Städte und nur unter dem Schutze des Stadt-
rechts und der Stadtverfassung zu freiem Wachsthum gelangen.
Das Mittelalter war überhaupt der gemeinen Volksfreiheit
nicht günstig. Es begünstigte durchweg die hierarchischen,
dynastischen und aristokratischen Classen. Fast überall in
Europa erlagen die freien Grundeigenthümer des Landes der
um sich greifenden Herrschaft des Lehensadels und der Vogtei-
herren. Die Gesetzgebung Karls des Groszen vermochte, ob-
wohl sie, von einem starken Könige gehandhabt, die schlimm-
sten Bedrückungen hemmte, doch den Fortgang des Uebels
nicht aufzuhalten. Ein sehr groszer Theil der bäuerlichen
Bevölkerung in der fränkischen Monarchie, welcher durch
freie Geburt den echten germanischen Volksstämmen ange-
hörte, gerieth, weil er auf königlichen oder Kirchengütern,
oder in den Grundherrschaften des Adels sich niederliesz und
Boden bebaute, der nicht in seinem Eigenthum war, oder
weil er sein Eigenthum aus frommen Motiven oder auch aus
Noth an die Kirchen und Klöster vergabt, und nur als Zins-
gut zurück empfangen hatte, in die Hofhörigkeit, kam so
den auch persönlich hörigen Bauern näher und büszte man-
cherlei politische Freiheitsrechte ein. Und später konnten
auch die kleinern Güter, welche im Eigenthum ihrer freien
Bebauer geblieben waren, sich doch der Vogteigerichtsbarkeit
und der Lasten nicht erwehren, welche die herrschende Ari-
stokratie denselben auferlegte. Die veränderte Organisation
der Heere, erst auf den Ritter- und Lehensdienst basirt, später
auf Soldtruppen, hatte zur Folge, dasz auch die freien Bauern
die Kriegstüchtigkeit und Kriegerehre verloren. Sie wurden
mit Steuern in den mannichfaltigsten Formen und aus man-
cherlei Vorwänden oft willkürlich belegt; und auch in den
Gerichten, mehr aber noch in den politischen Körperschaften
des Landes verloren sie den Besitz und die Stimme, welche
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/195>, abgerufen am 25.11.2024.
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