Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). 2. Aufl. Wien, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier erscheint der Mensch bey weitem als
das erste Geschöpf! Alle Assen müssen ihm in
dieser Hinsicht nachstehen; denn obgleich ihr Ge-
hirn, besonders bey den kleinern Arten, mit Roll-
schwänzen, am Gewicht (verglichen mit dem Ge-
wichte ihrer Körper) das menschliche schier über-
trifft, so erforderten doch ihre in Rücksicht des Ko-
pfes sehr große Augen, und Ohrenorgane, ihre
starke, Zunge, und nicht kleine Nasenhöhle, ihr
starkes Gebiß, einen weit größern Antheil von
Gehirn zur Verbindung, als nach Verhältniß bey
Menschen, und zieht man diesen Theil ab, so
schwindet ihr Gehirn gewaltig zusammen.

Selbst unter den übrigen Thieren haben die
nach dem Grade ihrer Listigkeit und Gelehrigkeit
verschieden eine größere, oder mindere Menge (daß
ich so rede), überflüßig Gehirn.

Das größte Gehirn eines Pferdes, das ich
aufhebe, wiegt 1 Pfund, 14 Loth, das kleinste
eines ausgewachsenen Menschen 2 Pfund, 11 Loth;
allein das Pferdgehirn zeigt auf seiner Grundflä-
che wenigstens mehr als zehnmal dickere Nerven,
und doch ist es, absolut genommen, um mehr als
ein ganzes Pfund am Gewichte kleiner.

Nur schließe man nicht weiter, daß der
Mensch dafür die meisten Nerven haben müsse,
das ist meine Meinung noch ganz und gar nicht.
Ein Augapfel fordere zum Benspiele 600 Nerven-
fasern zu seiner Ausrüstung; ein anderer halb so
großer 300. Man setze nun, daß das Thier, des-
sen Augapfel 600 Nervenfasern hat, dabey ein Ge-
hirn von 7 Quentchen besäße, das mit 300 ein
Gehirn von 5 Quentchen; so wird man dem Thie-

Hier erscheint der Mensch bey weitem als
das erste Geschöpf! Alle Assen müssen ihm in
dieser Hinsicht nachstehen; denn obgleich ihr Ge-
hirn, besonders bey den kleinern Arten, mit Roll-
schwänzen, am Gewicht (verglichen mit dem Ge-
wichte ihrer Körper) das menschliche schier über-
trifft, so erforderten doch ihre in Rücksicht des Ko-
pfes sehr große Augen, und Ohrenorgane, ihre
starke, Zunge, und nicht kleine Nasenhöhle, ihr
starkes Gebiß, einen weit größern Antheil von
Gehirn zur Verbindung, als nach Verhältniß bey
Menschen, und zieht man diesen Theil ab, so
schwindet ihr Gehirn gewaltig zusammen.

Selbst unter den übrigen Thieren haben die
nach dem Grade ihrer Listigkeit und Gelehrigkeit
verschieden eine größere, oder mindere Menge (daß
ich so rede), überflüßig Gehirn.

Das größte Gehirn eines Pferdes, das ich
aufhebe, wiegt 1 Pfund, 14 Loth, das kleinste
eines ausgewachsenen Menschen 2 Pfund, 11 Loth;
allein das Pferdgehirn zeigt auf seiner Grundflä-
che wenigstens mehr als zehnmal dickere Nerven,
und doch ist es, absolut genommen, um mehr als
ein ganzes Pfund am Gewichte kleiner.

Nur schließe man nicht weiter, daß der
Mensch dafür die meisten Nerven haben müsse,
das ist meine Meinung noch ganz und gar nicht.
Ein Augapfel fordere zum Benspiele 600 Nerven-
fasern zu seiner Ausrüstung; ein anderer halb so
großer 300. Man setze nun, daß das Thier, des-
sen Augapfel 600 Nervenfasern hat, dabey ein Ge-
hirn von 7 Quentchen besäße, das mit 300 ein
Gehirn von 5 Quentchen; so wird man dem Thie-

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000072">
    <back>
      <div type="addenda" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0410" xml:id="pb394_0001" n="394"/>
Hier erscheint der Mensch bey weitem als<lb/>
das erste Geschöpf! Alle Assen müssen ihm in<lb/>
dieser Hinsicht nachstehen; denn obgleich ihr Ge-<lb/>
hirn, besonders bey den kleinern Arten, mit Roll-<lb/>
schwänzen, am Gewicht (verglichen mit dem Ge-<lb/>
wichte ihrer Körper) das menschliche schier über-<lb/>
trifft, so erforderten doch ihre in Rücksicht des Ko-<lb/>
pfes sehr große Augen, und Ohrenorgane, ihre<lb/>
starke, Zunge, und nicht kleine Nasenhöhle, ihr<lb/>
starkes Gebiß, einen weit größern Antheil von<lb/>
Gehirn zur Verbindung, als nach Verhältniß bey<lb/>
Menschen, und zieht man diesen Theil ab, so<lb/>
schwindet ihr Gehirn gewaltig zusammen.</p>
          <p>Selbst unter den übrigen Thieren haben die<lb/>
nach dem Grade ihrer Listigkeit und Gelehrigkeit<lb/>
verschieden eine größere, oder mindere Menge (daß<lb/>
ich so rede), überflüßig Gehirn.</p>
          <p>Das größte Gehirn eines Pferdes, das ich<lb/>
aufhebe, wiegt 1 Pfund, 14 Loth, das kleinste<lb/>
eines ausgewachsenen Menschen 2 Pfund, 11 Loth;<lb/>
allein das Pferdgehirn zeigt auf seiner Grundflä-<lb/>
che wenigstens mehr als zehnmal dickere Nerven,<lb/>
und doch ist es, absolut genommen, um mehr als<lb/>
ein ganzes Pfund am Gewichte kleiner.</p>
          <p>Nur schließe man nicht weiter, daß der<lb/>
Mensch dafür die meisten Nerven haben müsse,<lb/>
das ist meine Meinung noch ganz und gar nicht.<lb/>
Ein Augapfel fordere zum Benspiele 600 Nerven-<lb/>
fasern zu seiner Ausrüstung; ein anderer halb so<lb/>
großer 300. Man setze nun, daß das Thier, des-<lb/>
sen Augapfel 600 Nervenfasern hat, dabey ein Ge-<lb/>
hirn von 7 Quentchen besäße, das mit 300 ein<lb/>
Gehirn von 5 Quentchen; so wird man dem Thie-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[394/0410] Hier erscheint der Mensch bey weitem als das erste Geschöpf! Alle Assen müssen ihm in dieser Hinsicht nachstehen; denn obgleich ihr Ge- hirn, besonders bey den kleinern Arten, mit Roll- schwänzen, am Gewicht (verglichen mit dem Ge- wichte ihrer Körper) das menschliche schier über- trifft, so erforderten doch ihre in Rücksicht des Ko- pfes sehr große Augen, und Ohrenorgane, ihre starke, Zunge, und nicht kleine Nasenhöhle, ihr starkes Gebiß, einen weit größern Antheil von Gehirn zur Verbindung, als nach Verhältniß bey Menschen, und zieht man diesen Theil ab, so schwindet ihr Gehirn gewaltig zusammen. Selbst unter den übrigen Thieren haben die nach dem Grade ihrer Listigkeit und Gelehrigkeit verschieden eine größere, oder mindere Menge (daß ich so rede), überflüßig Gehirn. Das größte Gehirn eines Pferdes, das ich aufhebe, wiegt 1 Pfund, 14 Loth, das kleinste eines ausgewachsenen Menschen 2 Pfund, 11 Loth; allein das Pferdgehirn zeigt auf seiner Grundflä- che wenigstens mehr als zehnmal dickere Nerven, und doch ist es, absolut genommen, um mehr als ein ganzes Pfund am Gewichte kleiner. Nur schließe man nicht weiter, daß der Mensch dafür die meisten Nerven haben müsse, das ist meine Meinung noch ganz und gar nicht. Ein Augapfel fordere zum Benspiele 600 Nerven- fasern zu seiner Ausrüstung; ein anderer halb so großer 300. Man setze nun, daß das Thier, des- sen Augapfel 600 Nervenfasern hat, dabey ein Ge- hirn von 7 Quentchen besäße, das mit 300 ein Gehirn von 5 Quentchen; so wird man dem Thie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795/410
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). 2. Aufl. Wien, 1795, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795/410>, abgerufen am 23.11.2024.