Nur von der Zusammenziehbarkeit habe ich hier noch ein und anderes zu erinnern.
§. 50.
Diese Zusammenziehbarkeit erstreckt sich über den ganzen Körper, so weit nämlich das Gebiet des Zellengewebes reicht.
Sie findet sich also zuerst bei solchen Thei- len, die ganz und gar aus einem Zellengewebe be- stehen, z. B. in Membranen; denn daß diese sich zusammenziehen erhellet aus der Zusammenziehung der Fleischhaut des Hodensacks (Membrana tar- dos), aus dem Krämpfen der Haut, oder des Darmfells, welches öfters die eingeklemmten Där- me fest zusammenschnürt.
Ferner in denjenigen Eingeweiden, die vor- züglich aus dieser Zellenhaut zusammengewebt sind; hieher gehören die Lungen, deren äußere Oberflächen, wie ich bei Zergliederungen lebendi- ger Thiere oft gesehen habe, die Fähigkeit haben, sich zusammenzuziehen, aber nicht im geringsten reitzbar sind, wie unlängst Varnier behaupten wollte.
Sogar die Knochen besitzen diese Eigenschaft; denn die Zahnhöhlen ziehen sich nach dem Aus- fallen der Zähne zusammen; in der Beinfäule zieht sich das neue Bein, welches vorher den ab- gestorbenen und abgeblätterten Knochen umgab, allmälig zu seiner ehemaligen Dicke und Gestalt zurück.
Da aber der Schmelz der Zähne kein Zell- gewebe aufzuweisen hat (§. 29.), so scheint er auch keine Zusammenziehbarkeit zu besitzen; welches vorzüglich daher wahrscheinlich ist, weil der Rest eines angefressenen oder abgebroche-
Nur von der Zusammenziehbarkeit habe ich hier noch ein und anderes zu erinnern.
§. 50.
Diese Zusammenziehbarkeit erstreckt sich über den ganzen Körper, so weit nämlich das Gebiet des Zellengewebes reicht.
Sie findet sich also zuerst bei solchen Thei- len, die ganz und gar aus einem Zellengewebe be- stehen, z. B. in Membranen; denn daß diese sich zusammenziehen erhellet aus der Zusammenziehung der Fleischhaut des Hodensacks (Membrana tar- dos), aus dem Krämpfen der Haut, oder des Darmfells, welches öfters die eingeklemmten Där- me fest zusammenschnürt.
Ferner in denjenigen Eingeweiden, die vor- züglich aus dieser Zellenhaut zusammengewebt sind; hieher gehören die Lungen, deren äußere Oberflächen, wie ich bei Zergliederungen lebendi- ger Thiere oft gesehen habe, die Fähigkeit haben, sich zusammenzuziehen, aber nicht im geringsten reitzbar sind, wie unlängst Varnier behaupten wollte.
Sogar die Knochen besitzen diese Eigenschaft; denn die Zahnhöhlen ziehen sich nach dem Aus- fallen der Zähne zusammen; in der Beinfäule zieht sich das neue Bein, welches vorher den ab- gestorbenen und abgeblätterten Knochen umgab, allmälig zu seiner ehemaligen Dicke und Gestalt zurück.
Da aber der Schmelz der Zähne kein Zell- gewebe aufzuweisen hat (§. 29.), so scheint er auch keine Zusammenziehbarkeit zu besitzen; welches vorzüglich daher wahrscheinlich ist, weil der Rest eines angefressenen oder abgebroche-
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Nur von der Zusammenziehbarkeit habe ich
hier noch ein und anderes zu erinnern.
§. 50.
Diese Zusammenziehbarkeit erstreckt sich über
den ganzen Körper, so weit nämlich das Gebiet
des Zellengewebes reicht.
Sie findet sich also zuerst bei solchen Thei-
len, die ganz und gar aus einem Zellengewebe be-
stehen, z. B. in Membranen; denn daß diese sich
zusammenziehen erhellet aus der Zusammenziehung
der Fleischhaut des Hodensacks (Membrana tar-
dos), aus dem Krämpfen der Haut, oder des
Darmfells, welches öfters die eingeklemmten Där-
me fest zusammenschnürt.
Ferner in denjenigen Eingeweiden, die vor-
züglich aus dieser Zellenhaut zusammengewebt
sind; hieher gehören die Lungen, deren äußere
Oberflächen, wie ich bei Zergliederungen lebendi-
ger Thiere oft gesehen habe, die Fähigkeit haben,
sich zusammenzuziehen, aber nicht im geringsten
reitzbar sind, wie unlängst Varnier behaupten
wollte.
Sogar die Knochen besitzen diese Eigenschaft;
denn die Zahnhöhlen ziehen sich nach dem Aus-
fallen der Zähne zusammen; in der Beinfäule
zieht sich das neue Bein, welches vorher den ab-
gestorbenen und abgeblätterten Knochen umgab,
allmälig zu seiner ehemaligen Dicke und Gestalt
zurück.
Da aber der Schmelz der Zähne kein Zell-
gewebe aufzuweisen hat (§. 29.), so scheint er
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Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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